Corinna Milborn in Linz: "Facebook gefährdet unsere Demokratie"

Corinna Milborn auf der #mediana18 | Foto: zoefotografie – www.zoegoldstein.com
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Die Star-Moderatorin und Infochefin von Puls4 hat am 19. Mai auf der Medienkonferenz #mediana18 in Linz über die Gefahren Sozialer Medien gesprochen. Im Interview mit Christian Diabl fordert Milborn klare Regeln für Facebook, gibt Tipps für Eltern und wünscht sich mehr Medienkompetenz in den Schulen.


Frau Milborn, Sie haben in ihrem Vortrag Facebook, Google und Amazon als Gefahr für unsere Demokratie bezeichnet. Worin sehen Sie diese Gefahr?

Wir haben es mit amerikanischen Medien zu tun, die ihre eigenen Regeln machen, zum Beispiel darf man keine Brustwarzen zeigen, das ziehen sie beinhart durch, aber man darf so viele Hakenkreuze zeigen, wie man nur will. Sie halten sich nicht an die Regeln, die wir für Medien entwickelt haben. Dort ist es plötzlich möglich, Hass zu verbreiten. Man darf Leute verhetzen und völlig ungeniert Mobbing betreiben. Das betrifft ganz viele Jugendliche und zerstört tatsächlich Menschenleben. Da gibt es Leute, die wirklich fertig gemacht werden, weil das noch dazu von Facebook gefördert und wahnsinnig stark verbreitet wird.

Und die Auswirkungen auf die Demokratie?

Wir brauchen für Demokratie einen gemeinsamen Raum, in dem man ungefähr dieselben Informationen hat, wie andere, damit man darüber reden kann. Auf Facebook haben Politiker aber die Möglichkeit, zum Beispiel umweltinteressierten Usern nur zu sagen, dass ihnen Umwelt das allerwichtigste ist. Zugleich können sie anderen Usern sagen, dass ihnen Flugzeuge das allerwichtigste sind, weil jeder nur eine ganz personalisierte Werbung bekommt. Das zerstört die Art wie unsere Demokratie funktioniert, denn dann kann man nicht mehr drüber reden.

Sie sind ja selbst sehr aktiv auf Facebook und Twitter, hat sich ihr eigenes Nutzungsverhalten durch die Debatten der letzten Jahre um "Fake News" und "Hass im Netz" verändert?

Ich habe für mich beschlossen, keine längeren Texte mehr auf Facebook zu stellen, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass sich alles, was total polarisiert, wahnsinnig verbreitet – wenn man zum Beispiel auf jemand wütend ist oder irgendwas besonders Emotionales. Wenn man hingegen etwas Differenziertes, Zurückhaltendes schreibt, dann sieht das fast niemand, weil Facebook das nicht ausspielt. Die belohnen einfach alles, was empört und ich habe keine Lust in dieser Maschine mitzuspielen. Deshalb bin ich auf einen Newsletter umgestiegen, auf das gute alte Email und habe meinen Blog wieder reaktiviert. Aber natürlich nütze ich auch Facebook weiterhin, aber ich nütze es viel vorsichtiger als früher.

Nutzen Sie es privat auch oder nur rein beruflich?

Ich mache kaum Privates öffentlich, sagen wir mal so.

Journalisten und vor allem Journalistinnen sind oft Ziel von Hasspostings und Hasskommentaren. Was macht das mit einem?

Also, wenn so eine Welle von Hass kommt, was mir Gott sei Dank selten passiert ist, dann ist das sehr beeinträchtigend. Ich habe aber den Eindruck, dass es bei Leuten, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, noch schlimmer ist. Denn wenn man in der Öffentlichkeit steht, ist man es bis zu einem gewissen Maß gewohnt, eine Projektionsfläche zu sein. Aber wenn jemand zum Ziel von Hass wird, der einfach etwas schreibt, das einem anderen nicht passt, seine private Meinung, dann reichen manchmal 10, 20 arge Kommentare oder eine Drohung, damit es wirklich sehr beeinträchtigend ist und Leute sich zurückziehen. Deswegen halte ich das für ein ganz großes Problem, vor allem weil das ja kein Email ist, das man bekommt, sondern es ist öffentlich und wird dann auch verbreitet und man ist plötzlich mit etwas sehr Negativem in der Öffentlichkeit.

Wie gehen Sie persönlich damit um?

Oft sind das ja keine echten Accounts, das ignoriere ich dann. Wenn ich merke, dass es doch eine echte Person ist, die mir schreibt, schreibe ich zurück und versuche auch etwas daraus zu lernen. Dann versuche ich nachzufragen, wie jemand auf die Idee kommt, solche Drohungen auszusprechen und was das Problem dahinter ist.

Was wünschen Sie sich von der Regierung oder besser gesagt, was kann eine Regierung überhaupt tun?

Ich wünsche mir, dass Facebook die gleichen Regeln beachten muss, wie ein normales Medium und YouTube ebenso. Das heißt, da wo Facebook Informationen massenhaft veröffentlicht, soll es auch verantwortlich dafür sein. Es soll vorher checken, was es veröffentlicht und nicht einfach jeden Mist und jeden Hass und jede Hetze millionenfach in die Welt hinausblasen. Das betrifft jetzt nicht unbedingt die privaten Dinge, wo man zum Beispiel Geburtstagsfotos austauscht oder zu einer privaten Feier einlädt. Aber es betrifft schon den Newsfeed, also die Informationen, die man bekommt, wenn man Facebook öffnet. Diese Informationen hat Facebook ausgewählt und da muss es Verantwortung übernehmen.

Sie sind ja auch Mutter, haben Sie Tipps für andere Eltern? Wie soll man Kinder und Jugendliche an Soziale Medien heranführen?

Bei kleinen Kindern bin ich der Meinung, dass sie gar kein Handy haben sollten. Früher habe ich das anders gesehen, aber jetzt bin ich zu dem Schluss gelangt, dass das gar nicht geht. Ebenso bei YouTube, da YouTube eben nicht überprüft, was es ausspielt. Da kann es sein, dass man einem Kind ein völlig normales Video mit Kinderreimen zum Ansehen gibt, kurz nicht hinschaut und YouTube dann als nächstes ein ganz brutales, verstörendes Video ausspielt. Auch weil es Leute gibt, die das extra machen, um Kinder zu erreichen. Deswegen habe ich YouTube für meine Kinder komplett gestrichen. Das geht natürlich nur eine gewisse Zeitlang, weil sie ja irgendwann sowieso Zugang haben, aber da sollen sie dann wissen, dass das nicht die echte Welt ist. Sie sollen wissen, dass da ganz viel gesteuert ist, dass das nicht die Meinung der Bevölkerung ist, die sie da sehen. Sie sollen wissen, dass Pornos nicht ein Abbild davon sind, wie es wirklich ist. Man muss sehr, sehr viel reden.

Soll Medienkompetenz im Unterricht eine größere Rolle spielen?

Man müsste das in der Schule extrem ausbauen. Es gibt die Organisation „Safer Internet“, die Workshops macht, die ich jedem Elternverein und jeder Schule empfehlen würde, weil die Eltern und auch Lehrer oft gar nicht wissen, womit die Kinder gerade konfrontiert sind. Und die Kinder sich oft gar nicht trauen, darüber zu reden, weil es vielleicht Bereiche sind, zu denen sie gar keinen Zugang haben sollten. Es ist wirklich wichtig, dass Profis kommen, die sich auskennen und das den Kindern erklären.

Haben Sie eine Methode, um nicht dauernd aufs Handy zu schauen?

Mich hat sehr erschreckt, wie stark das süchtig macht. Man sagt zwar immer, dass man das Handy halt einfach mal weglegen oder mehr Selbstdisziplin haben muss. Aber auf der anderen Seite dieses kleinen Bildschirms sitzen die besten Psychologenteams der Welt und haben nur eine Aufgabe, nämlich Facebook so weiterzuentwickeln, dass sie die Aufmerksamkeit möglichst lange halten und die Leute immer wieder zurückholen. Ich habe die Tendenz das Handy immer wieder in die Hand zu nehmen, deshalb habe ich für mich jetzt festgelegt, dass ich eine Stunde lang nicht erreichbar sein kann. Wenn ich zu Hause bin, lege ich das Handy in den Kasten und stelle mir den Wecker auf eine Stunde und nach einer Stunde schaue ich fünf Minuten drauf, schaue Facebook, Instagram und Twitter durch, schaue meine Emails und SMS an und dann lege ich es wieder konsequent für eine ganze Stunde weg. Es ist unglaublich, wie viel aufmerksamer ich bei meiner Familie und in meinem Haushalt bin, seit ich das mache. Man merkt nämlich nicht, wie oft man das Handy wirklich in die Hand nimmt und es ist recht nützlich, mal zu sehen, dass man es doch öfter in die Hand nimmt, als man glaubt.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Medienkonferenz #mediana18 wurde von Radio FRO und der Kulturplattform OÖ (KUPF) in Kooperation mit dorftv, dem fjum – forum journalismus und medien wien, dem Verband Freier Radios Österreich (VFRÖ) und der Kunstuniversität Linz organisiert.

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Foto: amixstudio/stock.adobe.com
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