"Ich lass das Glas für mich stehen" – ein Gespräch über Alkoholismus
Ein Anonymer Alkoholiker erzählt seine Geschichte und wie wichtig die AA-Treffen für ihn sind.
"Ich bin Alkoholiker", sagt Hannes. Der 67-Jährige ist seit 26 Jahren trocken, dennoch bezeichnet er sich so. "1991 bin ich an einem Tiefpunkt in meinem Leben angekommen, ich wusste an einem radikalen Tag: entweder bring' ich mich heut um oder ich änder' etwas." Am selben Abend fand sich Hannes bei seinem ersten AA-Treffen wieder.
Anonymität als höchstes Gut
Die Anonymen Alkoholiker (kurz: AA) wurden 1935 in den USA gegründet, in der Nachkriegszeit schwappte die Idee auf Europa über, seit den 60er Jahren ist der Verein auch in Österreich erfolgreich aktiv.
"Am wichtigsten ist die Anonymität", erklärt Hannes. "Bei uns werden alle mit Vornamen angesprochen, wir sind der Schmelztiegel der Gesellschaft: Vom Sandler über den Akademiker bis hin zum Pfarrer. Bei den AA ist jeder gleich und anonym." Bei den Treffen wird geredet und zugehört. "Es ist leichter mit jemandem zu reden, der auch betroffen ist."
"Es ist eine Krankheit"
Hannes musste im Laufe seines Lebens viele Verluste hinnehmen. Gute Freunde, die aufgrund von Drogen- oder Alkoholkonsum nicht mehr am Leben sind, teils durch den selbstgewählten Tod.
"Im Bewusstsein der Menschen ist zu wenig verankert, dass Alkoholismus eine Krankheit ist, von der man schwer wegkommt. Bei den AA kann man die Hand hinstrecken, nehmen muss sie jeder selbst", meint er nachdenklich. "Der Wunsch nüchtern zu werden, das ist die einzige Voraussetzung bei den AA, sonst gibt es kaum Regeln."
Eigenliebe lernen
Drei Grundsätze werden als Anstoß an "Neulinge" weitergegeben: Versuche, das erste Glas nicht zu trinken. Nimm dir keine langen Zeiträume vor, maximal einen Tag. Lass für dich dein Glas stehen.
"Ich habe einmal erlebt, wie es ist, wenn man alles verloren hat und am Boden ist. Ich bin mir im Laufe der Jahre selbst zu wichtig geworden, um wieder zu trinken", erläutert Hannes den dritten Punkt der Liste. "Jeder muss für sich selbst Verantwortung übernehmen, das muss man lernen."
Mut zusprechen
Hannes hat seit 1991 jedes Glas stehen gelassen, nicht immer war der Weg leicht. "Es wird mit der Zeit etwas einfacher. Mir hat geholfen, als ich mich in der Arbeit geoutet habe. Ich wurde sogar Ansprechperson für andere Betroffene in meiner Firma."
So möchte der Pensionist und begeisterte Musiker, der selbst immer noch regelmäßig zu AA-Treffen geht, allen Mut zusprechen, das Angebot einer AA-Gruppe anzunehmen, bevor es zu spät ist. "Wenn mein Trinkverhalten für mich zum Problem wird, dann ist mein Umfeld nämlich schon längst betroffen."
AA Steiermark
Telefon: 0650/7512153 (9 bis 21 Uhr)
Post: Mesnergasse 3, 8010 Graz
Mail:stmk-ktn@anonyme-alkoholiker.at
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