WK Tirol fordert politischen Mut bei Projekten zur Bürokratie-Entlastung

Bürokratie-Entlastung | Foto: Foto: WKT/Thurner

- WK-Umfrage zeigt: Jeder zweite Tiroler Unternehmer fühlt sich durch zu viel Bürokratie belastet.

- Präsident Bodenseer begrüßt die aktuellen Ansätze auf EU-, Bundes- und Landesebene und fordert politischen Mut, spürbare Entlastungsschritte für die Betriebe auch umzusetzen.

Weniger Bürokratie ein Schlagwort in aller Munde, seit vielen Jahren. Eine aktuelle Befragung der Wirtschaftskammer Tirol zeigt, dass diesbezüglich nach wie vor viel zu tun ist. Jeder zweite Unternehmer fühlt sich durch staatliche Auflagen, konkretes Verwaltungshandeln oder Meldepflichten belastet. Diese Quote ist eindeutig zu hoch, betont WK-Präsident Jürgen Bodenseer.

Konkret stöhnen 62 Prozent über die Vielzahl von Gesetzen, Richtlinien und Auflagen. 59 Prozent kritisieren die vielfältigen Melde- und Aufzeichnungspflichten, die mitunter die betriebliche Tätigkeit bremsen. Immerhin noch jeder dritte Befragte fühlt sich durch die Vorgaben von Behördenseite überfordert. Und 70 Prozent empfinden, dass die Auflagen-, Melde- und Aufzeichnungspflichten in den vergangenen fünf Jahren spürbar angestiegen sind. Als besonders störend sehen dabei 41 Prozent etwa die Meldungen für statistische Zwecke.

Bodenseer betont, dass die Unternehmer in Österreich 230 Millionen mal (!) im Jahr Auskunftsverpflichtungen des Staates nachkommen. Konkret geht es um 561 Rechtsvorschriften der Bundesgesetzgebung mit sage und schreibe 5.687 Informationsverpflichtungen. Die Verwaltungslast für die Betriebe macht rund 4,3 Milliarden Euro pro Jahr aus.

Der WK-Präsident sieht aber auch Licht am Horizont. Er begrüßt ausdrücklich z. B. das Projekt Verwaltungskosten senken für Unternehmen minus 25 Prozent. Hier geht es um ein Einsparungspotenzial von einer Milliarde Euro, das zur Hälfte auf Bundesebene bis 2010 sowie auf EU-Ebene bis 2012 durch Vereinfachungen erzielt werden soll. Wenn die Betriebe dieses Geld in Forschung und Entwicklung investieren können, dann haben wir gleich zwei Fliegen auf einen Schlag.

Bodenseer lobt Pilotprojekt in Tirol

Positive Worte findet WK-Präsident Bodenseer auch für Ansätze, die in Tirol eingeleitet und kürzlich im Rahmen eines hochkarätig besetzten Symposiums in der WK Tirol vorgestellt wurden. Per Beschluss der Landesregierung vom Jänner dieses Jahres gehört Tirol zu jenen drei Bundesländern (mit der Steiermark und Oberösterreich), in denen mittels Pilotprojekt geprüft werden soll, wie die so genannten Erfüllungskosten für die Betriebe gesenkt werden können. Auf Landesebene geht es hier um Genehmigungs- und Anzeigenverfahren (z.B. Baugenehmigungen, Naturschutz, Anlagenrecht, Umweltprüfungen etc.) sowie um Informations- und Meldepflichten, Abgabenerklärungen und Förderanträge. Rund 400 Millionen Euro kostet das die Tiroler Betriebe pro Jahr. 100 Millionen könnten eingespart werden.

Bodenseer: Jeder Unternehmer wendet mehrere hundert Stunden jährlich für die Bereitstellung von notwendigen Informationen auf. Dass diese Belastungen für kleinere Betriebe besonders gravierend sind, muss nicht extra erwähnt werden. Ich appelliere hier an den Mut der Politik, Gesetze zu vereinfachen. Weiters gehören Zweigleisigkeiten durch noch bessere Vernetzung von Behörden abgeschafft und die Beratung und Transparenz verbessert. Das alles wären Ansätze, die ohne viel Kraftaufwand umgesetzt werden könnten und die rasch positive Effekte mit sich bringen würden, so Bodenseer.

Als echten Meilenstein für eine Verwaltungsvereinfachung nennt Bodenseer das Pilotprojekt an der BH Schwaz, wo Anlagengenehmigungen elektronisch erfolgen können. Man muss sich dabei vorstellen, wie viele leere Kilometer und wie viel Papier hier eingespart werden. Man schickt die Unterlagen elektronisch an die BH, dort können sie an die jeweiligen Sachverständigen weiter geleitet werden. Und diese wiederum können direkt per Internet mit dem Antragsteller kommunizieren und etwaige Mängel sofort und unbürokratisch beheben. Der positive Effekt liegt auf der Hand: schneller, billiger und eine qualitative Steigerung des Verfahrens. Ich spreche der Landesverwaltung hier wirklich ein Lob aus, fordere aber auch, dass dem Pilotprojekt eine landesweite Ausdehnung dieser Art der Genehmigung folgt.

Schwarzbuch zur Bürokratie

Die Wirtschaftskammer Tirol hat in der Vergangenheit zahlreiche Fälle gesammelt, die zeigen, dass der bürokratische Amtsschimmel in Tirol teilweise kräftig wiehert. Es handelt sich dabei um tatsächlich erfolgte Bescheide oder Amtshandlungen. Die unglaublichsten Fälle haben wir nun in einem Schwarzbuch zusammengefasst, so WK-Präsident Bodenseer.
Konkret nennt der WK-Präsident den Fall eines Unterländer Betriebes, dem die Genehmigung für eine Werbetafel untersagt wurde, weil diese unter anderem zur Todesfalle für Insekten werden könnte. Wörtlich heißt es im Text der BH Kufstein: Die Tiere werden geblendet und verlieren die Orientierung. Zwanghaft umkreisen sie die Lampen und verenden aus Erschöpfung oder verbrennen in der abgestrahlten Hitze, meist bevor sie sich gepaart und fortgepflanzt haben.
Bodenseer: Wenn ich das als Unternehmer bekomme, fühle ich mich gepflanzt. Werbung gehört zur Wirtschaft. Wirb oder stirb ist nicht nur ein Spruch.

Ein weiteres Beispiel ist jenes einer Jausenstation auf 1.200 Meter Höhe, die über keinen Stromabschluss verfügt. Nach einer Prüfung durch den Lebensmittelinspektor schrieb dieser einen Geschirrspüler vor, mit der Begründung, dass man Geschirr und Gläser bei 70 Grad waschen müsse und das mit den Händen nicht gehe, sondern nur mittels Holzzangen. Hier hat die Wirtschaftskammer rasch und unbürokratisch helfen können und mittels Unterstützung den Kauf eines Stromaggregates ermöglicht. Aber der Fall zeugt für mich auch von mangelnder Einfühlsamkeit seitens der Behörden, so Bodenseer.

Eine andere Großbaustelle ist für den WK-Präsidenten die Vergnügungssteuer. Hier handelt es sich um einen echten Bürokratiedinosaurier, der mit Vergnügen wenig zu tun hat. Was es hier an skurrilen Vorschriften gibt, ist kaum zu überbieten. Beispielsweise der Paragraph 1, Absatz 4, der die Annahme einer Vergnügung regelt. Das heißt nichts Anderes, als dass letztlich die Beamtenschaft regelt, ob es sich um ein Vergnügen handelt oder nicht.
(Details dazu siehe Schwarzbuch auf den Seiten 14 und15).

Welche bürokratischen und wieder kehrende Auflagen auf einen Gastronomiebetrieb warten, wird im Schwarzbuch anschaulich anhand einer Checkliste aufgezeigt. Dass so manchem Jungunternehmer oder auch potentiellem Übernehmer beim Durchsehen dieser Liste die Lust auf einen Gastronomiebetrieb vergeht, verwundert daher nicht.

Regelungen sind notwendig

Gerade in einem so hoch entwickelten und engräumigen Siedlungs- und Wirtschaftsraum wie Tirol braucht es klare Regeln für das Zusammenleben. Bodenseer: Das ist klar und steht nicht zur Debatte. Nur unmissverständliche Rechte und Pflichten für alle Beteiligten können Sicherheit und Schutz von Umwelt, Mitbewerbern, Mitarbeitern und Nachbarn gewährleisten und unerwünschten Wildwuchs verhindern. Wie bei allem im Leben zählt aber auch hier das richtige Maß. Ab einer bestimmten Schwelle wird Rechtssicherheit zur Schikane, wird Ordnungssinn zur Investitionsbremse, wird Gleichheit zur Gleichmacherei, wird das starre Regelmaß zur Unflexibilität. Ab diesem Punkt wird die Bürokratie zur Belastung für Unternehmen und Standorte sowie zur Hürde für neue Arbeitsplätze.

Bodenseer fordert auch ein Umdenken, was das Aufgabenbild der Verwaltung anbelangt. Ich wünsche mir, dass die Verwaltung ein echter Dienstleister wird, der sich auch als Problemlöser, als Berater im Sinne des Kunden versteht.

Der WK-Präsident verweist aber auch darauf, dass es natürlich Bring- und Holschulden gibt. Ich weiß aus persönlicher Erfahrung, dass gut vorbereitete Antragsunterlagen in der Regel schneller zum Finale gelangen.
Als Beispiel nennt Bodenseer einen Großumbau eines Vier-Sterne-Hotels am Achensee, wo die Gesamtdauer des Verfahrens 14 Werktage betrug. Und die Verhandlungsdauer vor Ort lediglich eineinhalb Stunden.
Föderalismus als große Chance

Gesetzgebung passiert aber natürlich nicht nur auf EU- oder Bundesebene, sondern hat auch viele Wurzeln auf Landesebene. Umso wichtiger ist es, dass der von der Politik viel und gern zitierte Föderalismus der Länder auch wirklich gelebt wird.

Föderalismus ist ein Standortfaktor. Er ist in der Tendenz die effizientere Form der Staatsorganisation, da durch Orts- und Sachnähe regional abgestimmte Lösungen entstehen und damit ein höherer Identifikationsgrad. Und er garantiert demokratische Gestaltungsfähigkeit auf regionaler Ebene und Zusammenhalt der Gesellschaft durch Identität, ist Univ.-Dozent Dr. Peter Bußjäger, Direktor des Instituts für Föderalismus in Innsbruck, überzeugt. Das seien wichtige Gründe, die für Föderalismus sprechen. Der moderne Föderalismus könne jedoch mehr: Er gewährleistet Effizienz und Innovationen.

Die Verwaltungsreform in Österreich wird in besonders starkem Maß von den Ländern getragen. Das wird auch durch den großen Anteil an Einreichungen aus den Ländern und Gemeinden für den Amtsmanager-Preis der Wirtschaftskammer unterstrichen. Vor allem gehen die Preise zum überwiegenden Teil in die Länder.
Österreich liegt in europaweiten Benchmarks von 2006 und 2007 an erster Stelle. Nicht trotz, sondern wegen der föderalen Strukturen. Eine der größten Erfolge des innovativen Föderalismus war die Verkürzung der Dauer von Betriebsanlagenverfahren. Immerhin hat sich die Verfahrensdauer in Österreich von 400 Tagen im Jahr 1996 auf 90 Tage im Jahr 2004 deutlich reduziert. Dies ist vor allem durch Verfahrensmanagement in der Organisation der Landesverwaltung möglich geworden, so Bußjäger.

Auch im Bereich des E-Government ist Österreich Europameister. Diese Leistung ist besonders der Innovationsfähigkeit der Landesverwaltungen und einer guten Bund-Länder-Kooperation zu verdanken, so Bußjäger, der betont, dass die Verwaltungsreform ein ständiger Prozess ist. Bei Gemeindekooperationen und länderübergreifender Zusammenarbeit sehen wir Verbesserungschancen. Für die neue Bundesregierung sehen wir die große Aufgabe, durch die Integration der großen Zahl der Bundesbehörden in den Verwaltungen der Länder und durch die Bereinigung von Doppelgleisigkeiten in den Ministerien Synergien zu schaffen.

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