Ernst Schöpf: "Ich habe ausgefüllte Tage"

Ernst Schöpf ist Präsident des Tiroler Gemeindeverbandes.

Herr Präsident, der Gemeindeverband wird 70. Ein Grund zum Feiern oder überwiegen die Sorgen in den Gemeinden Tirols?
Ernst Schöpf: „Allzu rigoros wird der Gemeindetag nicht gefeiert, aber er soll – zusammen mit den Salzburgern – hauptsächlich dazu dienen, um zu zeigen, dass es den Gemeindeverband unverändert gibt. Es werden als Gäste Helmut Mödlhammer und Hermann Arnold erwartet, auch kommt Gemeindebundpräsident Alfred Riedl. Aber im Prinzip hat sich in den 70 Jahren für die Kommunen nicht viel verändert. Es sind immer finanzielle Sorgen und die stetig zunehmende Aufgabenfülle, die uns begleiten, es ist der Kampf um Geldmittel, der noch immer im Mittelpunkt steht.“

Aber der Gemeindetag in Alpbach steht schon im Mittelpunkt des Jubiläums?
„Natürlich, es wird ein Rückblick auf die Geschichte getätigt, aber große politische Debatten wird es nicht geben und das Festreferat wird Margit Schratzenstaller-Altzinger über die Finanztransfers halten.“

Sie sind ja seit über 30 Jahren Bürgermeister in Sölden. Was hat sich für Tirols Kommunen in den letzten Jahrzehnten verändert?
„Die Aufgabenfülle hat dramatisch zugenommen. Man denke nur an die Kinderbetreuung. So gab es 1986 in Sölden eine Kindergartengruppe, eine Kindergärtnerin, aktuell sind 17 Kindergartenpädagoginnen beschäftigt. Auch sind Ausgaben wie die Krankenanstaltenfinanzierung, Mindestsicherung oder Jugendwohlfart zur enormen Belastung geworden. Zeitgleich sind Getränkesteuer oder Gewerbesteuer weggefallen. Die frei verfügbaren Mittel werden immer weniger, damals konnte man offensiver Projekte umsetzen. Und die überbordende Verwaltung ist ebenfalls sehr problematisch.“

Ärztemangel, Schwächung des ländlichen Raums, Zuwanderung ins Ballungsgebiet Innsbruck. Werden den Tiroler Landgemeinden systematisch die Lebensadern durchgeschnitten?
„Ja, wir haben Regionen in Tirol wie das Außerfern oder Teile Osttirols, die davon betroffen sind und in welchen auch alle Bemühungen Abwanderung bisher nicht verhindern konnten. Die Breitbandoffensive ist eine Möglichkeit, denn neben den Verkehrswegen ist die Datenautobahn lebensnotwendig. Aber das ‚Lebensdesign’ der Nachfolgegeneration hängt nicht mehr so an der Heimat. Ich weiß nicht, wie es ausgeht, hoffentlich nicht so wie in der Schweiz, wo ländlicher Raum bereits strukturiert aufgegeben wird.“

Olympia 2026 wäre auch die Chance für den ländlichen Raum gewesen. Was ist schiefgelaufen?
„Schwer zu sagen, aber scheinbar haben die geschürten dumpfen Ängste den Blick auf die Chancen für das Sport- und Tourismusland Tirol überlagert. Der Zug scheint für längere Zeit abgefahren, außer es finden sich mutige Politiker, die, weil sie ja von den Menschen gewählt wurden, ohne das Volk zu fragen, die Olympiaentscheidung treffen werden.“

Die neue Bundesregierung wird eher Schwarz-Blau. Die Hauptforderungen an sie sind?
„Wenn es gelänge, die im Vorfeld versprochene Verwaltungsreform, die den Namen auch verdient, umzusetzen, wäre uns sehr geholfen. Diese müsste aber in Richtung Schlankheit und nicht wie bisher immer in die Fettleibigkeit führen. Und im Bereich der Transferzahlungen sollten die FAG-Mittel nicht über den Durchlauferhitzer Land, sondern direkt vom Bund an die Gemeinden entrichtet werden. Im Übrigen muss Österreich nicht auf den Kopf gestellt werden und so manche Versprechungen werden noch spannende Themen. Ich denke da nur an die Abschaffung des Pflegeregresses bei gleichzeitiger Steuererleichterung. Diesen circensischen Hochseilakt werde ich aufmerksam verfolgen.“

Wie kommen die Tiroler Gemeinden nach knapp zwei Jahren mit den untergekommenen Flüchtlingen zurecht? Wo gibt es Probleme?
„Der Zustrom ist derzeit im Griff und die leerstehenden Traglufthallen oder von den TSD angemietete und nicht benutzte Räumlichkeiten gibt es, das muss korrigiert werden. Nun gilt es die Integrationsmaßnahmen zu verstärken, da sind Deutschkurse ein gutes Mittel. Aber ohne die vielen ehrenamtlichen Bemühungen wäre es noch viel schwieriger. Und diejenigen, die ein Bleiberecht haben, sollten in den Arbeitsprozess integriert werden.“

Ernst Schöpf war immer für Differenzen mit der Landesregierung gut. Es ist ruhiger geworden. Warum?
„Es herrscht derzeit in allen Lebenslagen ein sehr gutes Verhältnis mit allen Regierenden inklusive Landeshauptmann und ich erwarte mir auch nach dem 25. Februar keine gravierende Änderung. Natürlich braucht es deutliche Hinweise über unser Befinden, aber das passiert durch saubere Zusammenarbeit und der Gemeindeverband ist ordentlich eingebunden, so auch bei neuen Gesetzesentwürfen.“

Die Landtagswahlen stehen vor Tirols Tür. Ambitionen für ein Amt in der Regierung?
„Keine. Ich habe als Bürgermeister und Gemeindeverbandspräsident ausgefüllte Tage und die Sehnsucht, mich sehenden Auges in den Herzinfarkt zu begeben, ist verschwindend gering.“
Interview: Sieghard Krabichler

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