Brigittenauer Porträts: Am schönsten ist der Alltag
Christopher Mavrič holt mit seiner Straßenfotografie den 20. Bezirk und seine Bewohner vor den Vorhang.
BRIGITTENAU. Dass der Steirer Christopher Mavrič mit seinem Umzug nach Wien 2015 in der Brigittenau landete, war Zufall – oder Schicksal, denn erst nachher entdeckte er, dass die letzte Meldeadresse seines Urgroßvaters in der Leipziger Straße war, 500 Meter Luftlinie von seiner Wohnung.
Egal warum, nach drei Jahren im 20. Bezirk fühlt sich Mavrič hier mehr daheim als in Kapfenberg, und davon hat nicht nur er etwas, sondern auch sein Umfeld: Der Fotograf arbeitet am liebsten dort, wo er wohnt und lichtet "die Menschen und die Stadt, die sie umgibt" für seine Straßenfotografie ab.
Für sein Brigittenauer Projekt "Zwischen Brücken" sind eindringliche Porträts von Zufallsbegegnungen entstanden: Menschen, die Mavrič interessieren, mit denen er kurz oder länger ins Gespräch kommt und mit denen schließlich "in spontaner Zusammenarbeit ein Bild entsteht". Als Betrachter der Bilder fühlt man sich als Teil des Fotografier-Moments und sieht Personen und Szenen, die einem auf der Straße vielleicht nie auffallen würden – obwohl sie zum Alltag gehören.
Spontane Schönheit
Genau hier hakt Mavrič ein: "Es ist meine Mission als Fotograf, dass der Alltag bewusst wahrgenommen wird", sagt er. Er wünscht sich mehr Aufmerksamkeit und mehr Vorschussvertrauen bei der Begegnung mit Unbekannten: "Ich glaube, dass der Alltag großes künstlerisches Potential birgt. Die spontane Schönheit, die sich dort entfaltet, kann ich mir nicht so ausdenken."
Mavrič interessiert sich für die Menschen, die in seiner Umgebung wohnen – "ich brauche den Kontakt zu anderen, will wissen, was sie umtreibt und wie es ihnen geht", sagt er. Wenn ihn ein Teil der Kleidung oder des Auftretens interessiert, fragt er nach diesen Details. Mit Namen oder Alter der Personen versieht er seine Fotos allerdings nie. "Ich möchte, dass die Menschen, abgesehen von ihrem Bild, anonym bleiben." Sein Credo in der Straßenfotografie? "Ich mache keine Bilder, wenn ich nicht auch auf dieselbe Weise abgebildet werden möchte."
Das Wichtigste, um Leute zum Stehenzubleiben zu bringen, sei "das eigene Interesse und die Begeisterung so schnell wie möglich zu transportieren". Mit dieser Herangehensweise würden dann auch wirklich viele mitmachen – an sonnigen Tagen natürlich mehr als bei Regen. Dass ihm als Fotograf so viel Vertrauen entgegengebracht wird, weiß er zu schätzen.
Brigittenau: Gemischt, stressfrei, vielfältig
Die Brigittenau ist ein dankbares Pflaster: "Der Bezirk bietet eine extrem große Vielfalt, menschlich wie auch vom Stadtbild. Zwischen Wallensteinplatz und Brigittenauer Sporn ist einfach ein riesiger Unterschied", meint er. Dass der Zwanzigste trotzdem kompakt und außerdem von Wasser umgeben ist, gefällt ihm zusätzlich. Viele Brigittenauer, die er für ein Foto anspricht, stimmen seinem Urteil zu: "Viele neu Hinzugekommene, aber auch viele Alteingesessene sagen mir, dass sie ihren Bezirk lieben. Aber natürlich hört man auch Negatives." Ihn selbst fasziniert, wie "Menschen unterschiedlicher Herkunft in einer hauptsächlich stressfreien Begegnungszone koexistieren. Dafür, dass es so ein Mischbezirk ist, ist es bei uns einfach unglaublich harmonisch."
Zur Fotografie kam Mavrič über sein Informationsdesign-Studium an der Grazer FH Joanneum. In Graz hat er zum ersten Mal Fotos des Falter-Fotografen Heribert Corn gesehen und erkannt: "Man kann Journalismus und Fotografie auf eine ganz andere Weise machen, als ich es bisher gekannt habe". Schon während seiner Zeit in Graz war Mavrič dann selbst als Fotograf für den Falter tätig und ist es in Wien weiterhin.
Mavrič' Brigittenauer Bilder erschienen bereits 2017 im Sammelband "ÖsterreichBilder" im Verlag Fotohof edition. Derzeit kann er dank eines Stipendiums des Bundeskanzleramts verstärkt am Projekt "Zwischen Brücken" arbeiten und hofft, dass er ein Buch herausbringen kann, das ganz dem 20. Bezirk gewidmet ist.
Zur Person:
Christopher Mavrič (33) studierte an der Grazer FH Joanneum Informationsdesign und besuchte Friedl Kubelkas Schule für künstlerische Fotografie. Er fertigt Fotostrecken für die Zeitschriften Falter, Datum oder Autorevue und bespielt gemeinsam mit Markus Sigl die Republik Kugelmugel im Prater. Zur Zeit sind dort Skulpturen von Malcolm R. Poynter zu sehen Info: www.c-mavric.at, www.kugelmugel.at
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