"Frau Doktor, tut sterben weh?"
Die Weidlinger Kinderhospiz-Ärztin Martina Kronberger-Vollnhofer über ihre Arbeit mit todkranken Kindern und ihren Familien.
WIEN/KLOSTERNEUBURG (Printausgabe, 27. April 2016). Im März feierte das Kinderhospiz MOMO seinen dritten Geburtstag. Die Klosterneuburger Ärztin Martina Kronberger-Vollnhofer (50) startete ihr Herzprojekt 2013 mit nur einer Assistentin. Heute hat MOMO elf Angestellte und 41 Ehrenamtliche. Das Team unterstützt schwerstkranke Kinder, ihre Eltern und Geschwister im Großraum Wien – angefangen von medizinischer und pflegerischer Betreuung bis hin zu psychischer und sozialer Beratung. Mehr als 120 Familien wurden durch MOMO bislang auf ihrem schwierigen Weg betreut.
"Das Sterben spielt keine Hauptrolle"
Worauf sie sich einlässt, wusste Martina Kronberger-Vollnhofer: Sie war zuvor 22 Jahre im St. Anna Kinderspital als Onkologin tätig: "Es geht in der Hospizarbeit weniger darum dem Leben Tage, sondern den Tagen Leben zu geben. Und bei Kindern geht es anders als bei Erwachsenen noch viel, viel mehr ums Leben. Das Sterben spielt häufig keine Hauptrolle, auch wenn es immer wieder darum geht." Kleinkinder können den Tod als etwas Endgültiges noch nicht begreifen: "Kinder lernen erst nach und nach, was Leben bedeutet. Für sie lebt zum Beispiel auch ihr Teddy. Wenn ich aber nicht weiß, was Leben bedeutet, weiß ich auch nicht, was der Tod ist." Doch nicht nur das Alter stellt das Team vom Kinderhospiz vor eine ganz besondere Aufgabe: unterschiedliche Sprachen, Kulturen, Religionen und Erfahrungen prägen die Situationen in den Familien.
"Die Wahrheit ist jedem zumutbar"
Nur eine Sache ist bei allen Kindern gleich – die Ärztin lügt sie nicht an: "Die Wahrheit ist jedem zumutbar. Wenn Kinder fragen, dann geben wir ihnen Antworten. Es geht nicht darum, den Tod zu beschönigen. Wenn konkrete Fragen nicht beantwortet werden, dann ist der Fantasie der Kinder keine Grenzen gesetzt. Sie bleiben allein mit dem Gefühl, dass etwas so Furchtbares passiert, dass man nicht einmal darüber reden kann." Und Fragen bekommt Kronberger-Vollnhofer viele gestellt: Wer passt dann auf mich auf? Werden meine Eltern sehr lange traurig sein? Wird man mich irgendwann vergessen? Oder ganz pragmatisch: Tut sterben weh?
"Keine falsche Rücksichtnahme"
Viele Familien leiden auch unter Vereinsamung, wenn die sozialen Kontakte mit andauernder Krankheit vom Kind weniger werden oder nach dessen Tod ganz wegbrechen. Die Berührungsängste und die Furcht, etwas Falsches zu sagen, ist groß. Manche wechseln aus missverstandener Rücksichtnahme auch schon einmal die Straßenseite, um verwaiste Eltern nicht mit dem eigenen Nachwuchs zu konfrontieren. "Wichtig ist, mit betroffenen Familien möglichst normal umzugehen", rät Kronberger-Vollnhofer. "Nicht aufhören zu fragen, ob man helfen oder zu Besuch kommen kann und es aushalten, wenn die Familie sich vorübergehend auch einmal zurückzieht. Aber bitte nur nicht selbst prophylaktisch den Kontakt meiden!" Für Eltern, die ihr Kind verloren haben, ist es wichtig, dass das nähere Umfeld die Geburts- und Sterbetage nicht vergisst: "Das trifft viele Hinterbliebene, wenn ein verstorbenes Kind mit den Jahren 'vergessen' wird, und sie das Gefühl haben, nicht mehr trauern zu dürfen."
"Unser Arbeitsalltag ist nicht immer traurig"
Wie die Ärztin selbst die Traurigkeit ihrer Arbeit aushalte? Die Klosterneuburgerin zuckt die Schultern: "Natürlich ist der private Ausgleich wichtig. Ich bin zum Beispiel gerne daheim in Weidling in der Natur. Aber unser Arbeitsalltag ist nicht immer traurig. Im Gegenteil: Viele unserer Begleitungen sind sehr fröhlich. Wenn wir die Familien bei wichtigen Schritten – bei dem neuerlichen Schulbesuch oder bei einem Ausflug – unterstützen können. So sehen wir unsere Arbeit: Wir unterstützen das Leben, und das Leben ist schön."
Die Ärztin kritisiert, dass es vonseiten des Bundes nur eine ideelle Unterstützung für den Hospizgedanken gibt, auch wenn sich die Politik einig über Ausbau und Verbesserung ist, wie der Beschluss der Empfehlungen einer eigens eingerichteten parlamentarischen Enquete-Kommission im letzten Jahr zeigte. Eine finanzielle Unterstützung von Kinderhospiz-Einrichtungen gibt es jedoch längst nicht in jedem Bundesland – in Niederösterreich und der Steiermark die meiste, in Wien keine. Woran es österreichweit fehlt, sind mehr Möglichkeiten für stundenweise Entlastungspflegedienste: "Das wäre eine große Unterstützung für die Eltern, besonders nachts."
ZUR SACHE
Das Kinderhospiz MOMO wird ausschließlich aus Spenden finanziert. Wenn Sie die Arbeit von Martina Kronberger-Vollnhofer finanziell unterstützen wollen, können Sie dies über folgendes Spendenkonto tun: Empfängerin Caritas/Kinderhospiz MOMO | IBAN: AT57 2011 1822 1426 4500 | BIC: GIBAATWWXXX
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