In der Echokammer des Puritanismus
Das Burgtheater hat mit Arthur Millers „Hexenjagd“ ein großartiges Stück auf die Bühne gestellt, inszeniert von Martin Kusej, mit beeindruckenden schauspielerischen Leistungen.
Für die ersten Puritaner-Gemeinschaften in Neuengland war der enge Zusammenhalt, die Ausrichtung auf ein arbeitsames, fleißiges, frommes Dasein eine gute Überlebensstrategie und Schutz vor der wilden Umwelt eines fremden Kontinents. Da war kein Platz für weltliche Vergnügungen. Ein moralisch einwandfreies Leben war allgemein anerkannte Pflicht. Aber die Zeiten änderten sich und neue Gefahren bedrohten die Gemeinschaft, in der sich eine unheilvolle Allianz von Religion und Politik gebildet hatte.
Unter einem engstirnigen Regime der Mächtigen wurde aus der anerkannten, eine aufgezwungene Einheitlichkeit. Alles wurde beobachtet – wer geht zur Kirche, wer arbeitet am Sonntag, wer liest andere Bücher als die Bibel – alle, die sich nicht anpassten waren verdächtig. Da konnte es nicht mit rechten Dingen zugehen … Da musste der Einbruch von lustvoller Sexualität einerseits und der Schimmer der Aufklärung zu einer Katastrophe führen – die Hexenjagd konnte beginnen.
Die Hexenjagd wird nicht nur als Instrument der Unterdrückung eingesetzt, sondern in der allgemein ausbrechenden Hysterie der gegenseitigen Beschuldigungen werden alte Rechnungen heimgezahlt und Begehrlichkeiten nach Land und Macht befriedigt. In dieser „Echokammer“ der Schuldzuweisungen geht es nicht um Fakten, sondern Recht hat, wer die Macht hat.
Das Bühnenbild von Martin Zehetgruber greift das auf und zeigt zuerst einen Wald voll Kreuzen und dann von Gefängniszellen – in beiden spielt sich Unheilvolles ab. In Kusejs Inszenierung sind die Frauen sehr drastisch Auslöser und Opfer der Hexenjagd - beeindruckend Andrea Wenzel als Abigail Williams, Marie-Luise Stockinger als Mary Warren und Dörte Lyssewski als Elizabeth Proctor.
Auch die männlichen Rollen sind toll besetzt: Philipp Hauß als ängstlich-machtbewegter Pastor Parris, Michael Maertens als smarter, skrupelloser Vertreter des Staates, Florian Teichtmeister als zunächst überlegener Exorzisten-Meister Reverend Hale, der später an den Folgen seiner Fehlentscheidungen zerbricht und vor allem Steven Scharf als John Proctor, der seinen eigenen Ängsten sowie den Drohungen von Recht und Religion nicht nachgibt und autonom nach seinem Gewissen entscheidet.
Die extreme Verlangsamung der Handlung, die Kusej gezielt einsetzt, macht das Entsetzliche dieser puritanischen Echokammer noch fühl- und spürbarer. Ein Abend, der viel zu denken gibt und den Zuseher noch Tage später nicht los lässt, weil Vieles an Salem an heutige Entwicklungen erinnert.
Hexenjagd von Arthur Miller – noch zu sehen am 10. Und 11. Juni 2017
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Burgtheater: Austria first
Man könnte meinen, dass die scheidende Burgtheater-Direktorin Karin Bergmann bei der Programm-Präsentation für die Jahre 2017/18 „Austria First“ ausgerufen hat. Er ist ein mutiger Katalog von besonderen Aufführungen. Dass sich Bergmann ein Denkmal setzen will, ist auszuschließen, dazu ist sie viel zu sehr Profi. Aber, man soll sich darin erinnern, welch interessante Intendantin da am Werk ist und war. „ich will die Politik nicht außen vor lassen. Es gehe um Visionen und um Grenzen“, sagt Bergmann.
Zum Programmzettel und den Österreichern: „paradies fluten“ nennt sich das Stück des Dramatikers Thomas Köck aus Steyr. Er zeigt damit den ersten Teil seiner Klimatrilogie. Ein Auftragswerk des Burgtheaters ist die Urführung „Lass dich heimgeigen, Vater oder den Tod ins Herz mir schreibe“ vom Kärntner Autor Josef Winkler. Der Linzer Ewald Palmentshofer wagt sich an Gerhart Hauptmanns „Vor Sonnenaufgang“ (Österreichische Erstaufführung), „Jedermann (stirbt) von Ferdinand Schmalz aus Graz ist wieder ein Auftragswerk des Burgtheaters und wird von Stefan Bachmann zur Uraufführung gebracht. Wolfgang Bauers „Der Rüssel“ wurde 1962 geschrieben und wird erst jetzt von Christian Stückl zur Uraufführung begleitet.
Mit „Ein Sommernachttraum“, „Ein Volksfeind“, „Radetzkymarsch“, „Die Glasmenagerie“, „“Eines langen Reise in die Nacht“ und „Macbeth“ ist der Klassikbereich gut abgedeckt.
Infos und Tickets: www.burgtheater.at
Gertrude Martin und Reinhard Hübl
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