"Noten sagen nichts über den Entwicklungsstand aus"

Jasmin Ruprecht ist klinische Gesundheits- & Arbeitspsychologin, Psychotherapeutin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. | Foto: kk
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VILLACH (aw). Für tausende Schüler im Land steht die Stunde der Wahrheit an. Sie bekommen ihr Zeugnis. Doch, wie wichtig sind gute Noten eigentlich? Die WOCHE fragte die Villacher Psychologin Jasmin Ruprecht.  

Wie jedes Jahr, dreht sich zu Ende des Schuljahres alles um die lieben Noten. Sind sie gut oder schlecht, wie geht es weiter und was werden die Eltern sagen. Wie wichtig sind Noten tatsächlich und was sagen Sie über den Entwicklungsstand unserer Kinder aus?
Man muss hier eindeutig differenzieren. Halten wir uns zunächst einmal die Aussagekraft von Noten vor Augen. Was sind Noten? Sie sind eine Momentaufnahme, die Summe punktuell abgefragter Leistungen. Aus meiner Warte sind Schulnoten nicht aussagekräftig. Ich bevorzuge andere Systeme.

Zum Beispiel?
Eine Beurteilung nach dem Montessori-Prinzip etwa. Schüler bekommen eine schriftliche Beurteilung, in der in erster Linie Positives hervorgehoben wird. Natürlich wird auch auf Schwachpunkte hingewiesen. Aber in erster Linie steht immer der Mensch als Ganzes.

Noten sind also nur bedingt aussagekräftig?
Meiner Meinung nach sagen sie nichts über den Entwicklungsstand eines Schülers aus. Eine Note ist ein punktuelles Abrufen von gelerntem Wissen. Was ist aber mit den Rahmenbedingungen, vielleicht hat der Prüfling schlecht geschlafen, ist nervös oder hat Angst vor dem Lehrer? Mit einer Momentaufnahme kann unmöglich auf die Entwicklung eines Menschen rückgeschlossen werden.

Aber fehlt bei einer solchen alternativen Beurteilung nicht die Vergleichbarkeit?
Also meiner Meinung nach, sollen Menschen nicht miteinander verglichen werden. Jedes Kind, jeder Schüler und Jugendlicher ist ein Individuum.

Aber das Vergleichbare ist notwendig z.B. für die Aufnahme in eine höhere Schule.
Warum geht das nicht mit einer alternativen Bewertung? Auch ein sprachliches Aufnahmeverfahren wäre durchaus denkbar. Aber das wiederum wäre natürlich ein großer Aufwand.
Um einen Heranwachsenden - rein kognitiv - zu beurteilen benötige ich 2 bis 3 Stunden.

Also fehlt hier auch die Motivation seitens der Lehrer?
Nun ja, welcher Lehrer würde schon freiwillig seine Freizeit damit verbringen, seitenlange Bewertungen zu schreiben?

Gibt es eine Schulstufe, ab der Sie mit Noten "leben könnten"?
Ich denke, dass es generell auch ohne funktionieren würde. Ob es umsetzbar ist, ... Aber zumindest in der Volksschule fände ich ein alternatives Burteilungssystem besser. Also bis 10 Jahre. Wenn ein Kind mit einer "schlechten" Note bestraft wird, was löst das im Kind aus? Es verliert die Freude am Lernen. Bis zur Schule lernen Kinder freiwillig, danach versucht man nur noch Wissen in sie hineinzustopfen.
In manchen Schulen wird das bereits angeboten, aber noch sehr sporadisch, vor allem in den ländlichen Gegenden.

Was löst Leistungsdruck in Kindern aus?
Da würde ich die Benotung nicht zum Sündenbock manchen. Der Leistungsdruck selbst kommt nicht primär aus den Noten. Leistungsdruck ist etwas, das bereits im Elternhaus geprägt wird. Bis zum 6. Lebensjahr ist die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes im Großen und Ganzen abgeschlossen. 
Nimmt ein Kind bis dahin Elternteile als Personen wahr, für die Arbeit einen großen Stellenwert einnimmt, die ehrgeizig und zielstrebig sind, wird es das Verhalten maßgeblich übernehmen.

Das Schulsystem ist also nicht der entscheidende Faktor?
Es sollte ein Zusammenspiel sein. Sobald ein Kind in die Schule kommt, wird der Lehrer eine wichtige Bezugsperson. Wenn ein Kind Angst vor dem Lehrer hat, wie soll es dann gute Noten bekommen? Angst macht "dumm". Das ist bewiesen.

Wie könnte man das Schulsystem verbessern?
Darüber könnte man stundenlang diskutieren. Ein Punkt wäre es die Ausbildung der Lehrer weiterzuentwickeln. In den meisten Lehrplänen fehlt die psychologische Komponente zur Gänze.

Vielen Dank für das Gespräch!

Jasmin Ruprecht ist klinische Gesundheits- & Arbeitspsychologin, Psychotherapeutin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. | Foto: kk
Arbeitet seit mehr als 15 Jahren mit Schülern, Eltern und Lehrern | Foto: kk
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