Blimlinger zu Grünen-Debakel: "Kein Wunderwuzzi in Sicht"
Wiens längstdienender Grüner Bezirksvorsteher muss am Ende seiner Karriere miterleben, wie seine Partei aus dem Parlament fliegt. Warum seine Weggefährten "alles in Frage stellen müssen" und wie es sich als Wiener Bezirksvorsteher unter einer schwarz-blauen Regierung arbeitet, erklärt Blimlinger im bz-Interview.
NEUBAU. Thomas Blimlinger ist seit mehr als 16 Jahren Neubauer Bezirksvorsteher. Er hat seinen Dienst angetreten, als die erste schwarz-blaue Koalition am Werk war. Am 30. November wird er an seinen Nachfolger übergeben - als politischer Mensch beabsichtigt er aber auch darüber hinaus, seine Meinung kund zu tun.
Hätten Sie erwartet, dass die Grünen aus dem Parlament fliegen?
THOMAS BLIMLINGER: Ich habe schon erwartet, dass wir verlieren, auch im Bezirk - aber mit einem Absturz in dieser Form habe ich nicht gerechnet. Wie in allen Innenbezirken hat die SPÖ auch am Neubau gewonnen - auf Kosten der Grünen.
Der Grund für das schlechte Abschneiden der Grünen wird aber wohl kaum in einem besonders guten Wahlkampf der SPÖ zu suchen sein.
Nein, aber viele Leute wollten Schwarz-Blau verhindern. Damit hat es die SPÖ geschafft, viele Leute auf ihre Seite zu ziehen.
Wo verorten sie die Fehler bei den Grünen?
Diese Fehler sind nicht nur in der jüngeren Vergangenheit zu suchen, sondern in den letzten Jahren. In Wien kommen noch Dinge dazu, die für Irritationen gesorgt haben: Peter Pilz, die Grüne Jugend, das Hochhaus am Heumarkt - nicht jedes für sich, aber in der Gesamtheit hat das sicher einige Leute davon abgebracht, die Grünen zu wählen. Und gerade für dieses Publikum ist die SPÖ die Alternative. Ulrike Lunacek hat keinen schlechten Wahlkampf geführt - aber sie hat nach dem Abgang von Eva Glawischnig ein schweres Erbe angetreten und hatte zu wenig Zeit.
Wie kann es jetzt weiter gehen?
Es muss einen Neustart geben. Wenn man nicht mehr im Parlament sitzt, muss man sich neu orientieren. Und "Neustart" muss hier heißen, alles in Frage zu stellen und komplett neu zu beginnen. Natürlich, die Grünen sind in Landesregierungen vertreten, das ist eine Basis. Aber auch finanziell wird es schwierig, die Partei ist verschuldet, das ist kein Geheimnis.
Was bedeutet das im Bezug auf die Inhalte der Grünen?
An den Inhalten selbst liegt es weniger, aber man muss sich fragen, wie man die Inhalte vermittelt. Soziale Gerechtigkeit wird zwar immer noch der SPÖ zugeschrieben - ob das aber in der Realität noch stimmt, ist eine andere Frage. Hier könnten sich die Grünen durchaus positionieren.
Maria Vassilakou hat heute im Ö1 Morgenjournal gesagt, der personelle Wandel komme erst zum Schluss. Wie sehen Sie das?
Naja, es muss eine Verantwortung der Bundesspitze geben, denn wenn man aus dem Parlament fliegt, ist das nicht irgendwas. Wie dann genau die zeitliche Abfolge der Dinge ist, wird man sehen. Vielleicht wird es auch eine Art Übergangslösung geben müssen, denn ein Wunderwuzzi, der in kürzester Zeit alles wieder richtet, ist nicht in Sicht.
Haben die Grünen überhaupt noch Wunderwuzzis? Lunacek und Felipe sind "verheizt" worden - wen gibt es denn da noch?
Die Entscheidung nach Eva Glawischnigs Rücktritt ist schnell gefallen und das war schon gut und notwendig so. Wenn Sie mich fragen, wer jetzt folgen soll, habe ich keinen Namen für Sie. Was mir aber ganz wichtig ist in dem Zusammenhang: Man darf da nicht nur 'in den Gremien' - wie es immer so schön heißt - die Lösung suchen, sondern man muss sich auch die Außensicht von Menschen holen, die Grün-Nahe sind. Auch von solchen, die nicht grün gewählt haben, aber ein Interesse daran haben, wie es mit den Grünen weitergeht.
In Wien bleibt es spannend: Michael Häupl hat angekündigt, Ende Jänner den Parteivorsitz abzugeben. Das könnte auch Folgen für die rot-grüne Koalition haben.
Es wird sicher nicht einfacher in der Koalition, weil die SPÖ mit diesem Ergebnis einen besseren Stand hat, auch wenn es keine Wiener Wahl war. Aber ich bin mir sicher, Häupls Nachfolger - und bisher ist nur Michael Ludwig in Sicht - würde die Koaltion fortführen.
Sie haben einmal erwähnt, dass in all den Jahren nur ein "Bundes-Grüner" jemals Rat bei Ihnen gesucht hat - das war der heutigen Bundespräsident Van der Bellen. Hat sich seit der Nationalratswahl jemand bei Ihnen gemeldet?
Nein, es hat sich niemand gemeldet.
Sie werden ja am 30. November an Ihren Nachfolger übergeben - wollen Sie im Polit-Ruhestand still mitverfolgen, was bei den Grünen weiter passiert oder planen Sie, sich weiterhin einzumischen?
Ich bin ein politischer Mensch, das legt man nicht ab und daher werde ich genau verfolgen, was passiert. Wenn ich das Amt des Bezirksvorstehers nicht mehr innehabe, werde ich mich einmischen - sofern gewünscht oder nicht gewünscht. Weil ich - wie schon erwähnt - glaube, dass Sichtweisen von Außen sehr wichtig sind.
Mit großer Wahrhscheinlichkeit wird es bald eine Koalition von ÖVP und FPÖ geben - als Sie als Bezirksvorsteher angefangen haben, war das unter Schwarz-Blau.
Die SPÖ wird sicher noch um eine Regierungsbeteiligung kämpfen - aber Schwarz-Blau ist die wahrscheinlichste Variante. Ich bin seit 2001 im Dienst, als Bezirksvorsteher hat man wenig mit bundespolitischen Themen zu tun. Ein Bereich, bei dem in Anbetracht einer schwarz-blauen Regierung die Sorge aber schon groß ist, ist der Sozialbereich - nicht zuletzt aufgrund der Ankündigungen von Sebastian Kurz und H.C. Strache. Wenn es hierfür weniger Geld gibt, dann würde man das in Wien schon stark spüren. Und was mich schon auch nachdenklich stimmt: So wie es aussieht, hat auch in Wien eine Mehrheit für Schwarz-Blau gestimmt.
Im Lichte dieses Ergebnisses: Glauben Sie, dass es zu Protesten wie bei der ersten Schwarz-Blauen Koalition im Jahr 2000 kommen wird?
Ich fürchte nein. Aber es wird ohnehin nicht darum gehen, dauerhaft Donnerstags-Demos zu veranstalten. Wichtig ist, ganz genau aufzupassen, was passiert und wo man Widerstand leisten muss.
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