Der größte Bezirk ohne Krankenhaus
Unser Bezirk, einer der größten des Landes mit knapp 100.000 Einwohnern, hat als einziger kein Krankenhaus. Warum das so ist und ob wir tatsächlich ein Spital brauchen, beleuchteten die Bezirksblätter im Gespräch mit Experten.
Im Gespräch mit Patienten aus dem Bezirk dringt immer wieder durch: Der Wunsch nach einem "eigenen" Krankenhaus ist da. Man fühlt sich benachteiligt, medizinisch unterversorgt. Tatsächlich bestätigt Landesrat Karl Wilfing: "Das MZG ist in Niederösterreich ein einzigartiges Modell.
Ein Modell, das Ärzte aus dem Landesklinikum und Landespolitiker gleichermaßen verteidigen: "Der Bezirk Gänserndorf ist klinisch bestens versorgt", sagt Wilfing ebenso wie Landeskliniken-Regionalmanager Jürgen Tiefenbacher und der ärztliche Leiter des Medizinischen Zentrums Gänserndorf (MZG), Primarius Wolfgang Pichler. Dass in absehbarer Zeit aus dem MZG ein Krankenhaus werden könnte, schließen sie aus, allerdings soll das Angebot in Gänserndorf weiter ausgebaut werden, unter anderem das Wundmanagement. "Das ist zeit- und patientenintensiv und wird von den niedergelassenen Ärtzen wenig angeboten", sagt Pichler.
Weiter soll in Gänserndorf ein Rheuma-Kompetenzzentrum entstehen: Pichler: "Da sind wir in ganz Österreich nicht so üppig aufgestellt." Man ist bereits im Gespräch mit der Gebietskrankenkasse, die sich an den Medikamentenkosten beteiligen soll.
Wohin mit meinem Leiden?
Eine weitere Aufwertung des MZG soll das "Primary Health Care Center" werden. Eine professionelle Form der Telemedizin. Patienten können übers Internet oder per Telefon beim "Ersthilfe-Gesundheitszentrum" anrufen und werden von dem Fachärzteteam vor Ort an die nächste Stelle geleitet, die für den jeweiligen Fall die höchste medizinische Kompetenz aufweist - von Unfallchirurgie über Kinderstation bis zum HNO. "Sofort an die richtige Adresse statt Patiententourismus", erklärt Pichler mit plakativen Worten.
Top-Team und Top-Geräte
Damit ist man auch beim Kernthema zur Frage: Krankenhaus für den Bezirk ja oder nein? Die Antwort liegt erstens in der Erreichbarkeit der Spitäler und zweitens in der Qualität der medizinischen Versorgung. Mit der Rettung ist der Patient von jedem Ort des Bezirks maximal binnen einer halben Stunde im Spital, Notarzt und der Hubschrauber sind noch schneller vor Ort. Damit ist man im europäischen Standard über dem Durchschnitt. Doch das Hauptargument gegen das Spital Gänserndorf - und damit kommt wieder das Primary Health Care Center ins Spiel: In den großen Spitälern wie Mistelbach oder SMZ Ost sammelt sich die höchste medizinische Kompetenz.
"Jeder Patient soll in das Spital, wo die besten Fachleute und das optimale technische Equipment für sein Anliegen bereitstehen", sagt Klinikenmanager Tiefenbacher. "Besser zehn Minuten länger fahren, dafür aber die bestmögliche Betreuung." Man müssen sich von dem Gedanken verabschieden, ein Krankenhaus in Gänserndorf würde die Komplettversorgung für Beschwerden aller Art bieten. "Ein neues Spital beherberge ganz sicher nicht sämtliche Stationen, von Kinder über Dialyse bis zur Internen", klärt Pichler auf.
Die sieben Beschwerden
Patientenombudsmann Othmar Matzinger ist für Beschwerden aller Art im Landesklinikum Mistelbach -Gänserndorf zuständig. "Vom kalten Kaffee bis zum ärztlichen Kunstfehler landet alles bei mir", sagt er. Das MZG, über das die Gänserndorfer gerne schimpfen, schneidet in der Statistik bestens ab. Die Patientenzufriedenheit liegt bei 98 Prozent. Im Jahr 2014 langten beim Beschwerdemanagement sieben (!) Bescherden ein, eine davon wurde zur Anzeige gebracht. "Meist handelt es sich um Kommunikationsprobleme, Patienten haben eine Erwartungshaltung, die wir nicht erfüllen können." Matzinger ist für konstruktive Kritik dankbar: "Nur so können wir Verbesserungen herbeiführen und Fehler reduzieren."
Zur Sache
Das aktuelle Angebot im MZG:
Operation des Grauen Stars, Carpaltunnelsyndrom (CTS), Varizen, Leistenhernien (Leistenbruch), kleine Brusttumore, Hämorrhoiden, Anlage von Port-a-Caths (Langzeitvenenkatheter), Kürettage, Conisationen, Hand- und Fußoperationen, z.B. Knie-Arthroskopien, Entfernung von Osteosynthesematerial (Metall), Arthroskopie
Eingriffe im ambulanten Bereich, Chemo- und Transfusionstherapie, Behandlung chronischer Schmerzzustände und Abklärung der physischen und psychischen Ursachen, Versorgung von chronischen Wunden.
Unfall-Erstversorgung und Allgemeinmedizinische Ambulanz täglich von 7 bis 19 Uhr, 7 Tage pro Woche (auch Sonn- und Feiertags).
Von 19 bis 7 Uhr ist das MZG mit einem Arzt, einer Krankenschwester und einem Security-Mitarbeiter besetzt.
2014 wurden im MZG 12000 radiologische Untersuchungen durchgeführt, 20 unfallchirurgische und 11.000 allgemeinmedizinische Behandlungen. Pro Nacht werden im Durchschnitt fünf Patienten behandelt, unfallchirurgische Behandlungen sind durchschnittlich jede zweite bis dritte Nacht notwendig, diese Patienten müssen nach Mistelbach.
Mein Bezirk 2020
Die Bezirksblätter starten mit einer neuen Serie. "Unser Bezirk 2020". Wir widmen uns dem Thema Gesundheit mit all seinen Facetten und stellen die Frage: Wie wird sich die medizinische Versorgung in unserem Bezirk in den nächsten Jahren verändern und welche Faktoren spielen dabei mit?
Sechs Wochen lang beleuchten wir die Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln, diese Woche beginnen wir mit "Tagesklinik versus Spital."
Zum Abschluss der Serie findet am 11. Juni, um 19 Uhr im Weydner Wirtshausin Oberweiden eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zu "Medizinische Versorgung im Bezirk" statt, zu der wir unsere Leser recht herzlich einladen.
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