Hicker fragt nach: Ein Prinz auf Schatzsuche
Dorotheum Experte Ulrich Prinz stellt sich den Fragen von Bezirksblätter-Chefredakteur Oswald Hicker.
Herr Prinz, Sie sind Experte beim Wiener Dorotheum und am Samstag, den 6. Mai, also kommenden Samstag, werden auch Sie im Dorotheum in Sankt Pölten am Hauptplatz anwesend sein beim großen Schätztag. Wir rufen ja seit Wochen auf, dass die Menschen ihre Schätze suchen sollen und bei uns beim großen Schätztag am 6. Mai im Dorotheum vorbeibringen und was mich interessieren würde: Diese Schätze, die wir da suchen, was sind das für Schätze? Ich hab da nur so ein paar Kleinigkeiten. Eine Klimt-Postkarte, die gar nicht von Gustav Klimt gemalt wurde, sondern nur von ihm unterschrieben, die wurde in Sankt Pölten im Dorotheum um 5.625 Euro verkauft. Das ist eine Kleinigkeit, die da so auftaucht. Meine Frage ist, wer sind die Menschen, die diese Schätze finden? Wie kommt man dazu? Gibt es da ein paar Anekdoten dazu?
Ja sicherlich. Im Lauf von 22 Jahren im Dorotheum habe ich natürlich einiges erlebt. Es gibt sehr viele Anekdoten und sehr viel auch menschlich berührende Dinge. Es geht natürlich in erster Linie um eine Vermarktung, eine transparente, weitreichende internationale Vermarktung. Derjenige, der bereit ist, Geld dafür auszugeben, der sitzt nicht am Fundort, sondern der kann in Amerika sitzen, der kann in Korea sitzen, der kann überall sitzen. Unsere Aufgabe als Auktionshaus, als international tätiges Auktionshaus, ist eben diese Menschen zu erreichen, die es haben wollen. Was die dann letztendlich bereit dafür sind zu bezahlen, das können wir nicht vorhersehen. Oder vorhersagen. Wir sind keine Halbgötter in Weiß, wir sind Experten, wir beobachten den Markt. Wir haben alle fundierte Ausbildung.
Also ich bin gelernter Tischler, Restaurator und habe dann noch eine dreijährige Ausbildung im Dorotheum genossen. Das heißt, unsere Aufgabe ist zu wissen, um was es sich handelt, zu wissen, an welchen Platz des Marktes angeboten gehört um eben denjenigen zu erreichen, der bereit ist am meisten dafür zu bezahlen. Und da gibt es viele wirklich auch emotionale Geschichten. Meine Lieblingsgeschichte, die liegt einige Jahre zurück. Das war genau der Wechsel Schilling zu Euro, ich bekam ich einen Anruf ins Dorotheum von einem Herrn mit leicht ungarischem Dialekt mit den Worten „Ich habe eine Empire-Kommode“. Da hab ich gesagt: „Bitte sind Sie so lieb, senden Sie mir ein Foto zu.“ „Ja, ist nix möglich, weil ist in Wohnung muss morgen geräumt werden.“ Dann frage ich nach dem Ort der Wohnung, ist irgendwo in einem Arbeiterbezirk oder in einer Arbeitergegend und verheißt nicht sehr viel. Zunächst einmal ungarischer Dialekt, der ist ohne jetzt Vorurteile zu haben, aber das erfahrungsgemäß kommen sehr viele Halbwahrheiten aus dem Osten. Das sind begnadete Handwerker, die eine einfache Biedermeier-Kommode zu einer sehr teuren Barock-Kommode versuchen umzuarbeiten. Also ich war etwas skeptisch. Allerdings es war Sommer, ich war mit dem Radl unterwegs und die Adresse lag in der Nähe meines Fitnessstudios. Na hab ich gesagt: „Fohr ma hoit hin.“
Gut. Ich bin dort hingefahren, sehr freundlicher Herr führt mich in eine 45 m² Wohnung. Sehr sauber, aber abgewohnt. Möbel aus den 50er-Jahren, aus den 30er-Jahren. Zimmer-Kuchl-Kabinett, wie man so schön sagt. Und in diesem Kabinett stand eine Kommode. Ich habe gedacht, ich seh nicht richtig. Auf den ersten Blick Frankreich um 1770 in passablen Zustand. Es fehlten einige Dinge, et cetera, es war eine unglaubliche Qualität. Ich wusste in dem Moment nicht, um was es sich handelt, ich wusste nur, es ist eine Qualität. Dann musste ich den Herrn beraten. In seinem Interesse und in unserem Interesse. Weil wir stehen ja immer in der Mitte. Dann habe ich gesagt: „Bitte ich kann Ihnen empfehlen einen Restaurator. Man muss ein bisschen wat was dran machen, man kann sie so nicht anbieten.“ Er muss etwas investieren. Eine Kleinigkeit allerdings in der Verhältnismäßigkeit nachher gesehen. Das hat er gemacht, er musste investieren, damals 5000 Euro. Meine Aufgabe bestand darin, zu dokumentieren, zu recherchieren, was ist es genau. Erster Eindruck war Frankreich, aber die Konstruktion, die Verarbeitung wies eigentlich mehr auf Deutschland hin. Ich konnte dann eruieren, dass es ein relativ berühmter Tischler in Berlin-Potsdam war, namens Johann Gottlob Fiedler. Hab sie angesetzt im Bereich um die 15 bis 20.000 Euro und sie ging in der Auktion auf 250.000 Euro.
250.000 Euro
250.000 Euro
für ein Möbel, das wahrscheinlich 30, 40, 50 Jahre
Ich versuche natürlich immer
in einer Wohnung
es ist spannend,
unentdeckt
Wo kommt es her, wo geht es hin. Also es kommt in Wien aus einer 45, 50m²-Wohnung und ging dann an einen der namhaftesten an eine der namhaftesten Sammlungen in Deutschland.
Aber wo kam es her? Ich habe natürlich beim Eigentümer gefragt, wie kommen Sie zu diesem Möbel oder zu dieser Wohnung? Es war eine Tante. Der nächste Blutsverwandte war er. Sie kinderlos und hat ihr gesamtes Leben als Hausmädchen gearbeitet. Da nie Kontakt bestand, wusste der Neffe quasi nicht über den Lebenslauf der Tante Bescheid. Und es war früher in den großbürgerlichen, adligen Kreise üblich, ein langjähriges Hausmädchen auch im Alterssitz auszustatten. Man hat sich drum gekümmert. Und da muss von irgendeinem Dachboden aus irgendeinem Schloss oder Landgut muss diese Kommode in
zu dieser Tante gewandert sein.
diese Wohnung gekommen sein.
Jetzt sagen Sie 250.000 Euro. Das ist jetzt ein Preis, den man sagt okay für ein Möbel. Ja offenbar ist jemand bereit, das zu zahlen. Und da sind wir bei der Preisfindung. Wenn Sie jetzt dann schätzen, kommenden Samstag im Dorotheum in Sankt Pölten und sagen, das ist 2.500 Euro wert, heißt das nicht, dass das um die 2.500 dann wirklich auch weg geht.
Nein. Es ist natürlich eine Prognose. Ich versuche es immer so zu erklären. Um eine Preisfindung zu machen. Es gibt zwei Skalen. Es gibt eine Qualitätsskala, was habe ich, die Definition, was ist es. Und das ist eine Skala. Und dann gibt es eine Ziffernskala. Das ist subjektiv, das ist subjektive Markterfahrung. Und so pendelt sich diese Ziffernskala mit dieser Qualitätsskala ein. Und so kommen wir auf den Preis. Sie können zwanzig Biedermeierkommoden stellen, die für den Laien alle nahezu gleich ausschauen. Zehn werden angesteigert, das doppelte das dreifache, fünf bleiben liegen und manche gehen
und die eine explodiert.
und die eine kann explodieren.
Und das hängt dann damit zusammen, ob genau diese Kommode grad vielleicht
genau
in einer Sammlung fehlt,
Das kann vom Funierbild abhängen, das kann von der Dimension abhängen Ich hatte einmal einen amerikanischen Interior-Designer da, der für einen sehr sehr reichen Mann eine Villa ausstattete und wollte unbedingt zwei Konsolentische haben. Die waren zwei Zentimeter zu hoch und passen somit nicht mehr ins Raumkonzept. Das können wir nicht vorhersagen, das geht nicht.
Und es ist auch immer emotional. Nehmen Sie den leidenschaftlichen Sammler. Es fehlt ein Stück in seiner Sammlung. Genau das möchte er haben. Ist für Laien oder für einen Experten nicht in der Form nachvollziehbar. Und der kann sich in eine Emotion hineinsteigern.
Auf der anderen Seite kann sein, wenn ein extravaganter italienischer Millionär einen schlechten Tag hatte, ist er nicht so lustig drauf und will nicht so hoch bieten. Hatte er ein wunderschönes Abendessen mit einer schönen Frau und ist gut drauf, hat er eine Verkauf, eine Kauffantasie, eine Emotion.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich den knallharten Spekulanten, der sagt, wie ist die Marktentwicklung? Wie kann ich das vorhersehen, wie kann ich damit auch Geld verdienen?
Und Sie haben die Aufgabe im Dorotheum, diese Menschen, diesen italienischen Multimillionär mit den Menschen, die vielleicht glauben, einen Schatz zu Hause zu haben, zusammen zu bringen.
Richtig. Weil unsere Aufgabe besteht darin, quasi am offenen Markt eine Konkurrenzsituation zu schaffen zwischen den Interessenten. Mein Lieblingsobjekt ist immer dasjenige, wo ich Bieter habe, den Interior-Designer aus New York, den humanistischen gebildeten Kunstsammler aus Deutschland, den extravaganten Italiener und den neureichen Russen. Ein Ergebnis ist vorher nicht abzusehen. Für uns ist es wichtig, dass wir fachlich konkret an der Materie sind und es dort anbieten, wo wir den höchsten Erlös erzielen. Auch ist es schätzen, es ist schätzen. Aber es hat nichts mit den juristisch definierten Schätzwerten zu tun. Ich sage immer, wir machen ein Vermarktungsangebot. Ein Vermarktungsangebot auf unserer Markterfahrung.
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