Episoden aus meinem Leben - Parteizugehörigkeit
Episoden aus meinem Leben
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Was mich zu dieser freudigen Gewissheit geführt hat, am ersten Mai 2018 am Rathausplatz offen meine Überzeugung zur Schau zu tragen?
Ein stark vereinfachter Rückblick, beginnend im Jahr 1888: In diesem Jahr wird beim Jahreswechsel zu 1889 von Viktor Adler die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) nach deutschem Vorbild ins Leben gerufen. 1893 wird von Karl Lueger, dem späteren Bürgermeister von Wien, die großbürgerliche, klerikale und antisemitische Partei der Christlichsozialen (CS) gegründet. Später, im Jahr 1933 wird die Vaterländische Front (VF) von Dollfuss konstituiert und der Republikanische Schutzbund, die paramilitärische Organisation der Sozialdemokraten, verboten. Verboten werden auch die NSDAP und die KPÖ. 1933 nützt Dollfuss eine Geschäftsordnungsdebatte bei der Diskussion über einen Eisenbahnerstreik zur Auflösung des Nationalrats und zur Begründung des autoritären Ständestaats. Unmittelbar nach den Februarkämpfen 1934 wird die sozialdemokratische Partei verboten und die christlichsoziale aufgelöst.
Meine Mutter wählt wie die meisten Christen die Partei der Christlichsozialen. Ende 1933 konvertiert sie mit 28 Jahren, missioniert von einem väterlichen Freund, von der evangelischen zur katholischen Konfession.
Mein Vater ist zu dieser Zeit katholisch und Angestellter der Reichsbahn, also Mitglied der sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Die Sozial-Enzyklika „Quadragesimo anno“ von Pius XI. aus dem Jahr 1931 („Es ist unmöglich, gleichzeitig guter Katholik und wirklicher Sozialist zu sein.“), die bei den Sozialdemokraten zum Thema geworden ist, bringt ihn dazu, an seinem 37. Geburtstag, dem 25. November 1936, zur evangelischen Kirche überzutreten. Ihm ist dabei nicht bewusst, dass die protestantischen Christen zwar nicht direkt gegen die Sozialdemokratie, aber mehr als die Katholiken dem Dritten Reich positiv gegenüberstehen.
Obwohl er im Auftrag der Nationalsozialisten Hakenkreuze aus Blech schneidet, um seinen und damit den Unterhalt unserer Familie zu verdienen, ändert das nichts an seiner Einstellung zur mittlerweile verbotenen Sozialdemokratie. Das ist umso verständlicher, als er im Nationalsozialismus durch seine Beinamputation in Gefahr gerät, der Kategorie des „lebensunwerten Lebens“ zugeordnet zu werden. Er kommt davon.
Ich hingegen bin im Katholizismus verankert, hat doch meine Mutter hinsichtlich religiöser Belange mehr Einfluss auf mich als mein Vater. Nach der Trennung von ihrem Mann sind wir ohnehin auf uns allein gestellt. Nicht von ungefähr ermöglicht mir das die Chance, in einem klösterlichen Internat das Gymnasium zu besuchen, weil eine höhere Ausbildung sonst aus finanziellen Gründen nicht möglich wäre. Wen wundert es also, dass ich mich nun der Volkspartei zugehörig fühle. Bei der Nationalratswahl 1962 wähle ich also die ÖVP. Schon vorher habe ich der Mutter, als sie meine persönliche Meinung wissen wollte, empfohlen, für diese Partei zu stimmen.
Von 1965 bis 1969 bin ich im Ausland und kann mich daher nicht an österreichischen Wahlen beteiligen. Ab 1970 stimme ich für die ÖVP, ohne mir allzu viele Gedanken zu machen. Das Wahlverhalten ist zu diesem Zeitpunkt auch kein Thema zwischen meiner Frau und mir. Ihr Vater, den ich nie kennen gelernt habe, votierte 1938 wie so viele andere für den Anschluss an Deutschland.
1989 trenne ich mich von der Mutter meiner Tochter und lerne kurz darauf eine Frau kennen, von der sich sehr bald herausstellt, dass sie zu meiner dauerhaften Partnerin wird. Sie hat politisch eine klare Meinung und engagiert sich in ihrer Partei, der SPÖ. Dort bringt sie ihre individuelle Überzeugung ein, obwohl diese manchmal gegen die aktuellen Strömungen in dieser Gemeinschaft spricht.
Sie bringt mich zum Nachdenken über meine persönliche politische Haltung. Ich denke dabei an meinen Vater und dessen Überzeugung, die ganz eindeutig war. Mein künftiger neuer Schwiegervater, der ein selbstloser politischer Funktionär der sozialistischen Partei ist, bewegt mich dazu, Parteimitglied der SPÖ zu werden. Damit finde ich politisch ein neues Zuhause. So etwas hatte ich davor nie gehabt, weil mich andere Fragen und nicht die einer politischen Orientierung beschäftigten.
Jetzt ist die rein gefühlsmäßig begründete Motivation, am Stimmzettel an bestimmter Stelle ein Kreuz zu machen, einer wohl durchdachten und dadurch selbstverständlichen Haltung gewichen. Das lässt mich so froh und offen meine Überzeugung zur Schau tragen. Aber ich weiß jetzt aus Erfahrung, dass solche Entscheidungen mit verschiedenen Anschauungen und Erfahrungen im Umfeld zu tun haben.
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