Schilder für ganz Wien aus dem Innenhof
Seit 120 Jahren werden am Neubau jene Emailschilder hergestellt, die in ganz Wien Straßennamen verkünden.
NEUBAU. Durch einen schmalen Eingang in der Neubaugasse 63 gelangt man in einen ebenso engen wie liebevoll restaurierten Wiener Innenhof, in dem die Firma Johann & Alois Razim vor über 120 Jahren ihre Arbeit aufnahm. Schon vor dem Betreten der Werkstätten steigt einem der Geruch, den die 840 Grad Celsius heißen Brennöfen erzeugen, in die Nase. Zahlreiche Emailschilder flankieren die Wände des alten Stiegenhauses und dienen als Zeitzeugen für längst in Vergessenheit geratene Produkte und Firmen. Ernst Mrskos, ein Ururgroßneffe des Gründers, hat den Betrieb 2005 von seinem Vater übernommen und leitet seither mit viel Geschick und Liebe zum Detail das Familienunternehmen.
"Auch hier hat die moderne Technik den alten Maschinen und Werkzeugen den Rang abgelaufen", sagt Mrskos. Vor Jahren hat er seinen Job in der IT-Branche an den Nagel gehängt und sich seiner Wurzeln besonnen. Als ausgebildeter Silikattechniker, Keramiker und leidenschaftlicher Tüftler weiß er, wovon er spricht. Er findet immer wieder neue Wege, das Familienunternehmen in zeitgemäßer Struktur weiterzuführen, ohne dabei die Tradition dieses so selten gewordenen Handwerks außer Acht zu lassen. "Auf die Schnelle geht da gar nichts", bemerkt er kurz und bündig. Es soll sogar schon vorgekommen sein, dass Kunden während der Wartezeit auf das Werkstück verstorben sind, erzählt er mit einem Schmunzeln. Das morbide Wien lässt grüßen.
Trotz skurriler Anekdoten wird in der Regel sehr schnell gearbeitet. "Die Kunden sind aufgrund der hohen Qualität des Endprodukts sehr geduldig – wir sprechen von einem Fertigungszeitraum von zwei bis drei Wochen." Schlussendlich sei es auch schon vorgekommen, dass eine staatliche Behörde eine Tafel erst nach fünf Jahren reklamierte – als man nämlich einen fehlenden Buchstaben entdeckte.
Kleine Kunstwerke
Jedenfalls spürt man die Leidenschaft, mit der hier gearbeitet wird, Straßenschilder, Hausnummern, Hinweisschilder, aber auch historische Tafeln werden produziert. Nach der Fertigstellung sind sie teils wahre Augenweiden – kleine Kunstwerke, unvergänglich und ein wenig ans alte Wien erinnernd, als Uhrblätter noch von Hand bemalt wurden.
"Man hatte halt mehr Zeit, die Uhren drehten sich einfach langsamer", so der Nostalgiker.
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.