Neues Buch über Personenaufzüge: Eine Geschichte, die bewegt
In seinem neuen Buch beschäftigt sich der Historiker und Stadtforscher Peter Payer mit der Geschichte der Personenaufzüge in Wien.
WIEN. Ihren Hang zur Nostalgie können die Wiener heuer mit einer Fahrt im Paternoster im Rathaus ausleben. Der Aufzug mit der offenen Kabine, bei dessen Betreten der Lift nicht anhält, feiert nämlich seinen 100. Geburtstag. "Wien ist die Welthauptstadt der alten Pasternoster. Allerdings sind aus Sicherheitsgründen nur mehr bestehende Anlagen erlaubt. Über kurz oder lang werden auch diese verschwinden", erklärt Peter Payer. Und er muss es wissen: Der Historiker, Stadtforscher und Kurator im technischen Museum hat vergangene Woche ein Buch über die Geschichte des Aufzugs in Wien auf den Markt gebracht.
Was trocken und streng technisch klingt, entpuppt sich als kurzweiliger Einblick in die soziale Kulturgeschichte unserer Stadt. Der Siegeszug des Verkehrsmittels von Frühformen im 18. Jahrhundert - Kaiserin Maria-Theresia ließ sich im Jahr 1772 in den Westfügel von Schloss Schönbrunn einen Holzlift einbauen - über den ersten modernen Lift im Palais Liebig in der Wipplingerstraße 1869 bis hin zu modernen Aufzügen wird nachgezeichnet. Zahlreiche Bilder zeigen, wie das Verkehrsmittel – und als solches ist es laut Payer zu bezeichnen – einst in gutbürgerlichen Häusern luxuriös ausgestattet mit Samtsitzbank und Messingspiegel die Bewohner transportierte.
Keine moderne Stadt ohne Lift
"Ein Aufzug war ein gefährt der Oberschicht, das in Palais und Hotels eingebaut wurde. Die Wiener waren von dieser Neuheit relativ ausgeschlossen. Erst bei der Weltausstellung 1873 hatten alle Wiener Gelegenheit, mit einem hydraulischen Lift, der ins Dach der Rotunde führte, zu fahren", erzählt Payer. "In zeitgenössischen Zeitungen wird das mulmige Gefühl des Emportragens beschrieben. Mit der Elektrifizierung Ende des 19. Jahrhunderts verbreiteten sich auch die Personenaufzüge." Der österreichische Techniker Anton Freissler ragte bei der Entwicklung der Aufzugstechnik international heraus und zählte mit seiner Firma ebenso wie das Wiener Unternehmen Wertheim zu den führenden Aufzugherstellern.
Interessant auch die alltagskulturellen Folgen des Liftfahrens: "Die Menschen mussten erst das Verhalten in der engen Kabine, in denen sich mehrere soziale Schichten befanden, lernen. Wo schaue ich hin? Beginne ich ein Gespräch? Es musste sich erst ein Gewöhnungseffekt einstellen", so Payer, der die Ausstellung "Zukunft der Stadt" im Technischen Museum kuratierte. "Eine moderne Stadt wäre ohne Aufzug nicht möglich. Die Stahlbetonweise und die Aufzüge haben eine moderne Stadt erst möglich gemacht", so Payer, der übrigens den Film "Fahrstuhl zum Schafott" mit Jeanne Moreau als Lieblingsfilm nennt. Auch die Wohnverhältnisse wurden durch den Aufzug revolutioniert. "Die Bel Etage hat ihre Vorrangstellung verloren. Alle Geschoße waren nun gleich bequem erreichbar und verwertbar." Den Trend, der Gesundheit zuliebe auf den Lift zu verzichten und die Treppe zu benutzen, kann Payer nachvollziehen. "Natürlich wären wir alle fitter, wenn wir nicht immer den Lift benutzen würden. Aber ich fahre einfach gerne mit dem Aufzug, ich mag dieses Gefühl des Emporgehobenwerdens. Hinunter gehe ich dann aber meist zu Fuß!"
Zur Sache
"Auf und ab. Eine Kulturgeschichte des Aufzugs in Wien" von Peter Payer ist als Hardcover im Brandstätter Verlag erschienen, hat 200 Seiten mit 150 Abbildungen und kostet 34,90 Euro. ISBN: 978-3-7106-0198-9
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