Katastrophenarbeit des Roten Kreuzes: "Und plötzlich waren wir Brennpunkt"

Die Schwierigkeit in Achleiten: Alles "human" abzuwickeln – die Menschen schliefen im Freien bei 5 Grad in der Nacht. | Foto: Rotes Kreuz
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BEZIRK SCHÄRDING (ska)."Seit 25 Jahren arbeite ich im Notarztdienst und habe dabei schon viel gesehen. Aber diese Schicksale waren das Forderndste in meinem Leben", erinnert sich Bezirksrettungskommandant Josef Hamedinger an die Flüchtlingswelle. 

Diese humanitäre Katastrophe, die den Bezirk Schärding unerwartet getroffen hat, hat die Einsatzkräfte genauso wie das Hochwasser zwei Jahre zuvor vor massive Herausforderungen gestellt. "Der Bezirksalarm ging in der Nacht des 13. September 2015 ein", erinnert sich Hamedinger. "Wir bekamen die Information, dass in den nächsten Stunden Menschen aus Syrien, dem Irak und anderen Ländern zu uns kommen werden." Dass es am Ende fast 100.000 werden, sei da noch nicht absehbar gewesen. 

"Wir mussten tausende Menschen mit Essen, Kleidung und Medizin versorgen, vor der Kälte schützen und Sanitärmöglichkeiten bereit stellen."

Josef Hamedinger, Bezirksrettungskommandant in Schärding, über die Flüchtlingswelle 2015

Und wie hat das Rote Kreuz reagiert, als dieser Alarm einging? "Zusammen mit dem Katastrophenstab haben wir Quartiere gesucht und eins in der Rotkreuz-Ortsstelle in Schärding, später in der Stockhalle in Esternberg und im alten Altersheim in der Tummelplatzstraße eingerichtet", schildert der Rettungskommandant. Speziell logistisch war das eine Herausforderung: "Wir mussten tausende Menschen mit Essen, Kleidung und Medizin versorgen, vor der Kälte schützen, und Sanitärmöglichkeiten bereit stellen." Besonders schwierig war die Situation in Achleiten, Freinberg. "Weil die deutsche Polizei die Grenze reguliert hat, kam es zu einem Rückstau. Die Menschen schliefen im Freien bei nur 5 Grad in der Nacht." Als schließlich das Flüchtlingszelt aufgebaut wurde, habe alles kontrolliertere Formen angenommen. Aber der "Menschenstrom" sei dennoch nur bewältigbar gewesen, weil hunderte Mitarbeiter und Freiwillige aus dem Roten Kreuz, der Caritas, aus den Pfarren und vom Team Österreich sofort mitgeholfen haben. 

Mit Schaufeln angerückt aus Vorarlberg: Freiwilligen-Einsatz beim Hochwasser war enorm

So auch beim Hochwasser 2013: "Vorarlberger sind mit einem Bus gekommen, mit Schaufeln ausgerüstet und haben gefragt, 'Wo können wir helfen?' Andere brachten Kuchenspenden oder Mineralwasser." Denn das war eine der drei Aufgaben des Roten Kreuzes während der Flut – die Versorgung aller Einsatzkräfte mit Essen in der Bezirksstelle in Schärding und zwar in Zusammenarbeit mit den Küchen des Krankenhauses und des Altenheimes. Eine weitere Aufgabe war es, den betroffenen Menschen im Hochwassergebiet direkt zu helfen. "Wenn Feuerwehr und Bundesheer den Schlamm beseitigt hatten, rückten wir an." Für manche stellte das Rote Kreuz Notunterkünfte bereit. Andere wurden vom Psychosozialen Dienst betreut.
Was bei aller Katastrophenarbeit aber nicht zu kurz kommen durfte, war der normale Dienstbetrieb: "Obwohl es viele Straßensperren gab, warteten unsere Klienten auf ihr Essen auf Rädern, Verbandswechsel oder auf die Unterstützung beim Waschen", schildert Hamedinger. Auch der Notarztdienst war plötzlich nicht mehr so mobil wie erforderlich. Deshalb richteten Hamedinger und Notarzt Thomas Laherstorfer kurzerhand einen "Sauwald NEF" beim Rettungskommandanten zuhause in Schardenberg ein. 

Was sind die ersten Schritte des Roten Kreuzes im Katastrophenfall?

"Schon lange bevor es zum Alarm kommt, ist ein wesentlicher Teil der Arbeit zu leisten", sagt Hamedinger und meint die Übungen, die gewährleisten sollen, im Großschadensfall rasch und kompetent handeln zu können. 

Kommt es schließlich zur Katastrophe, macht sich der Einsatzleiter zunächst ein Bild von der Lage und beurteilt diese, um anschließend die richtigen Maßnahmen setzen zu können. Bei einem Zugunglück mit vielen Verletzten seien diese andere, als etwa bei einem Hochwasserversorgungseinsatz. Besonders wichtig für die Einsatzleitung sei jedenfalls der Informationsaustausch mit den anderen Einsatzorganisationen. "Im Bezirk Schärding kennen sich alle Verantwortlichen sehr gut", sagt Hamedinger. "Bei einem Anlassfall greifen wir da sehr rasch zum Telefon und tauschen Informationen zur Lage aus." 

So viele Rot-Kreuzler wie fast nirgends in Oberösterreich

Mit 1557 ehrenamtlichen, 46 beruflichen sowie 131 Mitarbeitern in der ambulanten Pflege ist das Rote Kreuz im Bezirk Schärding oberösterreichweit ganz vorne dabei. "Als einer der kleinsten Bezirke haben wir eine der größten Bezirksstellen", sagt Bezirksgeschäftsleiter Florian Kurz. Das liege unter anderem am großen Leistungsspektrum des Schärdinger Roten Kreuzes: "Die wohl bekannteste Sparte ist der Rettungsdienst", sagt er. "Aber es gibt in den sozialen Diensten viel mehr Angebote, wie den Sozialmarkt, den Besuchsdienst, Essen auf Rädern, Rufhilfe, betreutes Reisen, Pflegebettenverleih, Vitales Wohnen, Betreubares Wohnen, Krisenintervention und noch mehr." 

Mit diesem Leistungsangebot und als größte humanitäre Hilfsorganisation ist das Rote Kreuz stets auf der Suche nach neuen Mitarbeitern in allen Berichen. Speziell gesucht wird derzeit im Donautal für den Rettungsdienst in der Ortsstelle Engelhartszell. "Grundsätzlich sind wir gut aufgestellt, aber darauf darf man sich nicht ausruhen", sagt Kurz und nennt auch die Herausforderungen, die auf das Rote Kreuz in naher Zukunft zukommen werden: "Von Rotkreuz-Mitarbeitern wird immer mehr Qualität und Professionalität gefordert", merkt der Bezirksgeschäftsleiter. Fehler werden ihm zufolge heute viel schneller und intensiver kritisiert. "Wir möchten aber unseren Freiwilligen Sicherheit geben. Deshalb muss noch viel mehr Augenmerk auf eine besonders gute Ausbildung gelegt werden." 

Außerdem möchte das Rote Kreuz zeigen, dass es auch als Verein punkten kann. "Es darf nicht allein darum gehen, neue Mitarbeiter zu lukrieren, sondern 'alte' zu halten", sagt Kurz. "Deshalb möchten wir herausfinden, was unseren Freiwilligen gefällt und so die Zufriedenheit steigern und die Verweildauer bei uns verlängern."

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