Ein Heiratsantrag anno 1914
PFAFFSTÄTTEN. "Oktober 1914. Der Briefträger betritt das Haus der Familie Stadlmann in Pfaffstätten". So beginnt eine Kurzgeschichte von Elfie Resch. Die Geschichte um ein wahres Fundstück, eine Postkarte, die sich tatsächlich auf dem Stadlmannschen Dachboden fand - abgestempelt am 29. Oktober 1914 und adressiert an Anna Koliecz (später Kolitsch) in Pfaffstätten.
Auf der Vorderseite ein Gruppenfoto aus der Rennwegkaserne. Absender ist Robert Schmidt (5. von rechts) und er schreibt auf der Rückseite an sein Annerl: "Mein geliebtes Annerl, eine Frage: Willst meine Frau werden und mich am Samstag in Wien besuchen, lass mir die Eltern grüßen, Dein Robert“
Was danach passierte, hat Elfie Resch in der Reihe "Zeitgeschichte, die Familiengeschichte schreibt" (erschienen in "Zeitgeschichten", Globus Verlag Wien ISBN 978-3-9503485-4-5) veröffentlicht. Nur so viel sei verraten: Ein paar Wochen später heiraten die beiden in der Pfaffstättner Kirche.
Hier der Text:
Der Briefträger betritt das Haus der Familie Stadlmann in Pfaffstätten.
Johanna Koliecz* hat mit ihren Töchtern Anna und Leopoldine nach der Ermordung ihres Mannes, des Müllermeisters und Gewerkschafters Franz Koliecz*, bei ihren Eltern Zuflucht gefunden.
„Ist die Annerl da, Frau Stadlmann?“ fragt der Postler.
Ja, da hint beim Schupfen is, Seppl.“
Der Seppl geht quer über den Hof. „Servus Annerl. I hab a Kartn für di.“
Dank da schön Sepp“. Anna nimmt ihm die Karte ab. Eine Karte von Robert, ihrem Freund, der in der Rennwegkaserne in Wien beim Militär ist.
Doch sie hat keine Zeit zum Lesen, der Großvater ruft:
„Kummst jetzt Annerl, die Gäst ham an Durscht“.
„Ja, kumm scho Grosvata“, die Anna steckt die Karte in die Tasche ihres Kleides, zieht die Schürze drüber und geht in die Gaststube.
Im Wirtshaus sind fast alle Tische besetzt. Sie nimmt die Getränke- und Essenswünsche der Männer auf und gibt sie an die Mutter weiter, die in der Küche werkt.
Sie füllt die Gläser und trägt sie zu den Tischen. Jetzt ruft die Mutter die Speisen aus. Anna holt sie aus dem Schuber und stellt sie vor den jeweiligen Gast.
Nur kurze Zeit ist es ganz ruhig, während die Männer hungrig das Essen schlingen. Dann werden die Gespräche lauter und dazwischen Rufe: Annerl noch ein Bier. Mir noch einen Wein.. Sie ist vollauf beschäftigt. Sie wäscht die Gläser und trägt das Geschirr in die Küche.
Es ist drei Uhr nachmittags, bis sie in ihr Zimmer unterm Dach kommt und die Karte wieder hervorholen kann.
Poststempel 29. X. 1914
An das Fräulein Anna Kolitsch* in Pfaffstätten
Mein geliebtes Annerl,
„eine Frage willst meine Frau werden und mich am Samstag in Wien besuchen, lass mir die Eltern grüßen
Dein Robert“
Annerl rennt aufgeregt zur Mutter, zeigte sie ihr die Karte und fragt ob sie den Robert besuchen dürfe. Der Großvater wird befragt. Annerls Mutter und auch der Großvater haben nichts gegen eine Heirat einzuwenden. Der Robert ist ein wohlgelittener Gast im Hause Stadlmann.
Robert Schmidt, geb. 1894, ist im August eingezogen worden. In ein paar Wochen sollte seine Kompanie in den Krieg. Davor wollte er seine Angelegenheiten regeln und sein Annerl versorgt wissen. Wenn er nicht wiederkommen sollte, bekam Annerl Witwengeld. Sie würde auch für seine Eltern sorgen, da war er sicher.
Am Samstag fährt Anna mit der Südbahn nach Wien. Robert holt sie vom Südbahnhof ab.
In die Steingasse beim Fotographen Sascha Hendler lassen sie ihre Verlobungsfotos machen
Den restlichen Tag zeigt ihr Robert die Kaserne, das Schloß Belvedere, den Karlsplatz, die Kärntner Straße und den Stephansdom. Am späten Nachmittag fährt sie glücklich nach Pfaffstätten zurück.
Anna’s Großvater regelt den Termin mit dem Pfarrer.
Ein paar Wochen später heirateten die beiden in der Kirche in Pfaffstätten. Ein paar Tage Urlaub dann musste Robert zurück in die Kaserne und zwei Wochen später an die Front. Die Hoffnung, das Weihachten der Krieg zu Ende ist erfüllte sich nicht.
Erst im Sommer 1917 kam Robert schwer verletzt zurück aber er hatte überlebt. Ein Teil seines Kiefers war ihm weggeschossen worden. Lange dauerte die Genesung. Und dann war endlich der Krieg vorbei.
Die Welt schien sich zu verändern. Aber nur kurz, schon bald war die Welt meiner Familie wieder in Aufruhr.
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