Blackout: Wenn es in Linz dunkel wird

Im Falle eines Blackouts müssen die sensiblen Systeme manuell wieder hochgefahren werden. | Foto: Foto: panthermedia.net/Magus
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LINZ (spm). Es ist dunkel in Linz. Aus den Leitungen kommt kein Wasser und die Heizkörper sind kalt. Auf den Straßen stehen zahlreiche Autos, die beim abrupten Ausfall der Ampeln ineinandergekracht sind. Ansonsten herrscht dort kaum Bewegung. Die Tankstellen liefern keinen Treibstoff mehr und der öffentliche Verkehr steht still. Menschen, die dringende Hilfe brauchen, quälen sich zu Fuß ins Krankenhaus, da auch Einsatzfahrzeuge längst nicht mehr tanken können. Andere stecken seit Stunden im Aufzug fest. Kein fließendes Wasser, keine Toilettenspülung, kein Telefon, kein Internet, kein Bankomat. Nichts geht mehr. Wir befinden uns mitten in einem Blackout, einem flächendeckenden Stromausfall. „Die Zeit, wo man so ein Szenario ausschließen konnte, ist vorbei“, sagt Johannes Reichl vom Energieinstitut der Johannes Kepler Universität, der seit Jahren am Thema Blackout forscht. „Für einen Blackout in ganz Europa ist immer eine Verkettung von Ereignissen nötig. Aber es ist eine Verkettung von realistischen Ereignissen und bei Weitem keine Fantasie. Netzbetreiber müssen immer öfter aktiv eingreifen, um gegen einen drohenden Stromausfall entgegenzusteuern“, so der Experte. Dieser Bedrohung ist man sich auch bei der Linz AG bewusst. „Die Gefahr eines Blackouts ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen. Für uns ist das ein wichtiges Thema. Wir haben auch gemeinsam mit anderen Netzbetreibern ein Großstörungskonzept ausgearbeitet, wie man den Strom im Falle eines Blackouts wieder starten kann“, sagt Johannes Zimmerberger, Geschäftsführer der Linz Netz Strom GmbH der Linz AG. Allerdings ist das alles andere als einfach. „Im Simulator schafft man es bei einem Totalausfall, die Versorgung in zehn Stunden wiederherzustellen. Das ist aber eine sehr schwierige und heikle Angelegenheit“, sagt Reichl. Und vor allem sind zehn Stunden der absolute Idealfall. „Es sagt natürlich offiziell keiner, aber es gibt Simulationen, wo das deutlich länger dauert. Und es ist vor allem nur eine Simulation. Wir haben weder ein praktisches Wissen noch Erfahrungen. Es handelt sich dabei um einen so komplexen Vorgang, dass keine definitiven Aussagen gemacht werden können“, sagt Reichl. Bei der Linz AG versucht man die Dauer im Ernstfall realistisch einzuschätzen. „Es dauert natürlich, denn bei einem Blackout müssen erst einmal alle überlegen, was eigentlich passiert ist und was man machen kann. Innerhalb eines Tages sollte das Netz wieder funktionieren. Das ist zwar schon ambitioniert, aber wir gehen davon aus, dass wir es schaffen“, so Zimmerberger.

Kein Geld für „Schwarzstart“

Warum es so lange dauert, den Strom wieder hochzufahren, liegt neben dem sensiblen Aufbau der Netze auch daran, dass zuerst einmal Strom benötigt wird, um Kraftwerke wieder zum Laufen zu bringen. Für einen derartigen „Schwarzstart“ braucht es Notstromaggregate. Diese müssen von einem geschulten Personal gewartet werden. Nur wenige Kraftwerke in Österreich verfügen über eine derartige Notstromversorgung. „Solche Anlangen kosten Geld, welches wiederum die dafür zuständige E-Control für nicht nötig hält zu investieren“, sagt Reichl. „Wenn es kein Geld gibt, wird es auch keine schwarzstartbaren Kraftwerke geben. Auch wenn wir damit natürlich viel schneller wären“, sagt Zimmerberger. Auf politischer Ebene sind derartige Präventionsmaßnahmen ebenfalls schwer durchzusetzen. „Die Absicherung verursacht Kosten, die man womöglich nie zurückbekommt. Vor allem in finanziell angespannten Zeiten ist das schwierig abzusegnen“, so Reichl.

Vielfältige Ursache
Für einen Blackout gibt es verschiedene Gründe. Man spricht davon, wenn nicht nur in einem kleinen Bereich – zum Beispiel nach einem Sturm – sondern in weiten Teilen Europas der Strom ausfällt. Vor allem die erneuerbaren Energien haben das Risiko erhöht, da deren Stromerzeugung wesentlich schwerer einschätzbar ist als jene aus konventionellen Energien. „Gleichzeitig sind sie aber auch eine große Chance für die Versorgungssicherheit. Das Problem ist, dass eine Technologie installiert und in hohem Tempo ausgebaut wurde, die man in ihrem gesamten Ausmaß nicht im Griff hatte. Nun muss man schauen, wie man sie in Einklang bringt“, sagt Reichl, der auch Fortschritte erkennen kann. „Es gibt natürlich eine Lernkurve, aber gleichzeitig werden die Systeme komplexer und die Leitungen viel stärker belastet als früher, sodass ständig ein Risiko bleibt.“ Im Bestseller „Blackout“ von Marc Elsberg sind es Smartmeter, die von Hackern lahmgelegt werden und somit den Blackout auslösen. „Da forschen wir gerade daran, wie sicher diese tatsächlich sind. Noch gab es keine derartigen Hackerangriffe, allerdings kann man auch nicht sagen, dass die Smartmeter wirklich sicher sind. Es ist nicht auszuschließen, dass es tatsächlich zu einem Missbrauch kommt“, sagt Reichl. Derzeit werden diese Smartmeter auch in Linz in vielen Haushalten installiert. „Wir führen dazu aber ständig Sicherheitsanalysen durch. Jeder einzelne Zähler ist verschlüsselt und muss einzeln angesteuert werden. Der Hacker müsste also für jeden Smartmeter einen eigenen Schlüssel knacken“, sagt Zimmerberger von der Linz AG.

Wasser größtes Problem

Unabhängig vom Auslöser bringt ein Blackout große Schwierigkeiten mit sich. Das größte Problem ist die Wasserversorgung. „Alle die in erhöhter Lage wohnen, zum Beispiel am Pöstlingberg oder auch ab dem fünften Stock, werden sofort kein Wasser mehr haben, da die nötigen Pumpen nicht mehr funktionieren. Spätestens nach 24 Stunden wird durch keine Leitungen mehr Wasser fließen“, sagt Reichl. Grundsätzlich laufen die Pumpen aber über Notstromaggregate der Linz AG. „Für einen Tag sollte das kein Problem sein, die Wasserversorgung sicherzustellen“, sagt Zimmerberger. Priorität genießen in der Notstromversorgung in jedem Fall Krankenhäuser und die chemische Industrie, deren Güter eine konstante Kühlung brauchen, da sie sonst ein Gesundheitsrisiko darstellen würden. Auch in beiden Rathäusern wird es eine Notstromversorgung geben. „Im Alten Rathaus ist für den Katastrophenfall in den Katakomben eine Einsatzzentrale eingerichtet, in der wir handlungsfähig sein müssen. Ich sage bewusst ‚müssen‘, weil es einen derartigen Ernstfall noch nicht gegeben hat“, sagt Bürgermeister Klaus Luger, der in so einem Fall auch die Letztverantwortung in der Stadt trägt. Über weite Teile wird es aber finster bleiben. Vor allem was die medizinische Versorgung betrifft, ist man in der Stadt im Vergleich zum ländlichen Raum gut aufgehoben. „Erstens funktioniert weder Handy noch Internet ohne Strom. Zudem haben die gesamten Blaulichtorganisationen keinen Treibstoff, da sie ganz normal an den Tankstellen tanken“, sagt Reichl. Auch auf die öffentlichen Verkehrsmittel wird man vergeblich warten. „Unsere Gesellschaft funktioniert ohne Strom überhaupt nicht, es gibt keine Bereiche, die am laufen gehalten werden können“, so Reichl. Der Schaden ist nicht nur für Menschen, sondern auch für Unternehmen enorm. Reichl und sein Team haben einen Simulator entworfen (www.blackout-simulator.com), der den finanziellen Schaden eines Blackouts berechnet. Dieser beträgt alleine in Oberösterreich nach 24 Stunden 223 Millionen Euro. In ganz Europa entsteht nach einem Tag ein Schaden von 47 Milliarden Euro, für viele Unternehmen wäre ein derartiger Blackout mit dem finanziellen Ende verbunden.

Wichtige Vorsorge
Während sich Unternehmen kaum oder nur mit Notstromaggregaten vorbereiten können, gibt es für Privatpersonen einige Möglichkeiten. Allen voran ist da ein Weltempfänger, der mittels Kurbeln funktioniert, um wichtige Informationen abzurufen. Dazu sollte man eine Lichtquelle, wie eine Taschenlampe inklusive Batterievorrat, zu Hause haben. Auch nicht verderbliche Lebensmittel und ausreichend Wasser sollten bevorratet werden. „Ich empfehle sicherheitshalber auch gleich die Badewanne aufzufüllen solange noch Wasser aus den Leitungen fließt“, sagt Reichl. Einen umfassenden Plan, wie man sich bestmöglich auf so ein Szenario vorbereitet, bietet die Initiative „Plötzlich Blackout“ auf ihrer Homepage www.ploetzlich-blackout.at. Diese Vorbereitungen werden aber trotz Warnungen nur die wenigsten treffen. Reichl nennt das Versorgungssicherheitsparadoxon. „Je weniger die Menschen mit Ausfällen konfrontiert sind, desto schlimmer sind die Folgen. Und in Österreich sind wir überhaupt nicht mehr darauf vorbereitet“, sagt Reichl. „Sollte es nicht gelingen, den Strom nach einem Tag wiederherzustellen, stellt sich die Zivilschutzfrage, da sind wir aber erstaunlich schlecht aufgestellt. Wir sind da bei Weitem in keinem Bereich, wo wir so ein Szenario gelassen abwarten können“, sagt Reichl und fügt hinzu: „Natürlich gibt es in Österreich Pläne für einen Katastrophenfall, diese basieren aber alle auf der Basis einer funktionierenden Stromversorgung.“ Auch im Alten Rathaus sieht das nicht viel anders aus. Hier ist man zwar selbst gegen Bomben- und ABC-Angriffe gerüstet, allerdings basiert auch hier alles auf der Annahme eines funktionierenden Stromnetzes, sodass lediglich noch die Verbindung zur Landesverteidigung aufrecht gehalten werden kann. „Unsere Systeme gehen davon aus, dass Strom vorhanden ist. Für den technischen Super-GAU des dauerhaften Stromausfalls ist keine Gesellschaft gerüstet“, so der Bürgermeister. Reichl geht davon aus, dass sich die Menschen zunächst gegenseitig helfen oder zumindest nicht schaden. „Die ersten 24 bis 48 Stunden ist mit Solidarität zu rechnen. Danach hängt es davon ab, wie sich die Leute verhalten. Da es aber kaum noch Lebensmittel geben wird, ist nicht auszuschließen, dass man Einsatzkräfte braucht.“ Die ohne Strom allerdings nur bedingt einsatzfähig sind.

Unvorhersehbare Katastrophe
Und wenn tatsächlich nach 48 Stunden der Strom noch immer nicht wieder funktioniert? „Auch wenn wir in Österreich kein Atomkraftwerk haben, stellen sie sicher eine der größten Bedrohungen dar, da man immer Strom braucht, um sie zu kühlen“, sagt Reichl. Lebensmittel werden unweigerlich zur Neige gehen. Und spätestens dann wird es auch mit dem Diesel für die Notstromaggregate eng. „Wir wollen alle nicht wissen, was dann passiert, ich gehe nicht davon aus, dass dieser Fall jemals eintritt. Total unrealistisch ist aber auch das nicht“, sagt Zimmerberger.

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