Barbara Pachl-Eberhart
Sie verlor ihre Familie, aber nicht den Lebensmut

Barbara Pachl-Eberhart – „vier minus drei“. | Foto: Ulrich Reinthaller
  • Barbara Pachl-Eberhart – „vier minus drei“.
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Im März 2008 rammt ein Zug einen Kleinbus, in dem sich Helmut Eberhart (38 Jahre) und die beiden Kinder Thimo (6 Jahre), Valentina (2 Jahre) befinden. Der, in der Künstlerszene als Clown bekannte, Vater ist sofort tot, die beiden Kinder erliegen in den darauffolgenden Tagen ihren Verletzungen. Ein unaussprechliches Schicksal für die zurückbleibende Mutter und Ehefrau Barbara Pachl-Eberhart. Doch die starke Frau findet Worte: Zwei Jahre nach dem Unfall schildert sie in „vier minus drei“, wie sie mit dem Verlust umgegangen ist, wie sie getrauert hat und noch trauert. Am 15. April hält die bemerkenswerte Frau eine Lesung in Bischofshofen. Mit dem BEZIRKSBLATT spricht Barbara Pachl-Eberhart vorab über Kraftquellen, das Sprechen über persönliche Erfahrungen mit fremden Menschen und darüber, was Trauernde wirklich brauchen.

Frau Pachl-Eberhart, in Interviews, Lesungen und Seminaren sprechen Sie schon seit Monaten immer wieder über den Tod Ihrer Familie. Ich frage mich, ob dieses Ereignis aufgrund der vielen Gespräche darüber (auch in der Öffentlichkeit) seine Tragik verloren hat?
BARBARA PACHL-EBERHART:
„Als Tragödie bezeichnen wir üblicherweise etwas, das unvergleichbar schlimm ist. Durch meine Öffentlichkeitsarbeit erfahre ich mehr und mehr, wie viele Menschen es gibt, die geliebte Partner und Kinder verloren haben, und wie mutig die meisten von ihnen mit diesen Verlusten umgehen. Die Tragik des Geschehenen hat sich langsam gewandelt, als mir die Tragweite und Größe des Themas bewusst wurde.“

Möchten Sie nicht einmal abschalten und nicht mehr an das Ereignis denken? - In jeder Lesung werden Sie ja aufs Neue damit konfrontiert.
BARBARA PACHL-EBERHART:
„Ich pflege ein bewusstes Erinnern an alles, was schön war, an den Schmerz, aber auch an die Tatsache, dass der Schmerz nicht endlos dauert. Ich transformiere lieber statt zu verdrängen.“

Ist es wie eine „Sucht“, immer wieder darüber sprechen zu wollen/zu müssen?
BARBARA PACHL-EBERHART:
„Die Arbeit an und mit meinem Buch hat mich nach und nach zur Autorin gemacht, mit allem, was zu diesem Beruf gehört – also auch der öffentlichen Auseinandersetzung mit den Themen Tod und Trauergestaltung. Ich folge dieser Berufung ernsthaft, wie es ein Tischler tut, der täglich zu seinem Werkzeug greift, oder wie ein Schauspieler, der immer wieder auf die Bühne geht.“

Was bedeutet es für Sie, Ihre Geschichte einem unbekannten Publikum zu erzählen?
BARBARA PACHL-EBERHART:
„Es klingt paradox und ist zugleich eine wunderschöne, wiederkehrende Erfahrung: Je persönlicher ich in dem, was ich erzähle, bleibe, umso mehr Menschen fühlen sich verbunden mit dem, was ich zu sagen habe. Man kann zutiefst authentisch sein und dabei eine Ebene streifen, die sehr viele Menschen gleichzeitig berührt. Das ist die Magie, die sich bei meiner Arbeit entfaltet.“

Was möchten Sie mit Ihren Lesungen bewirken?
BARBARA PACHL-EBERHART:
„Wenn wir hören, dass jemand in Trauer ist, steigen in unseren Köpfen sofort tausend Bilder hoch. Wir sehen schwarze Kleider, eine gebeugte Haltung, hören Schluchzen – und wollen am liebsten nichts damit zu tun haben. Im besten Fall wollen wir Trost spenden, wissen aber nicht genau, wie das gehen soll. Ich möchte versuchen, diese inneren Bilder ein wenig zu differenzieren. Trauernde sind nicht nur traurig, und sie brauchen auch nicht immer Trost. Trauernde haben selbst viel zu geben, weil sie in einer besonderen Lebensphase sind, von der wir alle lernen können.“

Was soll der Zuhörer nach der Lesung empfinden?
BARBARA PACHL-EBERHART:
„Ich wünsche mir, dass Berührungsängste kleiner werden und Tabus an Macht verlieren. Ich hoffe, dass meine Erzählungen Mut machen und den Glauben ans Leben stärken.“

Welche Menschen kommen zu Ihren Lesungen? Menschen, die selbst Schicksalsschläge erleiden mussten, attraktionslustige Menschen, Neugierige, Mitleidende, oder Menschen, die Sie bewundern?
BARBARA PACHL-EBERHART:
„Sensationslust habe ich nie erlebt. Eher eine große Sehnsucht nach Austausch und Gemeinsamkeit. Ich treffe viele Menschen, die mit ihren Gefühlen alleine sind und sich von mir verstanden fühlen. Aber es kommen auch Angehörige, professionelle Helfer und viele Menschen, die zum ersten Mal einen näheren, vorsichtigen Blick auf das Thema Tod werfen wollen und mir nachher sagen, dass sie es nicht bereut haben.“

Ich habe gehört, dass Sie mit dem „schnellen Gang in eine neue Beziehung“ auf Ablehnung gestoßen sind. Welche Rolle spielt Ihr neuer Lebensgefährte in der (ersten) Familie?
BARBARA PACHL-EBERHART:
„Meine erste Familie, das sind drei Engel, und die begleiten uns wohlwollend und in Liebe auf jedem Schritt unseres Weges. Meine Eltern haben Ulrich Reinthaller als meinen neuen Partner in ihren Herzen aufgenommen. Ansonsten gebe ich nicht viel auf Urteile, die aus der Ferne gefällt werden und meist auf Spekulationen begründet sind. So etwas löst sich im Dialog und in der Begegnung fast immer ganz schnell auf.“

Würden Sie jemals wieder eine „neue“ Familiengründung in Erwägung ziehen?
BARBARA PACHL-EBERHART:
„Ich schließe nichts aus. Momentan allerdings gibt es andere Aufgaben in meinem Leben. Meine neue berufliche Identität führt mich zurzeit auf einen Weg, der mir zutiefst sinnhaft erscheint. Ulrich Reinthaller und ich befinden uns derzeit in einer ‚Schwangerschaft‘ ganz anderer Art, denn wir eröffnen demnächst ein Seminarhaus in Niederösterreich. Wir möchten dort, auf unserem HerzensGut, einen Hort der Achtsamkeit schaffen, einen Raum für Begegnung und Dialog.“

Worin haben Sie Kraft geschöpft?
BARBARA PACHL-EBERHART:
„Man sagt gerne: ‚Kopf hoch‘, zu jemandem, der gerade nicht weiter weiß. Doch mein gesenkter Kopf hat mir Kraft gegeben, weil ich die Erde und ihre Zyklen gesehen habe. Weil ich erkannt habe, dass auch ein weiter Weg nur aus vielen kleinen Schritten besteht. Und weil ich nach innen gelauscht habe, auf die Stimme meines Glaubens. Daneben hatte ich auch Unterstützung, die ich teilweise aktiv holte. Freunde, mein Partner, mein Therapeut, das Netz kann nicht groß genug sein.“

Wie würden Sie sich selbst als Person beschreiben?
BARBARA PACHL-EBERHART:
„Ich bin ein Mensch, dem es leicht fällt, Liebe zu generieren. Ich entdecke an jedem etwas Liebenswürdiges, und das macht mich froh und leicht. Ansonsten freue ich mich über alle Phasen, in denen mich Kreativität erfasst, und über jede Gelegenheit, mich zu amüsieren – am liebsten über Kleinigkeiten. Im Lachen fühle ich mich meiner himmlischen Familie am allernächsten.“

Was sind Ihre weiteren Ziele?
BARBARA PACHL-EBERHART:
„Im Sommer beende ich meine Ausbildungen zur Atempädagogin und Dialogprozessbegleiterin. Daneben schreibe ich an einem zweiten Buch. Ab Herbst werde ich vor allem unter dem Dach von HerzensGut tätig sein, Seminare anbieten und Vorträge über Trauer- und Lebensgestaltung halten. Aktuell bieten wir am 16.4., am Tag nach meiner Lesung in Bischofshofen, ein Dialogkreisseminar für Interessierte an (www.vierminusdrei.com).“

Interview: Julia Baumgärtner

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