Glücksbeauftragter Ha Vinh Tho: "Unendliches Wirtschaftswachstum wird viele Konflikte verursachen"

Der bhutanesische Glücksbeauftragte Ha Vinh Tho während der Diskussionsveranstaltung auf dem Gemeinwohl-Fest im Wiener Volkstheater | Foto: Michael Janousek
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  • Der bhutanesische Glücksbeauftragte Ha Vinh Tho während der Diskussionsveranstaltung auf dem Gemeinwohl-Fest im Wiener Volkstheater
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ÖSTERREICH. In den 1970er-Jahren erklärte der damalige König Jigme Singye Wangchuck: „Bruttonationalglück ist wichtiger als das Bruttonationalprodukt“. Er hat sein Land, obwohl es zu den ärmsten der Welt zählt, zur globalen Speerspitze einer nachhaltigen, nicht wachstumsorientierten Wirtschaft gemacht, in der die Menschen, ihr Wohlbefinden und die Natur im Vordergrund stehen. Wir haben mit Ha Vinh Tho, dem Leiter des bhutanesischen Zentrums für Bruttonationalglück gesprochen, der zu Besuch in Wien war.

Machen die Österreicher einen glücklichen Eindruck auf Sie?
HA VINH THO: Das ist schwer zu verallgemeinern. Ich glaube Österreich hat sehr gute Rahmenbedingungen. Es ist ein sehr schönes Land, die Natur ist noch weitgehend intakt. Es ist ein Land mit einer reichen Kultur. Trotzdem hat man das Gefühl, dass es untergründig ein Gefühl von Unzufriedenheit gibt. Ich bin nicht ganz sicher womit das zusammenhängt (lacht).

Was würden Sie der österreichischen Regierung empfehlen, damit die Bürger glücklicher werden?
Im Allgemeinen geht es darum, mehr Partizipation zu ermöglichen. Natürlich erlaubt die Demokratie den Bürgern Teilnahme, aber nur auf eine sehr beschränkte Art: Man wählt einmal und dann hat man lange nichts mehr zu sagen. Es ist entscheidend herauszufinden, was den Leuten wichtig ist und anhand dessen die Prioritäten zu setzen. Es ist wichtig, dass in einem Land ein Konsens darüber gefunden wird, welche Ziele verfolgt werden sollen. Das bedeutet also mehr Einbindung der Bürger in einem viel breiteren Kontext.

Sehen Sie die Schweiz hier als Vorbild?
Die Schweiz ist mit der direkten Demokratie sicherlich einen Schritt weiter.

Was halten Sie von dem Satz: „ Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“?

Das ist die Illusion des neoliberalen Denkens. Denn es hat zwei blinde Flecken. Zum einen der Mythos des Trickle-down-Effekts, also die Annahme, dass Wirtschaftswachstum und allgemeiner Wohlstand der Reichen nach und nach in die unteren Schichten der Gesellschaft durchsickert. Es gibt viele Beispiele, die zeigen, dass ein Land sehr reich und sehr ungleich werden kann.
Was wir nicht berücksichtigen, sind die Auswirkungen einer unendlich wachsenden Wirtschaft auf die endlichen Ressourcen der Natur. Um immer weiter zu wachsen, müssen wir mehr und mehr zerstören.

Was sagen Sie zum aktuellen Flüchtlingsproblem?
Das Problem ist, dass wir immer zu spät handeln. Man muss sich die Ursachen anschauen. Diese sind weitgehend einem Wirtschaftssystem geschuldet, dass solche negativen Auswirkungen hat. Man schiebt gern die Religion oder eine Ideologie vor. Aber wenn man genauer hinschaut, dann stellt man fest, dass es letztendlich um Ressourcen geht. Und die einfachen Leute zahlen den Preis. Eben diese unendlich wachsen wollende Wirtschaft braucht immer mehr Ressourcen, die immer knapper werden. So werden immer mehr Konflikte hervorgerufen. Wir müssen umdenken und allmählich ein neues Wirtschaftssystem verwirklichen, das den Menschen dient und nicht umgekehrt.

Wer Kritik am derzeitigen Wirtschaftssystem übt, sieht sich schnell als Kommunist abgestempelt.
Kommunismus und Kapitalismus sind, was den Umgang mit Ressourcen betrifft, gar nicht so verschieden. Auch im Kommunismus strebt man das wirtschaftliche Wachstum um jeden Preis an, nur auf eine andere Art. Kommunismus ist keine Alternative für dieses Problem. Schauen Sie sich die kommunistischen Länder wie China an! Sie wollen auch nur wachsen und zerstören die Umwelt. Das ist kein Problem von links oder rechts.

Sind Sie glücklich?
Man muss da unterscheiden. Da gibt es einerseits das vorübergehende Glück, und da bin ich wie jeder Mensch: Ich habe angenehme und unangenehme Momente. Dann gibt es aber noch eine tiefere Ebene: Habe ich das Gefühl, dass mein Leben sinnvoll ist? Kann ich das verwirklichen, was mir wirklich wichtig ist? Und das würde ich unbedingt mit Ja beantworten.

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Der bhutanesische Glücksbeauftragte Ha Vinh Tho während der Diskussionsveranstaltung auf dem Gemeinwohl-Fest im Wiener Volkstheater | Foto: Michael Janousek
Ha Vinh Tho (Mitte) gemeinsam mit Buchautor Christian Felber und Claudia Gutmann, der Gemeinwohl-Beauftragten der Fachhochschule Burgenland, bei der Präsentation des Gemeinwohl-Fest, das am 13. Februar im Wiener Volkstheater stattfand. | Foto: Gemeinwohl-Ökonomie

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