Wenn einen das "alte" Kufstein förmlich anspringt

Dietmar Wieser mit Stereoskop und Fotosammlung.
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KUFSTEIN (nos). Eine große Dose voller Fotos und zwei eigentümlich anmutende hölzerne Gestelle hat Dietmar Wieser im Gepäck. Schon lange interessiert sich der NMS-Lehrer für Fotografie und besonders für Kurioses. Und kurios ist die Stereoskopie auf jeden Fall.

"Die Technik ist beinah so alt wie die Fotografie selbst", erklärt Wieser beim Durchblättern seiner Bildersammlung. Hunderte kleine Bögen in verschiedenen Formaten befinden sich in der Blechdose, eine Eigenschaft eint sie aber alle: Auf dem ersten Blick scheint es, als wäre stets zwei Mal das haargenau gleiche Foto abgedruckt. "Die Bilder sind minimal verschoben, so wird der spezielle Effekt erzielt", so Wieser weiter.
Stereoskopie heißt die Technik, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts als vielleicht erste 3-D-Bildtechnik gelten kann. Schiebt man die Bögen mit den beiden Bilder in eines der Holzgestelle und setzt dieses wie eine Brille an den Augen an, entsteht nach etwas Fokussierungszeit ein dreidimensionales Bild. Und plötzlich springt einen das "alte" Kufstein förmlich an.
"Die ältesten datierten Bilder die ich besitze sind von 1867, das älteste Kufsteiner Stereo-Foto wurde am 31. Mai 1873 aufgenommen, das hat glücklicherweise der Fotograf mit Bleistift auf der Rückseite datiert", weiß Wieser. Größere Bekanntheit erlangten die Stereoskop-Aufnahmen zur Weltausstellung in London, die britische Queen Victoria soll durch ihr Interesse einen wahren Boom ausgelöst haben. Fotografen und Verleger auf der ganzen Welt versuchten sich daraufhin in der Herstellung und im Vertrieb. Passend zum aufkeimenden modernen Tourismus wurden Bildkartensammlungen mit Monumenten und Naturszenen ein großer Renner. "Underwood & Underwood" war dabei einer der größten und renommiertesten weltweit. Wiesers Lieblingsbilder zeigen die Sphinx in Ägypten, den Eiffenturm in Paris oder auch einen ganz besonderen Baum im Yosemite-Nationalpark in den USA. Nicht nur die Technik an sich mutet kurious an, auch die Vita so manches Fotografen ist durchaus reich an Anekdoten. Etwa die des Deutschen Fotografen Georg Sommer, der sich rund um die damalige Jahrhundertwende in Neapel niedergelassen hatte und als Giorgio Sommer fotografisch Furore machte.

Und auch Tirol

Doch nicht nur die alten und neuen Weltwunder wurden für die 3D-Betrachtung abgelichtet, auch aus Tirol finden sich zahlreiche Motive und ja, sogar aus der Stadt Kufstein. Das haben die Festungsstädter zu einem Gutteil dem Postkartenfotografen Alwin Stöcker zu verdanken, so Wieser: "Weder Stenzel noch Karg oder Seissl haben sich offenbar sonderlich für die Stereo-Fotografie interessiert, aber Stöcker hat zwischen 1895 und 1905 einige Motive festgehalten."

Todgesagt war die Stereoskopie wohl schon oft, dennoch hat sie die Zeiten überdauert. "In der NS-Zeit wurde die Technik für die Propaganda wiederentdeckt", sagt Wieser und schlägt ein eigentümliches Buch auf: "Solche Raumbildalben fassten neben den normalen Fotografien im Innenteil auch meist rund 100 Stereo-Doppelbilder." Beim Blick durch das Stereoskop treten die Landser aus dem Bild heraus – das Dritte Reich in 3D.
Und auch heute gibt es sie noch, besonders als Andenken für Touristen sind die Stereo-Fotos wieder en vogue, weil sie eben kurioser sind, als eine gängige Postkarte. Und antik ist halt auch schick, grade in historischen Städten wie Prag, Berlin, Wien oder Salzburg. Wenn nach Wiesers Vortrag plötzlich in umliegenden TVB solche Bilder aufgelegt würden, es wunderte keinen.

Große 3D-Schau mit Kufsteiner Bildern

In den letzten Jahren saß Dietmar Wieser mit seinen Stereo-Fotos oft stundenlang vor dem PC. Mittels Grafik-Software "übersetzte" er mühselig die Stereo-Schwarzweiß-Fotos mit roten und blauen Farbfiltern, damit sie mit den gängigen günstigen 3D-Brillen betrachtet werden können, einer "Anaglyphenbrille".

Eine breite Auswahl der historischen Aufnahmen aus seiner Sammlung hat Wieser nun in ein Kompendium gebracht und präsentiert die einmalige Schau gemeinsam mit Gerhard Lehmann am 20. Mai im Saal der Landesmusikschule Kufstein (19.30 Uhr). Dort bekommen Interessierte um 15 Euro den Vortrag der beiden Heimatkundler, Wiesers eigens zusammengestelltes Begleitheft und eine 3D-Brille. Damit kann man sich dann nicht nur in der LMS, sondern auch danach zu Hause vom "alten" Kufstein förmlich anspringen lassen. Der Vortragstermin am 20. Mai ist der vorerst einzige!

"Das alte Kufstein in 3D-Ansichten", am Samstag, dem 20. Mai, im Saal der Landesmusikschule Kufstein. Dietmar Wieser und Gerhard Lehmann führen durch interessante Stadt- und Kaiseransichten.
Eintritt (inkl. Brille und Broschüre): 15 Euro.
Kartenvorverkauf: "weninger's fein.kost", papier + bücher ögg, Rathaus Kufstein.

Die Veranstaltung wird vom Katholischen Bildungswerk und dem Heimatverein Kufstein unterstützt.

Wann: 20.05.2017 19:30:00 Wo: Konzertsaal der Landesmusikschule Kufstein , Krankenhausg. 16, 6330 Kufstein auf Karte anzeigen
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