Jugend ohne Kult: Conny, zur richtigen Zeit an der richtigen Tür
Seit 1980 steht Constantin Marquis de Rouville dictet de Beauclair an der Tür der Meidlinger Kult-Disco U4. Die bz bat den Mann, der selbst seit Jahrzehnten eine Legende ist, zum Interview.
Kommt die Sprache auf die 80er und 90er Jahre in Wien, fällt immer dein Name. Du bist eine Szene-Ikone. Wie bist du eigentlich als Münchner an die Tür des U4 gekommen?
CONNY DE BEAUCLAIR: Ich bin in München geboren, in Bad Aussee ins Internat gegangen und kam 1972 der Liebe wegen nach Wien. Dort besuchte ich die HTBL für Maschinenbau. Als meine Tochter Selina zur Welt kam, musste ich neben der Schule versuchen, meine kleine Familie mit Hilfe diverser Jobs über die Runden zu bringen. So kam ich eines Tages in das „Monte Video“, eine In-Disco in der Annagasse. Dort fragte ich die zwei Geschäftsführer, die ich noch aus Internatszeiten kannte, ob sie im Sommer für mich einen Job hätten. Zufälligerweise war gerade an diesem Tag ein Doorman abgeworben worden und ich sollte schon am nächsten Abend dessen Job übernehmen. So wurde ich ins kalte Wasser des Wiener Nachtlebens geworfen. Für mich war es eine große Herausforderung, da diese Szene mir ja ganz neu war. Es war nicht immer leicht, Schule und Job unter einen Hut zu bringen, aber gleichzeitig wuchs die Faszination für das Nachtleben.
Wie ging es dann ins U4?
Am 8. Mai 1980 gingen alle nach dem Monte in ein neues Lokal in Meidling, das an diesem Tag eröffnet hat – das U4. Ganz Wien war dort! Eine neue Ära hatte begonnen. Kurze Zeit danach sperrte das Monte zu und ich bekam das Angebot von Ossi Schellmann (1.Besitzer des U4, Anm.), die Tür des neuen Kultlokals zu übernehmen.
Man kennt dich auch als Fotograf, wie ist es dazu gekommen?
Die 80er Jahre waren für Wien eine Zeit des Aufbruchs und das U4 ein wichtiger Ort für diese neu-entstehende Jugendkultur. Hier gab es die Möglichkeit frei zu experimentieren, Künstler aus dem In- und Ausland, abseits des Mainstreams fanden eine Bühne und Publikum in Wien. Das war ein sehr spannender Prozess, den ich unbedingt mittels Video und Fotografie dokumentieren wollte.
Welches Konzert oder welcher berühmter Gast ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Alle! Beeindruckend war die ganz junge Sade Adu, die 1983 noch vor Erscheinen ihres ersten Albums schon bei uns auf der Bühne stand. Es sollten noch so viele kommen, ich denke da an Prince, David & Angie Bowie, Johnny Depp, N’Sync mit dem jungen Justin Timberlake, Kurt Cobain mit Nirvana und Courtney Love, Robert Smith von The Cure, Marilyn Manson, Henry Rollins, The Fall, Die Toten Hosen sowie auch immer wieder die Ärzte, Rammstein, Einstürzende Neubauten, Jimmy Sommerville. Aber auch die heimische Musikszene hatte ihren Platz im U4 von Hansi Lang bis Falco, für den das U4 so etwas wie ein erweitertes Wohnzimmer war. Glücklicherweise gibt es auch eine Videoaufzeichnung mit Falco auf der Bühne von einem Auftritt mit Stefan Weber’s Drahdiwaberl. Jetzt alle österreichischen Musiker und Bands hier aufzuzählen würde den Rahmen sprengen.
Heutzutage treten immer wieder unter anderem berühmte DJ-Stars wie David Guetta, Roger Sanchez, David Morales und Jan Delay im U4 auf.
Wie hat das U4 diesen enormen Kult erworben?
Das U4 war der Ort, wo die verschiedensten Jugendkulturen, die bis dato eher nur innerhalb ihrer eigenen abgeschlossenen Communities blieben, aufeinandertrafen. In erstaunlicher Harmonie bewegen sich hier Punker und Banker, Rocker und Gruftis, Aristos und Lodenfreaks, bildende Künstler, Kreative und Studenten. Eine ganz besondere Mischung war entstanden: Underground!
Eine andere Innovation war die Erfindung der Clubbings, beginnend mit dem Montagsclub Flamingo über Werner Geier’s Demon Flowers, den donnerstäglichen Gay Club Heaven, bis zum noch heute sehr beliebten TuesdayClub. Aber auch der sonntägliche 60ies & 70ies Club Speak Easy, sowie der Senioren-Club, La Notte Italiana und La Paloma, die Classic-Night, sowie Boogie-Night und die heutigen Clubs Heartbreak Hotel am Mittwoch, Addicted to Rock am Freitag und Behave am Samstag machten und machen nach wie vor Furore.
Es kursiert die Geschichte, dass sich Johnny Depp mit Roman Polanski im U4 getroffen hat, um den Film „Die neun Pforten“ zu besprechen.
Nein, das stimmt so nicht. Johnny Depp wurde im Dezember 1997 mit seiner Band „P“ zu einer Modenschau in den Sofiensälen für ein Konzert gebucht und ich sollte ihn drei Tage lang als Bodyguard betreuen und chauffieren. Am zweiten Abend war er von Roman Polanski ins Raimundtheater zu „Tanz der Vampire“ eingeladen. Nach der Vorstellung fuhren wir alle zu „DO & CO“ ins Haas Haus, wo sich Johnny und Roman über vier Stunden angeregt unterhielten und ein gemeinsames Filmprojekt besprachen.
Johnny Depp ist doch auch im U4 aufgetreten.
Natürlich wollte ich Johnny unbedingt auch ins U4 bringen, was mir am dritten Abend dann auch gelang. Nach ungefähr einer halben Stunde kam sein Manager und bester Freund Sal Jenco zu mir und meinte, dass Johnny am nächsten Abend hier im U4 gerne spielen würde. Aus zwei Gründen: Einerseits als „Dankeschön“, dass ich ihn und seine Band so nett die Tage betreut habe und andererseits schaut zwar das U4 anders aus als sein In-Lokal „The Viper Room“ in LA, aber vom Feeling her sei es sehr ähnlich. Ich konnte es gar nicht glauben, da ich wusste, dass er für den Gig in den Sofiensälen 1,5 Millionen Schilling bekommen hatte - und jetzt schenkt er mir ein Gratiskonzert! Ich war sehr stolz.
Ein Jahr später traf ich ihn nochmal kurz am Flughafen Wien Schwechat da er für drei Stunden zu einer Ausstellung ins Kunsthaus kam.
Ich kann sogar behaupten, dass Kate Moss auf mich eifersüchtig war, da anscheinend Johnny Depp ihr von mir - Conny - erzählt hat und sie dachte, Conny sie ein Mädchenname! Bei einer Modelparty in New York traf der Wiener Agentur-Chef Pedro Müller Kate Moss und als sie erfuhr, dass er aus Wien sei, fragte sie ihn: „Who the fuck is Conny?“
Hast du Johnny seitdem wieder gesehen?
Leider war Johnny seit 1998 nicht mehr in Österreich, aber ich freue mich jetzt schon auf sein Konzert im Sommer auf Burg Clam, wo er mit Alice Cooper und Joe Perry von Aerosmith als „Hollywood Vampires“ auftreten wird!
Zur Person
Conny de Beauclair wurde am 23.02.1952 im Münchner Ortsteil Tivoli in eine alte Adelsfamilie geboren. Neben seiner Tätigkeit als Türsteher im U4 hat sich de Beauclair auch als Szenefotograf einen Namen gemacht. Seine Bilder kann man unter www.conny.at oder auf Connys Facebookseite ansehen. Er lebt seit 1972 im 5. Wiener Gemeindebezirk Margareten und im Sommer verbringt er seine Freizeit am Neufelder See. Im Jahr 2010 bekam de Beauclair das „Silberne Verdienstzeichen“ des Landes Wien von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny.
Hintergrund
Bericht:
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