Heumarkt: Vassilakou lässt Gemeinderäte entscheiden
Die Umgestaltung des Heumarkt-Areals stürzt die Wiener Grünen in eine tiefe Krise - und besiegelt höchstwahrscheinlich auch das politische Schicksal von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Während man offiziell um Beruhigung bemüht ist, erzählt man sich hinter vorgehaltener Hand, dass ihr Abgang unumgänglich sei, die Frage sei nur mehr wann.
WIEN. Die Grünen kommen einfach nicht zur Ruhe. Nachdem in den vergangenen Wochen die Bundespartei mit dem Konflikt, der im Ausschluss der eigenen Jugendorganisation gegipfelt hat, nicht mehr aus den negativen Schlagzeilen heraus gekommen ist, kriselt es nun auch bei den Wiener Grünen massiv. Der Grund: Das Bauprojekt am Heumarkt. Die Grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou setzt sich seit Jahren für die Umgestaltung - die den Verlust des UNESCO-Weltkulturerbes zur Folge haben könnte - ein.
Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Wiener Grünen sieht das aber gänzlich anders: Sie wollen das Bauprojekt verhindern, allen voran die Bezirksorganisation im 1. Bezirk. In einer Urabstimmung haben sich am vergangenen Freitag die Gegner knapp durchgesetzt: 51,33 Prozent haben mit "Nein" gestimmt. Bis spät in die Nacht hinein hat am Montag eine Krisensitzung der Grünen stattgefunden - ein Ergebnis hat diese allerdings nicht gebracht. Erst am Dienstag Vormittag gab Vassilakou ihre Entscheidung bekannt: Sie überlässt die Entscheidung den Gemeinderats-Abgeordneten, sie sollen somit nach eigenem Gutdünken am 1. Juni in der Sitzung des Gemeinderats über die entsprechende Flächenwidmung abstimmen.
Innerparteiliche Entscheidungsfindung spaltet
Wenngleich die Sache nun fürs Erste geklärt sein sollte, ist offensichtlich, dass hier unter der Oberfläche wesentlich mehr brodelt, als der Bau eines 66 Meter hohen Hauses am Heumarkt. Im Grunde dürfte es um die innerparteiliche Entscheidungsfindung bei den Wiener Grünen gehen. Schon zu einem früheren Zeitpunkt des Planungsprozesses am Heumarkt dürfte Unmut in den Bezirken bzw. an der Basis aufgekommen sein. Erst mit der erzwungenen Urabstimmung wurde dieser nach außen hin sichtbar.
Dass diese Urabstimmung negativ ausgefallen ist, hat Vassilakou nun vor die Situation gestellt, sich zwischen "Partei" und "Regierung" entscheiden zu müssen. Mit der Delegierung der Entscheidung an die Gemeinderatsmitglieder hat sie sich nun offenbar für die Koalition mit der SPÖ entschieden - auch, wenn nicht klar ist, wie die grünen Gemeinderäte abstimmen werden und nicht klar ist, ob eine rot-grüne Mehrheit für das Projekt zustande kommen wird. Bürgermeister Häupl (SPÖ) reagierte indes in einer Aussendung auf die Entscheidung: Er lobte die "Handschlagqualität und Koalitionstreue" Vassilakous, er glaube daran, dass eine rot-grüne Mehrheit für das Projekt zustande kommen wird.
Freies Mandat als Ausweg
Die Möglichkeit, das "freie Mandat" zu nutzen und die Entscheidung somit den Gemeinderäten zu überlassen, hatte bereits gestern Neubaus grüner Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger in den Raum gestellt. Er hat auch angeregt, die grünen Statuten, wonach die Urabstimmung bindend ist, zu überarbeiten. Alexander Spritzendorfer von den Josefstädter Grünen hält eine Diskussion über die Grünen Statuten zwar "realpolitisch für nicht zielführend", hat aber auch seine Probleme mit der mittels Urabstimmung gefällten Entscheidung: "Ich stehe zwar voll zum Grünen Prinzip der Basisdemokratie - das in dem Fall aber 348 Personen (Anzahl der abgegebenen "Nein"-Stimmen, Anm.) über die Stadtentwicklung in Wien entscheiden, ist nicht das, was ich mir darunter vorstelle." Er steht dem Projekt Heumarkt grundsätzlich positiv gegenüber und stellt eurpäische Vergleiche auf: "Ich komme gerade aus London und Liverpool, das steht auf der roten Liste des Weltkulturerbes. Und wenn man sich dort die Skylines anschaut, dann erscheint einem die Heumarkt Diskussion lächerlich. Wobei die Heumarkt-GegnerInnen natürlich gute Argumente haben und ich ihr Anliegen keineswegs als 'lächerlich' betrachte."
Was er sich auch nicht vorstellen will ist, dass dieses Krise im Rücktritt von Vassilakou gipfeln könnte. "Sie muss jetzt eine klare Entscheidung treffen, den Parteigehorsam in den Vordergrund zu stellen, wäre das falsche Signal." Das tut sie nun offenbar nicht, sondern delegiert die Entscheidung an die einzelnen Gemeinderatsabgeordneten. Für sie hat Spritzendorfer einen Ratschlag parat, man müsste möglicherweise auch einmal eine unpopuläre Entscheidung treffen. Denn: Politik müsse nicht "gefallen", man müsse es einmal auch aushalten "in Ungnade zu fallen und damit evtl. zu riskieren, für die Wien Wahl 2020 nicht mehr auf die Grüne Landesliste gewählt zu werden", so Spritzendorfer.
Umweg über Rathaus-Klub
Der Umweg über das freie Mandat, also den Grünen Rathaus-Klub, war von Beobachtern schon erwartet worden, denn dort verfüge Vassilakou über eine Mehrheit, wenn auch nur über eine "dünne". Eine Mehrheit habe sie auch in der Landeskonferenz, ebenso im Landesvorstand, nicht aber in der Bezirkskonferenz und "schon gar nicht an der Basis" und somit auch nicht in der Landesversammlung, wie man sich hinter vorgehaltener Hand erzählt. Dass diese Aussagen von Seiten jener kommen, die sehr wohl das, was Spritzendorfer als "Parteigehorsam" bezeichnet beachtet sehen wollen, verwundert nicht. Namentlich genannt werden will in dem Zusammenhang aber freilich niemand.
Und damit wird auch sichtbar, wie es um Maria Vassilakou bestellt ist. Denn obwohl man auf offizielle Anfrage bei den Grünen Bezirksorganisationen stets die Antwort erhält, es gehe hier ausschließlich um die Sache und nicht um die Person, dürfte das nur die halbe Wahrheit sein. So mancher sägt schon einiger Zeit am Sessel der Vizebürgermeisterin - einerseits sorgte die nicht gehaltene Rücktrittsversprechen im Rahmen der Wien Wahl 2015 für Unmut. Andererseits heizt auch der Konflikt um die ausgeschlossene Parteijugend auf Bundesebene - für den Vassilakou zwar keinerlei Verantwortung trägt - die parteiinternen Kritiker auf. Denn auch dieser Konflikt verdeutliche einen "autoritären Stil" bei den grünen Führungskräften, der ganz offensichtlich auch Auswirkung auf die Landesorganisation Wien hat.
"Vassilakou 2020 sicher nicht Spitzenkandidatin"
So vermutet so mancher sogar, dass die Urabstimmung nicht negativ ausgegangenen wäre, wäre dem nicht der Konflikt um die Jugendorganisation vorangegangen - auch wenn die beiden Dinge oberflächlich betrachtet rein gar nichts miteinander zu tun haben. Dass Vassilakous Tage gezählt sind, wird als offenes Geheimnis gehandelt - die Frage sei nur noch, wie lange sie sich noch hält. Dass sie bei der Wahl 2020 in Wien nicht mehr als Spitzenkandidatin ins Rennen geht, sei klar: "Der Rucksack ist inzwischen zu groß", so ein Insider. Diesbezüglich wird man wohl nach der Landesversammlung im Juni mehr wissen, dort stehen das nächste Mal parteiinterne, richtungsweisende Entscheidungen an.
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