Schoko-Unternehmerin Julia Zotter über den chinesischen Traum und die Wirklichkeit in Shanghai

Julia Zotter - hier mit ihrem Vater Josef Zotter in Shanghai - ist General Manager von Zotter Chocolates Shanghai. | Foto: Zotter
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SHANGHAI. RIEGERSBURG. General Manager von Zotter Chocolates Shanghai ist Julia Zotter. RMA-Chefredakteur Wolfgang Unterhuber sprach mit ihr über China, das Geschäft, das Umweltbewusstsein der Chinesen und ihr Verhältnis zum „Übervater“ Josef Zotter.

Wie lange sind Sie jetzt schon in China?
JULIA ZOTTER: Lange genug, um mich doch schon ein bisschen „zu Hause“ zu fühlen. Ich hatte das Glück, schon als 16-jährige ein Jahr lang bei chinesischen Gast-Eltern zu leben und in China die Schule zu besuchen. So habe ich das richtige China ein bisschen mitbekommen. In Shanghai bin ich nun schon seit knapp zwei Jahren.

Sie sprechen auch Chinesisch, oder?
Ziemlich fließend mittlerweile. Anders würde es auch gar nicht funktionieren. Das tägliche Geschäft bei uns ist fast rein auf Chinesisch. Allerdings kann ich kaum lesen und gar nicht schreiben. Ich habe bis jetzt nie einen Kurs besucht sondern immer durch Konversation gelernt.

Wie geht es Ihnen in der Megapolis Schanghai so als Steirerin?
Die Stadt ist schon schräg. Alleine der Stadtteil Pudong hat mehr Einwohner als Österreich. Als ich das erste Mal abends die Skyline gesehen habe, da kommt einem schon die Gänsehaut. Es ist einfach faszinierend, was die Menschheit so alles hinbekommt. Und dann beginnt ein neuer Tag, mit tausenden Menschen auf der Straße, Luftverschmutzung, engen Öffis - daran gewöhne ich mich wohl nie.

Wie sehen die Chinesen die Österreicher?
Wir haben ein gutes Image hier. Berge, klassische Musik, Sissi, Mozart, Kultur. Ein bisschen verklärt, aber Österreich steht für Genießen auf hohem Niveau.

Was vermissen Sie in China?
Generell vermisse ich hier ein gewisses Qualitätsbewusstsein. Viele Dinge kommen mir einfach seelenlos vor, weil massenhaft und anonym produziert. Über den Tellerrand hinaus schaut hier kaum jemand. Ich vermisse es auch, schnell mal allein sein zu können, im Wald oder egal wo. Aber dann macht das auch wieder den Reiz aus. Es ist immer etwas los. Wenn man sich ein bisschen einlässt, dann wird man gerne aufgenommen. In Familien, in Freundeskreise. Die Leute sind herzlich und neugierig.

Was bewegt die Menschen in China?
China ist eine Gesellschaft im Umbruch. Die rasante Entwicklung führt oft zu schrägen Auswüchsen.

Inwiefern?
Wenn junge Paare zum Beispiel lieber im Cafe chatten als sich unterhalten. Weil viele das nicht mehr gewohnt sind.

Zurück zum Umbruch.
Es gibt viel Aufbruchsstimmung, den „chinesischen Traum“ sozusagen. Die Jungen wachsen als Einzelkinder auf, die etwas erreichen wollen und sollen, in einem Ausbildungssystem das noch alle gleich machen möchte. Das passt hinten und vorne nicht zusammen und führt zu enormem Leistungs- und Statusdruck. Man will vorankommen, um jeden Preis. Karriere ist das wichtigste. Da bleiben dann halt auch viele auf der Strecke.

Kennen die Chinesen ein Umweltbewusstsein?
Jedes Jahr wird die Luftverschmutzung in Shanghai schlimmer und schlimmer. Damit wird den Menschen bewusst, dass man so nicht weitermachen kann.

"China hat mittlerweile die größte Bio-Anbaufläche der Welt."

Und wie steht es mit Bio?
China hat mittlerweile die größte Bio-Anbaufläche der Welt. Leider sind aber die Böden noch so dermaßen verseucht, dass die Reinigung wesentlich mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als die Bestimmungen vorschreiben.

Aber verstehen die Chinesen unter Bio dasselbe wie wir?
Bio hat hier einen anderen Stellenwert als bei uns. Bei uns denkt man an Nachhaltigkeit, Umwelt, artgerechte Tierhaltung. Hier geht es dagegen hauptsächlich um die eigene Gesundheit. Es gibt so viele Lebensmittelskandale, dass das Vertrauen immer mehr in Bio gesetzt wird. Allerdings gilt die chinesische Bio-Zertifizierung als kaum konsequent, während ausländische Bio-Produkte stark nachgefragt werden.

Ist es nicht so, dass Sie so etwas wie Regionalität, Bio- und Umweltbewusstsein in den Megamarkt China exportieren wollen?
Ja. Wir möchten, wie zu Hause, mit der Schoko und dem Erlebnis drumherum zeigen, dass geniale Produkte auch komplett nachhaltig produziert werden können.

"Der Online-Handel ist hier wesentlich besser entwickelt als alles, was ich in Österreich gesehen habe."

Wie läuft das in Ihrem Geschäft jetzt ab?
Wir, das Schokotheater, bekommen unsere Schokos aus Österreich und lagern hier ein großes Sortiment. Danach verteilen wir die Schokos. Zum Beispiel über unseren eigenen Online-Shop von Shanghai aus.

Wie funktioniert die Zustellung?
Shanghai bietet das wohl beste Liefernetz der Welt: Morgens bestellt kommt die Schokolade am Abend ins Haus. Der Online-Handel ist hier wesentlich besser entwickelt als alles, was ich in Österreich gesehen habe. Selbst zum Supermarkt braucht man eigentlich gar nicht fahren. Das geht alles online.

Wie viele Leute beschäftigen Sie?
Momentan haben wir 19 Leute, sind aber gerade dabei, neue Mitarbeiter einzustellen.

Und wie klappt das: Chefin aus Österreich mit chinesischen Angestellten?
Mittlerweile haben sich alle schon an mich gewöhnt (lacht). Und die Betriebssprache ist Chinesisch. Natürlich war es eine ziemliche Umstellung für mich und für meine Mitarbeiter als wir uns zusammenraufen mussten. Es gibt große Kulturunterschiede, aber wir verstehen uns ganz gut.

Ihre Jugend war kein Problem?
Anfangs war mein Alter schon eine Hürde, weil das in China eine große Rolle spielt. Da habe ich ein wenig gebraucht, um zu beweisen, dass meine Kompetenzen mit dem Schokotheater und allen Abläufen weit über dem liegen, was andere Leute hier drauf haben.

"Anfangs war mein Alter schon eine Hürde, weil das in China eine große Rolle spielt."

Was für Schokolade essen denn die Chinesen?
Viel dunkle Schokolade. Dunkle Schoko gilt einfach als „edler“.

Was essen denn Sie eigentlich so den lieben langen Tag?
Das klingt jetzt nach Klischee – aber: Schoko, natürlich. Ich kann ohne Schoko nicht wirklich sein, und so nasche ich den lieben langen Tag. Abends geht sich dann natürlich schon etwas „Normales“ aus.

Wie viele Besucher haben Sie denn in Ihrem Schokoladentheater?
Wir sind weit noch nicht so bekannt wie wir das in Österreich vielleicht sind. Deswegen schwankt das bei uns noch zwischen50 und 300 Personen pro Tag.

Wie lange werden Sie in China bleiben?
Ein Jahr wird’s wohl noch werden.

Können Sie sich vorstellen, eines fernen Tages mit Ihrem Bruder die Geschäfte im oststeirischen Bergl zu führen?
Natürlich. Dankenswerterweise sind wir ziemlich unterschiedliche Charaktere.

Warum dankenswerterweise?
Er ist mehr der Organisierer, der extrem detailorientiert ist, und ich eher die Kreative, die immer irgendwie etwas Neues im Kopf hat. Die Ausbildung meines Bruders läuft auch in die Richtung. Er studiert Betriebswirtschaft und IT. Wir stellen uns das jetzt mal so ähnlich vor, wie das momentan bei unseren Eltern ist. Mein Bruder tendiert also eher in die Richtung meiner Mutter und ich mehr in die von meinem Vater.

"Bei uns ist immer was los, und wir haben einen wahnsinnig starken Familienzusammenhalt."

Apropos: Wie lebt es sich mit einem Übervater namens Josef Zotter?
Naja, wir leben ja momentan nicht zusammen. Aber ehrlich: er ist natürlich ein Überpapa. Aber im besten Sinne. Bei uns ist immer was los, und wir haben einen wahnsinnig starken Familienzusammenhalt. Natürlich ist es manchmal schräg mit ihm - viele Leute kennen ihn ja.

Aber Ihr Vater ist auch Ihr Chef?
Als Familienunternehmen machen wir ja beinahe alles zusammen, was unsere Schokomanufaktur angeht, wir leben immer mit. Es ist nicht immer leicht, wenn der eigene Vater auch der Chef ist, eh klar. Aber es gibt auch so viel mehr, wenn man auf allen Ebenen zusammenarbeiten kann. Und das haben meine Eltern immer ganz toll gemacht. Sie haben uns „Kinder“ immer voll miteinbezogen. Ich freue mich also wahnsinnig, wenn Leute ihn kennen, oder unsere Schoko.

Danke für das Gespräch!

Alle Fotos: Zotter

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