Mit der Tradition brechen – "Gefragte Frauen" mit Irmtraud Fischer

Feminismus trifft Religion: Irmtraud Fischer über Geschlechterrollen, woher sie kommen und was Frauen dagegen tun können. | Foto: Kristl-Wenkel
  • Feminismus trifft Religion: Irmtraud Fischer über Geschlechterrollen, woher sie kommen und was Frauen dagegen tun können.
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Die Grazer Universitätsprofessorin und Bibelwissenschaftlerin bekam 2017 das Ehrendoktorat der Universität Gießen, war Vizerektorin für Forschung und Weiterbildung an der Karl-Franzens-Universität Graz und Koordinatorin der "Feminist Section der Internationalen Tagungen der Society of Biblical Literature".

WOCHE: Wie lassen sich Religion und Feminismus vereinbaren?
Irmtraud Fischer: Das bin ich, glaube ich, in Person. Ich habe eigentlich von Anfang an mit feministischer Fragestellung an der Universität gearbeitet. Wenngleich es mir zu Beginn meines Studiums noch nicht ganz so eingeleuchtet ist, aber man muss sagen, das waren damals ja die ganz ersten Anfänge der feministischen Theologie.

Wie haben diese Anfänge ausgesehen?
Es wurden beispielsweise einfach biblische Frauengestalten hervorgehoben. Ein Schlüsselbuch für mich war aber "In Memory of Her" von Elisabeth Schüssler Fiorenza im Jahr 1983, die einfach mit den Methoden, die damals en vogue waren, gearbeitet hat und die richtigen Fragen gestellt hat. Seitdem arbeite ich so, auch meine Habilitation war eine feministische.

Sie waren die erste katholische Theologin, die in Österreich habilitiert hat. Welcher Fragestellung haben Sie sich darin gewidmet?
Ich habe die sogenannten Patriarchen- oder Vätererzählungen untersucht, die ich dann in "Erzelternerzählungen" umgetauft habe, einfach auch vom Textbefund her, weil jeder zweite Text ein Frauentext ist. Das wurde jetzt auch in der neuen Bibelübersetzung übernommen.

Die neue Bibelübersetzung enthält aus feministischer Sicht einige grundlegende Änderungen. Wieso hat es so lange dafür gebraucht?
In den 70er-Jahren, in der ersten Einheitsübersetzung, war das noch alles zu früh. Insofern ist es logisch, dass das damals noch nicht drinnen stand.

Stichwort Gendern: Welche Entwicklung sehen Sie hier als Theologin?

Das Problem ist derzeit, dass wir den "Backslash" haben, also es geht eher zurück. Das kommt vor allem auch aus dem Osten, wo eine unselige Publikation, die nur als Pamphlet, als Schmähschrift, zu bezeichnen ist, quasi als das Standardwerk rezipiert wird. Aber ich kenne viele ernstzunehmende Leute, die die Fachliteratur kennen und einsehen, dass es so nicht weitergehen kann und man Wissenschaft nicht vorurteilsbeladen betreiben kann.

Wieso herrscht hier noch so großer Aufholbedarf?

Es ist ja nicht nur in der Theologie so, sondern in allen Fächern. Gewisse Dinge wurden einfach weitergegeben, und das Weibliche wurde immer vergessen. Tradition ist so entstanden, dass Männer aussortiert haben, was wichtig war. Wenn bedeutende Frauen in einer Epoche gewirkt haben, hat man alles getan, um sie wieder vergessen zu machen. Zwei Beispiele dafür sind Olympe de Gouges und Christine de Pizan. Diesem Problem widmen wir uns auch in "Die Bibel und die Frauen".

Welchen Anteil haben Religionen an der Konstruktion von Geschlechterrollen?
Einen sehr großen. Einen großen Anteil haben hier die mythischen Vorstellungen des Werdens der Welt. Obwohl der Text an sich ja nicht sexistisch ist, wurde der Frau in der Überlieferungsgeschichte die Schuld am Sündenfall gegeben und die Dominanz des Mannes festgeschrieben.

Wird Religion so für Machtzwecke missbraucht?
Ja, selbstverständlich, das Kirchenrecht geht genau nach diesen Auslegungstraditionen. Das sind Traditionen, die noch nicht aufgebrochen sind. Warum das Beharrungsvermögen, wenn es um das Gebiet Gender, Frauen, aber auch andere Dinge, die mit Sexualität zu tun haben, geht, ausgerechnet so hoch ist, ist wahrscheinlich auch kein Zufall. Da braucht man nur ins Parlament schauen, der Anteil von Frauen liegt hier bei nur 30 Prozent.

Können hier Quoten helfen?
Ohne Quoten wird sich überhaupt nichts tun. Und Quoten sorgen nicht dafür, dass man Männern den Platz wegnimmt, sondern sie schaffen die himmelschreiende Ungerechtigkeit in Bezug auf die Geschlechterfrage ab, die im Säkularen genauso da ist wie im Religiösen.

Sind Sie gläubig?
Ja, aber kritisch.

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