Im Auftrag der Physik: 2 Millionen Euro Förderung für Stefan Mülleggers Grundlagenforschung

Stefan Müllegger stammt aus Bad Ischl und hat eine Karriere in der Physik gemacht. | Foto: JKU Linz
  • Stefan Müllegger stammt aus Bad Ischl und hat eine Karriere in der Physik gemacht.
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BAD ISCHL, LINZ. Der gebürtige Bad Ischler Stefan Müllegger arbeitet an der JKU in Linz und hat sich auf Festkörperphysik spezialisiert. Für die ZukunftsRundschau hat er uns Einblick in seinen Alltag gegeben.

BezirksRundschau: Festkörperphysik hört sich sehr spannend an, aber was genau ist das eigentlich?
Stefan Müllegger: Festkörperphysik ist ein sehr breites Teilgebiet der Physik. Es umfasst alle festen Stoffe und beschreibt deren physikalische Eigenschaften sowohl experimentell als auch theoretisch, wie z.B. elektrische Leitfähigkeit, Magnetisierung, Wärmeleitfähigkeit, kristalline Struktur, optische Brechzahl, etc.
Typischerweise unterscheidet man innerhalb der Festkörperphysik nochmals je nach Materialsystem, wie z.B. Supraleiter(physik), Halbleiter(physik), Metall(physik), Oberflächenphysik.

Was hat sich auf diesem Gebiet in den letzten Jahren getan?
Man kann sagen, dass die Festkörperphysik ganz wesentlich den technologischen Fortschritt der letzten Jahrzehnte ermöglicht hat. Eine kleine Auswahl jüngerer Physik-Nobelpreise, wo die Festkörperphysik eine zentrale Rolle spielt:

  • 2016 "for theoretical discoveries of topological phase transitions and topological phases of matter"
  • 2014 "for the invention of efficient blue light-emitting diodes which has enabled bright and energy-saving white light sources" … dies ermöglicht die heutigen LED-Monitore.
  • 2010 "for groundbreaking experiments regarding the two-dimensional material graphene"
  • 2007 "for the discovery of Giant Magnetoresistance" … dies ermöglicht z.B. die 3.5” Harddisk-Speicher (HDD Festplatten) mit riesengroßem Speicherplatz von mehreren Terabyte.

Sie arbeiten derzeit an „Single-Atom Radio Frequency Fingerprinting“, also dem Fingerabdruck von Atomen. Was kann man sich darunter vorstellen und welchen Nutzen kann man (später) daraus ziehen?
Meine Forschung beschäftig sich mit der Frage, wie man einzelne Atome und Moleküle chemisch identifizieren kann; insbesondere entwickeln wir dazu eine experimentelle Messmethode. Wir verbinden zwei etablierte Messmethoden, die sich gegenseitig sehr gut ergänzen, nämlich die "Rastertunnelmikroskopie" und die "Mikrowellenspektroskopie". Damit ist es gelungen, chemische Fingerabdrücke einzelner Atome zu nehmen. Vergleichbare Methoden benötigen viele Milliarden von Atomen gleichzeitig. Unsere Methode begnügt sich mit einem Einzigen – und nur einem.
Bereits seit Längerem können Physiker mit Hilfe von Rastertunnelmikroskopen einzelne Atome und Moleküle “fotografieren”. Die Schwierigkeit dabei ist, dass das Bild allein nicht verrät, welche Atome es sind. Durch zusätzliche Mikrowellenstrahlung bringen wir das Einzelatom zum Schwingen. Ähnlich wie die Saiten einer Gitarre schwingen verschiedene Atome unterschiedlich schnell und verraten so, welchem chemischen Element sie angehören.

Und warum ist das für Sie so interessant?
Zum einen ist es die wissenschaftliche Neugier, unter anderem die Frage "Inwiefern verhält sich das Einzelatom anders als ein Kollektiv aus vielen Atomen?" Aber auch wegen der technologischen Relevanz: Funktionen wie Schalten, Speichern und Rechnen übernehmen künftig einzelne Atome und Moleküle. Um solche “Bauteile” und Anwendungen zu entwickeln, braucht man hochpräzise Analysewerkzeuge quasi als Augen, Ohren und Finger der Nanowissenschaften. So ein Analysewerkzeug entwickelt meine Arbeitsgruppe.
Kürzlich wurde meine Grundlagenforschung mit dem begehrten „Consolidator Grant“ des Europäischen Forschungsrats (ERC) belohnt. Mit dieser Förderung von 2 Millionen Euro für die kommenden fünf Jahre möchte ich meine Forschergruppe vergrößern und neue Messgeräte kaufen. Zusätzlich ünterstützt wird meine Forschung von der Johannes Kepler Universität Linz und dem Land OÖ.

Was hat Sie zu einer Karriere als Wissenschaftler bewogen, wann haben Sie sich dafür entschieden und warum ist es genau dieses Fachgebiet geworden?

Die Physik interessierte mich schon immer. Ich habe bereits mehrmal das Fachgebiet innerhalb der Physik gewechselt: zuerst OLEDs (Prototypen-Entwicklung), dann Wachstum und Struktur dünner Filme, dann Wirkstoff-Moleküle auf Oberflächen und schließlich unser neuartiges “single-atom radio frequency fingerprinting”. Jedes Mal reizte mich dabei die Herausforderung, Neuland zu betreten.

Wie sieht der Alltag eines Wissenschaftlers aus?
Mein Alltag beinhaltet unter anderem das Lesen von Fachpublikationen, Betreuen meiner Studierenden in meiner Arbeitsgruppe, d.h. praktisches Anleiten im Labor, Hilfestellung beim Verfassen wissenschaftlicher Texte und wissenschaftliches Diskutieren, Planen und Durchführen von Experimenten, Analysieren von Messdaten, Vorbereiten und Abhalten von Vorlesungen und Prüfungen (regelmäßiger Lehr- und Prüfungsbetrieb). Aber auch die Wartung, Betrieb und Weiterentwicklung meines experimentellen Messaufbaus (Labor), das Verfassen wissenschaftlicher Publikationen, Organisieren und Verwalten meiner Forschungsgruppe (Projektmitarbeiter und Studierende), Verfassen von Förderanträgen (z.B. Drittmittelprojekte), Mitarbeit in Gremien der JKU, die Mitarbeit bei der Organisation unserer Abteilung und die Teilnahme an internationalen wissenschaftlichen Konferenzen und Vortragstätigkeit.
Meine Freizeit verbirnge ich meiner Frau Waltraud in der Natur. 

Die „Wissenschaflter“ von „The Big Bang Theory“ bringen seit gut einem Jahrzehnt Themen wie Physik & Co den Fernsehzuschauern näher. Kennen Sie diese Fernsehserie und falls ja, wie stehen Sie zu dieser Darstellung der Physik(er) – stark „verhollywoodysiert" oder doch einigermaßen nah an der Realität?
Ich kenne die Serie. Die physikalischen Themen sind recht genau recherchiert und auch aktuell. Die Laborräume und Büros wirken sehr authentisch. Die Darstellung der Physiker ist nicht sehr weit von der Realität entfernt.

Wo sind Sie aufgewachsen, wo zur Schule gegangen?
Geboren und aufgewachsen bin ich in Bad Ischl, danach habe ich die Volksschule Reiterndorf und das Gymnasium (BRG) Bad Ischl besucht, wo ich dann auch maturiert habe.

Wie sieht Ihr weiterer Werdegang aus?

  • Studium der Technischen Physik an der TU Graz, Abschluß (Dipl. Ing.) 2002, bei Prof. Günther Leising, Thema: Entwicklung von OLEDs.
  • Doktorarbeit an der TU Graz, Abschluß (Dr. techn.) 2005, bei Prof. Adi Winkler, Thema: Maßgeschneiderte Dünnfilme aus halbleitenden Molekülen.
  • 2006 R&D Angestellter, Borealis Polyolefine GmbH, Linz.
  • 2007 Universitätsassistent, JKU Linz, Abteilung Festkörperphysik, bei Prof. Reinhold Koch, Thema: Tieftemperatur-Rastertunnelmikroskopie an Einzelmolekülen.
  • 2011 Assistant Professor, JKU Linz, Abteilung Festkörperphysik, Beginn des Aufbaus meiner eigenen Forschergruppe und Entwicklung eines neuartigen Meßverfahrens, der sog. Radiofrequenz-Rastertunnelmikroskopie.
  • 2014 Habilitation (venia docendi) in Experimentalphysik, JKU Linz, Abteilung Festkörperphysik.
  • Seit 2014 Assoziierter Professor, JKU Linz, Abteilung Festkörperphysik.
  • Wie sind Sie schließlich an die JKU gekommen?
  • Nach meiner Promotion (TU Graz) wechselte ich in die industrielle Forschung (Borealis, Linz). Dann wurde ich auf eine Karrierestelle (d.h. mit langfristiger Perspektive) in der Abteilung Festkörperphysik an der JKU Linz aufmerksam. Bewerbung. Erfreulicherweise bekam ich die Stelle.
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