Weltpremiere in Graz – Marguerite Dunitz-Scheer in "Gefragte Frauen"
Große Schritte für kleine Menschen: Marguerite Dunitz-Scheer eröffnet die erste Esslernschule.
Viele Kleinkinder haben Schwierigkeiten bei der Ernährung. Die Kinderärztin und Kinderpsychotherapeutin Marguerite Dunitz-Scheer eröffnet nun die weltweit erste Esslernschule und will mit ihrem Team Eltern und Kinder dabei begleiten, richtiges Essverhalten zu erlernen.
WOCHE: Welche Formen von frühkindlichen Essproblematiken kennen wir?
Marguerite Dunitz-Scheer: Es gibt zahlreiche Formen von Essauffälligkeiten, die viele Ursachen haben. Oft ist es Folge einer schweren und lebensbedrohlichen Erkrankung, die Monate oder Jahre eine künstliche Ernährung des Kindes über eine Sonde erforderte. Hier ist es eine enorme Leistung des Kindes nach dem Überwinden einer schweren Erkrankung zu einer natürlichen Nahrung zu finden.
Gibt es auch Kinder, die keinen medizinischen Grund für die Essauffälligkeiten haben?
Ja, diese Kinder sind medizinisch gesund, geraten aber in einen Konflikt rund um das Essen. Der Konfliktpartner ist dabei meistens die Mutter. Zwischen acht und zwölf Lebensmonaten entwickelt sich das kindliche Ich zu einer Persönlichkeit und will mitreden.
In der Esslernambulanz lernen sie also orale Ernährung?
Unser Team beschäftigt sich mit jedem Kind und jeder Familie individuell und intensiv. Ein wichtiger Bestandteil ist dabei das Kennenlernen. Es ist von Situation und Kind abhängig, welche Vorgehensweise nötig ist und wie lange die Begleitung dauert. Wir konzentrieren uns natürlich vorwiegend auf das Kind, denn dieses soll die Freude am Essen für sich entdecken. Unsere Schule und Ambulanz sind daher durch und durch auf Kinder ausgerichtet.
Wieso eröffnen Sie die Esslernschule?
Es gibt einen unglaublich hohen Bedarf und zwar auf beiden Seiten. Kinder, die aus dem Spital entlassen werden und medizinisch geheilt sind, aber nicht wissen, wie sie essen sollen, da sie bis dato nur durch eine Sonde ernährt wurden. Da es bei jedem Kind auf viele Komponenten ankommt, ist ein interdisziplinäres Team wichtig, um die verschiedenen Bereiche abdecken zu können. Man braucht medizinisches, psychologisches, therapeutisches, psychiatrisches und pädagogisches Können und das bieten wir erstmalig an einem Ort an. Neben unseren Kursen vor Ort als Basis, bereiten wir auch eine Online-Praxis vor, wo wir Eltern 365 Tage im Jahr begleiten.
Was sich bestimmt viele fragen: Was ist die richtige Ernährung für das Kind?
Es ist ratsam, den Übergang vom Stillen oder Flaschensäugling hin zur normalen Familienkost zu wählen. Wenn diese ausgewogen und abwechslungsreich ist, spricht nichts dagegen, dass das Kind da mitisst. Dies ist auch millionenfach in anderen Ländern so und wäre anders nicht möglich.
Was ist gesunde Ernährung?
Gesunde Ernährung bei Kindern muss ein gutes Wachstum ermöglichen. Kinder müssen ausreichend Nährstoffe für ihren Grundumsatz und das Wachstum bekommen. Das Kind muss genügend Eiweiß bekommen. Dieses kann entweder noch aus der Milch oder in Form von fester Nahrung durch Eier, Fleisch oder Fisch aufgenommen werden. Durch Chips, Weißbrot oder Fast Food wird der Grundumsatz erreicht, das sind aber die falschen Nährstoffe für das Wachstum.
Es ist eine Frage der Ideologie: Stillen ja oder nein?
Unsere Menschheit wäre ohne Stillen nicht entstanden. Es ist nach wie vor das Beste für die Mutter-Kind-Beziehung und ein großes Plus, wenn das Kind die Immunstoffe über die Muttermilch bekommt.
Sie beschäftigen sich seit 40 Jahren mit kindlichem Essverhalten. Wie kam es dazu?
Seit meine Freundin mit zwölf Jahren an einem Lymphom verstarb, wollte ich Ärtzin werden und machte zur Facharztausbildung auch eine in der Kinderpsychiatrie. An der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, wo ich seit 1981 tätig war, kamen bereits 1985 die ersten Sondenkinder. Wir konnten uns so spezialisieren und auch seltenste Krankenheiten behandeln, worüber ich sehr froh bin. Auch heute freue ich mich, wenn ich anderen helfen kann.
WOCHE-WORDRAP
Kinder sind ... ein Geschenk und meine Freude im Leben.
Zum Lachen bringt mich ... mein Mann.
Das schönste am Job ... ist, auch nach 40 Jahren täglich Neues zu lernen.
STECKBRIEF
Geboren am 14. 5. 1955 in Bethesda
Verheiratet, 6 Kinder, 7 Enkel
Medizinstudium in Zürich, Boston und Graz
Ab 1981 an der Uni-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Graz und Kinderpsychosomatik-Abteilungsleitung, 2017: Pension
International tätig (USA, Israel)
Hier gehts zur Website der Esslernambulanz.
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