Interview: "Diese Kinder haben Spaß daran, jemanden zu erniedrigen"

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VILLACH (aw). Mobbing kann jeden treffen. Und Existenzen zerstören. Deshalb gibt es keine Toleranz, besonders wenn Heranwachsende betroffen sind, betont der Psychotherapeut Martin Sakrausky. Mit der WOCHE spricht er über Opfer und Täter und die wichtige Rolle von Eltern und Lehrer in Mobbing-Sitationen. 

Wo beginnt Mobbing? 
Die Grenze zwischen einer Konfliktsituation und Mobbing ist dann überschritten wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Zuerst einmal muss eine Schädigungsabsicht vorliegen. Was bedeutet, aggressives und gewalttätiges Verhalten. Der zweite Aspekt ist der Wiederholungsaspekt. Die schädigende Handlungen treten wiederholt und systematisch  über einen längeren Zeitraum auf.

...wie lange ist länger?
das ist subjektiv. Für mich bedeutet der längere Zeitraum etwas anderes wie für einen Klienten. Das kann über Wochen, aber auch über Monate gehen. In den meisten Fällen trauen sich die Opfer ja nichts zu sagen.

Warum?
Wenn sie zugeben würden, gemobbt zu werden, müssten sie damit auch zugeben, in der Hierarchie sehr weit unten zu stehen. Und das gibt keiner gerne zu.

...Schädigungsabsicht und Wiederholung. Das ist Mobbing?
Es kommt noch ein Machtungleichgewicht hinzu. Das ungleiche Kräfteverhältnis zwischen Täter und Opfer, psychisch oder physischer Natur. Und zuletzt noch ein Leidensdruck. Die Hilflosigkeit der Opfer.

Apropos Opfer. Ist jeder gleich anfällig für Mobbing?
Im Prinzip kann es jeden treffen. Es hängt nicht von Äußerlichkeiten ab. Gefährdet sind Schüler, welche die vorherrschenden Werte der dominierenden Schüler ("leading Clique"), nicht erfüllen können oder wollen. Also solche, die ein wenig anders sind, als andere.

Diese Kinder haben Lust und Spaß jemand anderen zu erniedrigen. 

Was zeichnet Täter aus, warum tun sie das?
Mobber sind sozial geschickt, haben große soziale Kompetenzen und wissen das auch auszunutzen. In der Regel suchen sie sich leichte Opfer aus. Solche, die sich nicht wehren können...

Aber warum tut ein Kind das dem anderen an?
Viele Täter waren selbst einmal Opfer. Etwa im Kindergarten oder in der Familie. Sie sind frustriert. Dann findet diese Person auf einmal jemanden der alleine ist, der schwächer ist. 
Man erhöht sich selbst durch die Erniedrigung des anderen. Das Ziel des Mobbers ist die soziale Ausgrenzung des anderen. Das Gefühl der Überlegenheit, der Macht, Aufmerksamkeit zu bekommen. Mobber haben erschreckenderweise in den Klassen einen hohen sozialen Status. Und sie weisen nicht selten mangelnde Epathiefähigkeit auf.

Ist das angeboren?
Nein, das ist anerzogen. Diese Kinder haben dann Lust und Spaß jemanden zu erniedrigen.

Das klingt extrem...
Absolut. Nicht selten werden daraus - ohne Therapie - später Jugendliche, die straffällig werden.

Ist Mobbing an ein Alter gekoppelt, ab wann beginnt Mobbing?
Bereits in der Volksschule. Natürlich st die Planbarkeit, der Vorsatz, noch nicht so gegeben. 

Wann sollten bei Eltern die Alarmglocken läuten?
In der Schule gibt es fast immer einen Leistungsabfall. Dann Schulverweigerung und Ängste aller Art, körperliche Beschwerden. Oft treten Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, und Schlafstörungen auf. Es kommt immer wieder zu Phasen des krank seins. Der Verlust des Selbstwertes. Das geht hin bis zu depressivem Verhalten.

Wie sollte man in so einer Situation reagieren?
Was über dem allem steht, ist, Zeit für das Kind zu haben. Auch wenn es den Anschein macht, kein Interesse an der Beziehung zu haben. Gute Zeitpunkte finden, wann der Jugendliche bereit ist zu reden. Sich Zeit zu nehmen, das wird heute leider vernachlässigt...

Hat sich das in den vergangenen Jahren geändert?
Ja. Familienzeit ist ein rares Gut geworden. Meistens sind beide berufstätig. Die Kinder sind in der Nachmittagsbetreuung, man sieht sich am Abend. Wenn man selbst weder Energie noch Zeit hat, feinfühlig zu sein, wird man auch den Zugang nicht finden. Und wird an auch das Problem nicht lösen. 

Und, wie löst man es?
Bei Mobbing gilt null Toleranz. Es geht ja nicht nur um den schulischen Leistungsabfall, sondern auch Suchtmittelmissbrauch, Depressionen, Alkohol,.... gerade in Villach ist das ein großes Thema. Das geht bis hin zu Suizidgedanken und suizidalen Handlungen. 

Was können die ersten Schritte sein?
Das Selbstvertrauen des Kindes stärken, mit ihm in die Schule gehen, zu Lehrer und Direktor. Dran bleiben, aktiv werden, Gespräche suchen. Und vor allem, beharrlich bleiben. 
Wenn sich das Kind endlich öffnet, erwartet es auch, dass etwas passiert. 
Und, was leider oft vergessen wird, Beweise des Mobbings so gut wie möglich dokumentieren. Mitschreiben, vielleicht sogar ein Tagebuch führen. 

Und was tut man im Fall, dass das eigene Kind "Täter" oder "Zuschauer" ist?
Auf jeden Fall mit dem Kind sprechen, emphatisch reagieren. Und den Klassenlehrer miteinbeziehen. Auch Täter brauchen dringend Hilfe. 

Vielen Dank für das Gespräch!

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Sakrausky | Foto: Hannes Pacheiner
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