Integrative Lernwerkstatt Brigittenau: "Noten vermissen wir hier nicht"
In der Integrativen Lernwerkstatt Brigittenau herrscht Sorge über den Fortbestand des Schulversuchs. Eine Urabstimmung klärt derzeit, ob Eltern und Schüler mit der bestehenden, alternativen Schulform zufrieden sind.
BRIGITTENAU. Es ist kurz nach 8 Uhr und in der Integrativen Lernwerkstatt Brigittenau (ILB) am Allerheiligenplatz ist einiges los. Nicht nur Schüler zischen über den Gang, auch eine Reihe von Eltern bahnt sich den Weg in den 1. Stock, den gelben Pfeilen folgend. Sie wurden, genauso wie die Lehrer und Schüler, zu einer Urabstimmung eingeladen: Sind Sie dafür, dass der Schulversuch, der die alternativen Lern- und Lehrmethoden in der ILB möglich macht, weiter bestehen bleiben soll?
"Auf jeden Fall", sagt Mutter Angela Hochwallner auf dem Weg zum Abstimmungszimmer. "Das offene, kindorientierte Lernen gefällt uns sehr, und durch die verbalen Beurteilungen gibt es nicht so viel Druck." Eine andere Mutter pflichtet bei: "Schon das fünfte Kind unserer Familie besucht diese Schule, und es ist schön zu sehen, wie selbstständig und selbstbewusst die Kinder hier schon im Volksschulalter sind. Auch Kinder mit Behinderung haben nie das Gefühl, außenstehend zu sein." Noten erst in der 8. Schulstufe, Ältere und Jüngere, die gemeinsam und eigenständig lernen, und volle Inklusion von Kindern mit Behinderung: Die ILB ist keine Schule wie jede andere.
Damit das möglich ist, muss allerdings jedes Jahr seit 20 Jahren – 1999 wurde die ILB-Volksschule eröffnet, ab 2009 wurde bis zur 8. Schulstufe aufgestockt – aufs Neue um die Genehmigung eines Schulversuchs angesucht werden, sagt Schulleiter Josef Reichmayr. Letztes Jahr wurde dieser das erste Mal zum Teil abgelehnt – Noten ab der 5. Schulstufe sollten her. Nach einiger Diskussion durfte dann doch alles bleiben wie gehabt. "Das war für mich trotzdem ein Zeichen am Horizont", sagt Reichmayr. Und jetzt, wo die neue schwarz-blaue Regierung auf Ziffernnoten ab der 1. Klasse zu bestehen und Schulversuchen gegenüber abgeneigt zu sein scheint, macht er sich noch mehr Sorgen. "Wir haben uns deshalb entschieden, per Urabstimmung eine Willensbekundung zu präsentieren", so Reichmayr. "Dabei handelt es sich ja auch um die vielgepriesene direkte Demokratie."
Entscheidung im Sommer erwartet
Bezirksvorsteher Hannes Derfler (SPÖ) jedenfalls steht hinter der ILB: "Die Schule ist ein Gesamtkunstwerk und ein wichtiger Bestandteil der Bildungslandschaft im Bezirk. Jede Änderung der Schulform wäre nachteilig." Ein Ergebnis der Urabstimmung wird Anfang März vorliegen. Die Wahlkommission, bestehend aus Marie (12), Flora (13) und Mutter Karin Szakasits, hofft, dass alles so bleibt, wie es ist: "Dass wir keine Noten haben, nimmt uns Druck und wir sind nicht so angespannt", sagt Marie. "Wir haben Lehrer, die wirklich auf unsere Stärken und Schwächen achten", meint Flora. Das werden sie wohl in jedem Fall weiter tun – unter welchen Vorzeichen, wird sich im Sommer weisen, wenn die Entscheidung des Ministeriums am Allerheiligenplatz eintrudelt.
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