Wundersame Klosterneuburger Unterwelt

Im Bild: Ein über 15 Meter langes, sechs Meter breites und ebenso hohes Kellergewölbe mit verfüllten Fortsetzungen. | Foto: Heinrich Kusch
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  • Im Bild: Ein über 15 Meter langes, sechs Meter breites und ebenso hohes Kellergewölbe mit verfüllten Fortsetzungen.
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KLOSTERNEUBURG (Printausgabe, 10. Februar 2016). Hunderte Meter weit unterhalb des Stiftes im zentralen Bereich des Stadtplatzes und unter dem Stift selbst befinden sich historische Anlagen, von deren Ausmaß nur wenige wissen. So überraschte die Entdeckung eines Geheimgangs samt Auffangbecken unterhalb der Pestsäule bei den Umbauarbeiten des Stadtplatzes 2009 auch die Stadtverwaltung. Viele versteckte Gänge verlaufen unter den Straßen und Plätzen der Stadt in durchschnittlich sechs bis acht Metern Tiefe – manche sogar bis zu zwölf Metern unter dem heutigen Straßenniveau Klosterneuburgs. Die Unterstadt selbst ist etwa zur Hälfte mit mindestens zwei Kellerebenen unterhöhlt – die meisten Keller sind jedoch nach wie vor verschlossen.

Ein Geheimtreffpunkt der Urchristen

Das Grazer Forscher-Ehepaar Heinrich und Ingrid Kusch widmet den unterirdischen historischen Zeugnissen Klosterneuburgs ein ausgiebiges Kapitel in seinem letzten Buch „Versiegelte Unterwelt“, für das es sich auf eine spannende Reise ins alte Klosterneuburg machte und der Frage nachging: Warum hat man viele der Anlagen Ende des 16. Jahrhunderts verschüttet? In einer pröpstlichen Anweisung aus dem Jahr 1580 gibt es einen Hinweis darauf: Darin kann man nachlesen, dass die Befüllung des Felskellers der so genannten 12-Apostel-Zeche von kirchlicher Seite angeordnet wurde, um sie „vor der Benutzung durch Katholiken und deren Untergang ins Heidnische zu bewahren“. Die 12-Apostel-Zeche ist eine viele hunderte Meter lange verzweigte unterirdische Anlage. Wer nun an ein unterirdisches Wirtshaus denkt, wird möglicherweise fehlgeleitet: Zeche stand im Österreichischen für eine Handwerksgenossenschaft oder eine Vereinigung. In dem historischen kirchlichen Dokument ist allerdings die Rede von einem „Odem des Bösen, welcher das Fremde anzieht wie Licht die Modten“. Eine Erklärung dafür könnten nach dem Ehepaar Kusch starke elektromagnetische Felder sein. Zudem fällt die Verschließung der Anlagen in die Zeit der europaweiten Hexenverfolgung, der Inquisation. Schließlich ist in dem Dokument auch die Rede von „heidnischen Unfug“, der unter der Erde ausgeübt würde.

Ein Gangsystem ungeahnten Ausmaßes

Manche Gänge haben belegt durch archäologische Funde ein Mindestalter von 1.800 Jahren. Für das enorme Alter der Anlagen sprechen neben römischen Funden auch ein Römerbad in rund zehn Metern Tiefe. "Die ganze Unterstadt von Klosterneuburg ist unterhöhlt", erzählt Heinrich Kusch von seinen Forschungen. "Es existieren kilometerlange Kellersysteme, die auf künstlichen unterirdischen Anlagen beruhen." Laut einer skizzenhaften Karte des Klosterarchivs gibt es einen Mindestradius von zehn Kilometer Luftlinie oder länger für die vermutliche Ausdehnung von unterirdischen Anlagen um Klosterneuburg. Das Besondere ist die Datierung eines Steinringes bei einem Einstiegsschacht ins Erdinnere, die von WissenschaftlerInnen der Lomonosov-Universität in Moskau auf weit über 8.500 Jahre zurück festgelegt wurde. "Damit befinden wir uns in der Jungsteinzeit", so Kusch. "Damals gab es Klosterneuburg noch nicht, aber es sieht so aus, als ob es am Ufer der Donau bereits künstlich gemachte unterirdische Siedlungen gegeben hat."

Unterstützung durch Private

Die AutorInnen beklagen in ihrem Buch mehrmals, dass von öffentlicher Seite kein Interesse an der Untersuchung und Freilegung der unterirdischen Anlagen im Stadtkern von Klosterneuburg kein Interesse besteht. "Das war für uns befremdend", meint Kusch. In der Stadtgemeinde wehrt man sich gegen diese Spekulation und verweist auf den Historienpfad, einen mit Schautafeln illustrierten Erlebnispfad in der Oberen und Unteren Stadt. Eine Anfrage zur Zusammenarbeit seitens der ForscherInnen habe es nie gegeben. "Gerne kooperieren wir jedoch bei Projekten, die der Aufarbeitung der Stadtgeschichte unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten dienen", betont Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager (ÖVP) auf Nachfrage der Bezirksblätter.
Die gesamte Forschung zu den von den Kusch' dokumentierten historischen Anlagen wird derzeit von privater Seite organisiert und finanziert. Die Familie Scherer-Ottenfels öffnet regelmäßig für Führungen ihren mit eigenen Mitteln freigelegten Keller unter ihrem Haus am Stadtplatz – den geschlammten "Geheim-Treffpunkt" der Zwölf-Apostel-Zeche.

Historische Tour (nicht nur) für TouristInnen

Eine, die sich für die Bekanntmachung der unterirdischen Geschichte der Stadt einsetzt, ist die Künstlerin Elisabeth-Joe Harriet. Sie geht mit den Gästen ihrer Tagesfahrten "Unbekanntes Klosterneuburg" immer wieder unter Tage: „Es gibt in Klosterneuburg nur mehr wenige Plätze, die ein historisch geschlossenes Ensemble bilden und nicht durch eine verantwortungslose Baupolitik der Gemeinde zerstört wurden. Ich lebe nun seit 1974 in dieser Stadt und musste miterleben wie nach und nach viele historische Bauten modernen Wohnsilos weichen mussten. Klosterneuburg hat seinen Charakter großteils verloren. Einer der letzten halbwegs authentischen Straßenzüge ist die Martinstraße, die ich im Zuge meiner Tagesfahrten 'Unbekanntes Klosterneuburg' auch gerne herzeige. Begibt man sich allerdings ins unterirdische Klosterneuburg kann man noch großartige Entdeckungen machen, wie die Unterkirche von St. Martin oder die riesigen Kellergewölbe der Familie Scherer-Ottenfels am Stadtplatz. Hier ist die Klosterneuburger Geschichte hautnah zu erleben: urgeschichtliche Fundstücke, ein römisches Bad, eine frühchristliche Kirche, eine Alchemistenstube und vieles mehr, das der Besitzer in jahrelanger Grabtätigkeit frei gelegt hat. Es ist ein wahres Abenteuer durch diese Kellergewölbe zu wandeln.“

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