"Kanzler Kurz sollte beim Afrika-Gipfel über Dinge reden, die nichts mit Geld zu tun haben"

"Es gibt in den Ländern südlich der Sahara viel Migration vom Land in die Städte. Und dann flüchten die Menschen natürlich aus den Krisenregionen." | Foto: Arnold Burghardt
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  • "Es gibt in den Ländern südlich der Sahara viel Migration vom Land in die Städte. Und dann flüchten die Menschen natürlich aus den Krisenregionen."
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Sie sind viel in Afrika. Wie ist die Flüchtlingslage dort?
HILLER: Es gibt in den Ländern südlich der Sahara viel Migration vom Land in die Städte. Und dann flüchten die Menschen natürlich aus den Krisenregionen. Allein in Uganda mit seinen knapp 40 Millionen Einwohnern leben derzeit 1,5 Millionen Flüchtlinge, zumeist aus dem Süd-Sudan und aus Burundi.

Klappt die Aufnahme der Flüchtlinge dort?
Ja. Weil die Regierung große Hilfsanstrengungen unternimmt. Viele Bewohner Ugandas mussten unter dem Diktator Idi Amin in den 1970er-Jahren selbst flüchten. Die wissen noch wie das ist. Der jetzige Präsident von Uganda war übrigens Zeitungskolporteur im Bezirk Mistelbach.

Ehrlich jetzt?
Ja. Und die heutige Verfassung Ugandas wurde von damaligen Flüchtlingen aus diesem Land in einem Gasthof im Weinviertel verfasst.

Ist die derzeitige Debatte um die Mittelmeer-Flüchtlinge aus Afrika zu aufgeregt?
Die Menschen haben noch immer die Bilder von 2015 im Kopf. Das muss man ernst nehmen. Auch wenn das mit Afrika damals nur wenig zu tun hatte.

Aber will jetzt halb Afrika zu uns oder nicht?
Ja und Nein. Nein, weil wohl niemand gerne seine Heimat verlässt. Ja, wenn die Welt nichts gegen das riesige ökonomische Ungleichgewicht unternimmt. Das Bruttonationalprodukt pro Kopf liegt in Österreich bei 44.000 US-Dollar. In Sambia sind es 1.600 und in Malawi 300 bis 400 Dollar.

Was soll die EU tun?
Die afrikanischen Regierungen müssen selbst ihre Entwicklungspläne umsetzen. Das kann man nicht von außen machen. Dafür sind die Afrikaner verantwortlich. Und das ist auch genau das, was sie wollen. Ein gutes Beispiel ist Kenia.

Inwiefern?
Kenia setzt voll auf die Glasfaserverkabelung mit Europa. Resultat: für europäische Unternehmen ist Kenia bei den Call Centern jetzt das neue Indien. Weil man im Unterscheid zu Indien die gleiche Zeitzone wie Europa hat. Was aber noch wichtiger ist: durch solche Jobs und Gelegenheiten wächst die Mittelschicht in Kenia.

Was ist das wirtschaftliche Grundproblem in Afrika?

Das große Thema in Afrika ist die Rohstoffgewinnung. Was aber fehlt, ist die Verarbeitung vor Ort. Hier muss Europa beim Aufbau der Verarbeitungs-Industrie helfen. Industrie zieht Kapital an. Kapital ermöglicht weiteres Wachstum.

Man hört und liest oft, dass westliche Konzerne lieber die Länder dort ausbeuten?
Ich bin da sehr vorsichtig. Es gibt sicher Fälle, wo das passiert. Doch in der Regel bringen westliche Konzerne Investitionen ins Land und schaffen Jobs vor Ort.

Welche Rolle spielt China?
China investiert in Afrika kräftig. Das erzeugt bei manchen Skepsis. Aber je mehr in Afrika investiert wird, desto besser und stabiler wird die ökonomische Lage auf dem Kontinent. Die Top-Investoren in Afrika sind nach wie vor Europa und die USA.

Es heißt: die Menschen in Afrika flüchten auch vor dem Klimawandel. Wie stark ist der Klimawandel in Afrika?
Das kann man nicht ganz genau sagen. In Afrika fehlen lange Datenreihen. Es gib nur Messungen aus den vergangenen 20 bis 30 Jahren. Wir wissen: die Wetterextreme nehmen zu. Aber ob zum Beispiel der Tschad-See in Zentralafrika durch den Klimawandel oder die Wasserentnahme durch die wachsende Bevölkerung austrocknet, ist schwer zu sagen.

Ihr Unternehmen sorgt zum Beispiel für den Bau von kleinen Haus-Solaranlagen. So eine Anlage kostet rund 200 Dollar – wie kann das Wohlstand erzeugen?
Das Kerosin für die Petroleum-Lampe muss man auch zahlen. Aber die Solaranlage zahlen die Leute über zwölf bis 24 Monate ab und dann gehört sie ihnen. Bezahlt wird übrigens per Handy. Zweitens: Licht bedeutet mehr Zeit für Produktivität. Wenn es um 18.00 Uhr dunkel wird, geht mit einer Petroleum-Lampe nichts mehr. So aber kann an den Abend-Schulen noch unterrichtet und in Werkstätten gearbeitet werden.

Kanzler Kurz plant einen Afrikagipfel. Was raten Sie ihm?
Ich würde auch über Dinge reden, die nichts mit Geld zu tun haben. Über die Zusammenarbeit von Universitäten oder im Sport, oder Austauschprogramme für Fachkräfte. Auch das könnten wichtige Hilfen für Afrika sein.

Danke für das Gespräch.

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