Landesrat Günther Steinkellner: "Kirchturmdenken behindert Infrastrukturprojekte"

Landesrat Günther Steinkellner (FPÖ) im Straßenbahn-Interview mit Thomas Kramesberger (BezirksRundschau). | Foto: BezirksRundschau
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OÖ. Die BezirksRundschau traf Infrastrukturlandesrat Günther Steinkellner (FPÖ) zum Sommergespräch in der Linzer Straßenbahn. Die Schienenverbindung nach Traun bewegt den Freiheitlichen seit Jahrzehnten. Erste Anträge für eine Trassenverlängerung stellte er noch als Gemeinderat in Leonding. Sogar das Haus seiner Schwiegereltern fiel der Schienentrasse zum Opfer. Zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs gibt es für ihn keine Alternative.

BezirksRundschau: Mobilität ist im Umbruch: Dieselskandal, mögliche Fahrverbote, der Trend zur Elektromobilität. Was glauben Sie, wie wird Mobilität in Zukunft aussehen?
Steinkellner: Die Frage des Treibstoffs oder der Elektromobilität wird sich herauskristallisieren. Ich würde nicht nur auf E-Mobilität setzen. Beispiel Japan: Dort werden im Jahr 2020 alle Busse bei den Olympischen Spielen mit Wasserstoff-Motoren ausgestattet. Oder es gibt Flüssiggas, das eingesetzt werden kann – es gibt hier auch ganz interessante Ansätze, weil man ja auch entsprechende Distanzen zurücklegen muss. E-Mobilität wird im urbanen Raum für kleinere Fahrzeuge eine wichtige Rolle spielen. Aber gerade im überregionalen Verkehr und im Schwerverkehr wird der Diesel auch weiterhin seinen Platz finden. Man darf nicht vergessen, dass der Diesel beim CO2 – gegenüber Benzinern – einen wesentlichen Vorteil hat.

Ihr Regierungskollege Rudi Anschober hat ja bereits gefordert, dass Autos in Österreich nachgerüstet werden. Sind für Sie als Conclusio dieser Debatte auch Fahrverbote denkbar?
Grundsätzlich sollte man keine Panik machen. Die Grenzwertüberschreitungen waren über den Vorgaben der Europäischen Union, allerdings im Vergleich zu den großen Städten Europas weit darunter. Übrigens: Führend in der Grenzwertüberschreitung ist London und da gibt es eine City-Maut. Ich glaube aber natürlich, dass man etwas tun muss. Mein Hauptaugenmerk liegt im Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

Also, Fahrverbote …?
Fahrverbote sind für mich kein Thema. Ich kann mir aber sehr wohl Einschränkungen vorstellen – etwa bei alten Taxis. Das halte ich für sinnvoll. Da wird gewerbsmäßig sehr viel innerstädtisch gefahren. Allerdings ist es eine soziale Überlegung. Wenn jemand ein älteres Fahrzeug hat und vielleicht 2.000 bis 3.000 Kilometer pro Jahr fährt, sollte er sich auf einmal ein neues Auto kaufen? Das ist sozial nicht verträglich.

In anderen Bundesländern wird die E-Mobilität sehr stark gefördert – etwa mit Kaufprämien. In Oberösterreich gibt es das nicht.
Ja, klar, wenn unbeschränkt Geld zur Verfügung stünde. Aber mein Ansatz liegt im Ausbau des öffentlichen Verkehrs – da gibt es sehr große und leider auch sehr teure Projekte vor uns. Man darf auch nicht vergessen: Wir beobachten sehr genau die Zulassungszahlen der Bundesländer, die eine Förderung ausschütten. Und da gibt es keine eklatanten Unterschiede.
Eine solche Förderung wäre eher ein Mitnahmeeffekt. Wenn jemand ein Auto um 60.000 Euro kauft und dann noch 3.000 oder 5.000 Euro vom Steuerzahler finanziert bekommt, wird das nicht die Kaufentscheidung beeinflussen.

Wenn man in die politische Geschichte Ihrer Partei zurückgeht, war die FPÖ immer eine klassische „Autofahrer-Partei“. Sie werfen sich seit Jahren für den öffentlichen Verkehr „auf die Schiene“. Ist das auch als Umdenken in der FPÖ zu sehen?
Aus dem Amt heraus ist es notwendig und für den Zentralraum zwingend erforderlich. Wenn man sich vorstellt, dass wir im Jahr 2030 etwa 75.000 Fahrten am Tag mehr haben werden – das wäre eine sechsspurige, voll ausgelastete Autobahn, die natürlich in Linz keinen Platz findet. Wir brauchen also, um den Standort für die Zukunft auch zu sichern, einen dramatischen Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Deshalb auch diese vernetzten Zielbilder – Durchbindung der Mühlkreisbahn, Lilo-Einbindung bis nach Aschach – mit der Bahn von Leonding fahren, über die Kepler Universität, Gallneukirchen und Pregarten. Das würde die Region an den Stadtkern anbinden.
Selbstverständlich müssen wir auch den Individualverkehr ausbauen. Aber das alleine reicht nicht, wir müssen den öffentlichen Verkehr massiv ausbauen.

Sie haben die Brücken-Situation bereits angesprochen. Warum geht jetzt was weiter? Ist der politische Druck größer, oder haben Ihre Vorgängen einfach geschlafen?
Nein. Es dauern die Verfahren natürlich endlos lange – für mich viel zu lange. Es ist jetzt gelungen, dass man diese lange vorbereiteten Projekte auf die Reihe bekommt.

Zur Ostumfahrung: Da gab es ja heftige Kritik von Anrainern, Sie würden deren Einwände nicht respektieren. Erklären Sie doch den Gegnern: Warum braucht man dieses Projekt?
Wenn man sich eine europäische Landkarte ansieht und sich den derzeitigen Transitverkehr vor Augen führt, dann verläuft die Transstrecke Richtung Süden über die Innkreis- und Pyhrnautobahn. Wenn man sich die Innkreisautobahn und den Lkw-Verkehrs dort ansieht, ist das ziemlich intensiv.
Es ist allerdings ein 100-Kilometer-Umweg, denn: Die Autobahn zwischen Berlin-Dresden-Prag ist fertig, dann gibt es noch ein offenes Stück zwischen Tabor und Prag und die Strecke bis zur österreichischen Grenze wird, laut Aussagen des tschechischen Außenministers, bis 2024/2025 fertig sein. Die Asfinag muss sich ordentlich anstrengen, dass sie selbst mit der Strecke bis zur Grenze fertig wird.
Wenn also dann der Lückenschluss bei Prag-Tabor erfolgt ist, brauchen wir unbedingt eine Linzer Ostumfahrung. Und die kann nur dort sein, wo sie jetzt geplant ist. Jeder Weg weiter donauabwärts würde bedeuten, dass der Transit gerade wieder durch die Stadt Linz durchgeführt wird und genau das gilt es zu vermeiden. Deshalb braucht es hier eine Optimal-Variante. Die ist natürlich sehr stadtnah, aber es ist auch unsere Aufgabe, den optimalen Schutz der Anrainer zu gewährleisten. Da verstehe ich die Sorgen, deswegen werden wir sehr viel einhausen oder unterirdisch planen müssen.

Sie sagen also: Denkt in europäischem Kontext?
Der Transit wird kommen, sobald die Strecke zwischen Prag und Tabor fertig ist. Dann ist das nicht mehr aufhaltbar und das bedeutet natürlich, dass die S10 und die Mühlviertler Autobahn wesentlich mehr belastet werden. Und genau deswegen brauchen wir die Ostumfahrung. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass – wenn der Lückenschluss in Tschechien erfolgt – wir auch die Ostumfahrung haben.

Die Innkreisautobahn ist ja jetzt schon extrem belastet durch den Lkw-Verkehr. Ist ein dreispuriger Ausbau möglich?
Die aktuelle Ausbauvariante ist schon so breit, dass man es auch schon dreispurig gestalten könnte. Aktuell ist es aufgrund des Verkehrsaufkommens nicht notwendig, aber es ist zu beobachten.

Es gab ja zuletzt Kritik des Landesrechnungshofs am Projekt „Mühlkreisbahn“. Wie weit ist dieses Projekt noch von der Umsetzung entfernt?
Es ist natürlich ein sehr schwieriges und teures Projekt. Es gibt Hindernisse, die zu nehmen sind. Aber die wesentlichen Entscheidungen sind getroffen.
Ich gehe davon aus, dass der Druck zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs so groß ist, dass auch die Geldmittel zur Verfügung gestellt werden. Ich brauche natürlich die Finanzierung, auch wenn der Bund das mitfinanziert, werden wir in OÖ ordentlich in die Kasse greifen müssen.

Das war jetzt eine Botschaft an den Finanzreferenten, Landeshauptmann Thomas Stelzer?
Der Landeshauptmann weiß genau, wie prekär die Situation des öffentlichen Verkehrs ist. Er erhofft sich natürlich auch einen entsprechenden Bundesbeitrag für Oberösterreich.

Bei großen Infrastrukturprojekten vergehen ja zumeist Jahre: Gutachten, Gegen-Gutachten, UVP-Verfahren und vieles mehr. Es gab da jetzt einen Vorstoß der Bundesregierung, das abzukürzen. Landesrat Rudi Anschober (Grüne) hat kritisiert, da würde über die Interessen der Bürger „drübergefahren“.
Es ist bitter notwendig, dass wir Verfahrensverkürzungen durchführen. Natürlich muss der Rechtsschutz der jeweiligen Betroffenen gesichert sein, aber es kann nicht sein, dass man im Verfahren immer wieder neue Einwände bringt, die bereits am Anfang des Verfahrens hätten gebracht werden können. Es darf nicht um anwaltliche Kreativität gehen, wie man ein Verfahren verzögert, sondern darum, dass die Mehrheit, im Interesse des Landes und des Standorts, Projekte durchziehen kann. Infrastrukturprojekte sind schwierig umzusetzen, es gibt vielleicht Betroffene, die subjektiv einen Nachteil für sich in Kauf nehmen müssen. Aber, bitte um Verständnis: Es geht um die Gesamtsituation in Oberösterreich und im Großraum Linz und deswegen brauchen wir diese Verkehrsprojekte. Es gibt leider oft ein Kirchturmdenken, das eine rasche Lösung behindert.

Es gab Forderungen nach einem 365-Euro-Öffi-Ticket. Derzeit kostet ein ÖBB-Jahresticket etwa 2.000 Euro. Wie soll man bei einem solchen Preis die Menschen auf die Schiene bekommen?
Ein solches Ticket würde 13 bis 15 Millionen Euro pro Jahr kosten. Wenn man das auf dreißig Jahre rechnet, sind das 450 Millionen Euro. Dann stellt sich natürlich die Frage: Was ist wichtiger? Ein billiges Ticket oder der Ausbau der Infrastruktur, damit noch viel mehr Kunden den öffentlichen Verkehr nützen? Wenn beides finanzierbar wäre, wäre beides wünschenswert. In der Prioritätenreihung setze ich auf den Ausbau der Infrastruktur.

Wordrap mit Günther Steinkellner:

Mein politisches Vorbild ist... es gibt Persönlichkeiten in der Geschichte, die mich beeindruckt haben, eine davon ist sicher Mahatma Gandhi.

An der Politik nervt mich... dass das was medial dargestellt wird oft nicht das ist, was dahinter steckt.

Wäre ich nicht Politiker, wäre ich... möglicherweise Rechtsanwalt, Steuerberater oder vielleicht Direktor bei Mobil Oil (Steinkellners ehemaliger Arbeitgeber, Anm.).

Mein Lieblingsfortbewegungsmittel ist... das Segelboot.

Mein Lieblingsbuch ist... "Der lange Weg – Meine Flucht aus dem Gulag" von Slawomir Rawicz.

Mein Lieblingsfilm ist... Avatar.

• Nach der Politik werde ich... ein Buch über den falschen Umgang von Europa mit Afrika schreiben.

Landesrat Günther Steinkellner (FPÖ) im Straßenbahn-Interview mit Thomas Kramesberger (BezirksRundschau). | Foto: BezirksRundschau
Landesrat Günther Steinkellner (FPÖ) im Straßenbahn-Interview mit Thomas Kramesberger (BezirksRundschau). | Foto: Land OÖ
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