Der Methusalem Code – Teil 6: Leben Sie auf solider Basis
Methusalem-Menschen sind autonom und vermeiden es, nach der Pfeife anderer zu tanzen.
„Manche meinen, dass Autonomie etwas Zweitrangiges ist“, sagt der Londoner Altersforscher Michael Marmot. „Doch das ist ein gefährlicher Irrtum. Ein niedriger Autonomiegrad und niedriges Selbstbewusstsein sind die Vorzeichen schlechter Gesundheit.“ Marmot gehört zu den Pionieren einer neuen Wissenschaft, welche die sozialen Einflussfaktoren auf die Gesundheit untersucht. Also beispielsweise die Frage, ob das Gehalt ausreicht oder ob jedes unerwartete Ereignis – eine kaputte Waschmaschine oder ein neuer Laptop für die Kinder – eine Tragödie darstellt.
Guter Job, zufriedenes Leben
Marmot untersucht, wie sich die Zufriedenheit im Job auswirkt, ob es gesundheitliche Folgen hat, wenn die Mitarbeiter das Gefühl haben, dass sie für ihren persönlichen Einsatz kaum Anerkennung und Wertschätzung erfahren. „Dabei zeigte sich, dass es von enormer Bedeutung ist, ob die Menschen das Gefühl haben, selbst zu bestimmen – oder ob sie ständig nach der Pfeife anderer tanzen müssen.“ Autonomie fördert demnach Selbstbewusstsein und Unabhängigkeit. Und das hat konkrete Auswirkungen auf den Lebensstil.
Marmot fand, dass Menschen mit geringerem Selbstbewusstsein weniger darauf achten, sich selbst etwas Gutes zu tun. Sie führen einen riskanteren Lebensstil, ernähren sich schlechter und betreiben weniger Sport.
Mangelnde Autonomie kann die Ursache für chronischen Stress sein, der sich dann unkontrollierbar in Zorn und Gewalt entlädt. Oft entwickelt sich ein beklemmendes Gefühl, dass die Zusammenhänge des Lebens unverständlich und nicht beeinflussbar sind. Die Betroffenen fühlen sich zunehmend nervös, ängstlich und unsicher. Eine Grundstimmung, die oft unmittelbar in Burn-out oder Depression führt.
Studien zeigen, dass sich niedrige Autonomie-Werte bei beiden Geschlechtern, besonders stark aber bei Männern, auswirken. Sie haben ein deutlich niedrigeres Krebsrisiko.
Bei Frauen zeigen sich günstige Auswirkungen auf die Herzgesundheit. Wer das Gefühl hat, die Kontrolle über sein Leben selbst auszuüben, ist generell optimistischer und selbstbewusster. Und das wirkt sich günstig auf die Funktionen des Immunsystems aus.
Wer den richtigen Beruf hat, lebt länger als jene, die sich schon am Montag wieder aufs Wochenende freuen. Der zum Broterwerb ausgeübte Job ist der am meisten unterschätzte Risikofaktor: Er kann sich positiv auswirken wie Sport und gesunde Ernährung, oder schädlich wie zwei Päckchen Zigaretten pro Tag.
Stress kostet Lebensjahre
Ähnlich wie Nichtraucher im Vergleich zu Rauchern verlieren Menschen, die mit ihrer Arbeit unglücklich sind, die nicht genug verdienen, ungerecht behandelt oder gemobbt werden, rund sieben Lebensjahre. In allen Industrieländern ging die Schere in den letzten Jahren weiter auseinander. Die Ungleichheit nahm nicht ab, sondern zu. In den USA wechselt ein Schulabgänger heute im Schnitt elf Mal die Firma. Und auch in Österreich ist die Zeit längst vorbei, wo der Betrieb so etwas wie das zweite Zuhause darstellt, von der Lehrzeit bis zur Pensionierung. Der Druck wächst, besonders auf die älteren Arbeitnehmer und auf jene mit einer schlechteren Ausbildung.
Wie enorm sich Sozialstatus und Erfolg auf die Gesundheit auswirken, zeigt sich aber auch bei Menschen, die ohnehin schon hoch privilegiert scheinen. Wissenschaftler, die für ihre Studien den Nobelpreis erhielten, werden beispielsweise um vier Jahre älter als Forscherkollegen, die zwar ebenfalls nominiert wurden, aber leer ausgingen. Den exakt gleichen Lebenszeitgewinn fand man auch bei Schauspielern, die einen Oscar gewannen. Wenn Leistung anerkannt wird, so verlängert dies das Leben. Und was in Hollywood ein Oscar ist, sind in unseren Gefilden beispielsweise eine Gehaltserhöhung oder ein unerwarteter Karrieresprung. Wenn hingegen der Lohn nicht ausreicht, der Pleitegeier über der Firma kreist oder Missgunst das Betriebsklima bestimmt, so kann das katastrophale Folgen auf die Gesundheit haben. In solchen Fällen kann eine Kündigung oder ein gut überlegter Jobwechsel ähnlich positive Auswirkungen haben wie der Entschluss, das Rauchen aufzugeben.
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