Paten für Grabsteine am verfallenen Jüdischen Friedhof Währing gesucht – mit Video
Ein Rundgang mit Jennifer Kickert am Jüdischen Friedhof Währing, für dessen Erhalt die grüne Abgeordnete kämpft.
WÄHRING. Jennifer Kickert stolpert über einen Ast, der auf dem verwilderten Boden zwischen Scheinerdbeeren und Brombeersträuchern liegt. "Seit zwölf Jahren ist der Friedhof für die Öffentlichkeit gesperrt, da die Grabsteine nicht mehr standsicher und die 150 Jahre alten Bäume nicht bruchfest sind", erklärt die grüne Gemeinderätin und führt zu einem schiefen Grabmal. "Hier ist Fanny von Arnstein beerdigt. Ihr Salon zählte Ende des 18. Jahrhunderts zu den bedeutendsten in Wien. Sie hat den Brauch des Christbaums von Berlin nach Wien gebracht", erklärt Kickert und lässt den Blick über den Währinger Friedhof schweifen, dessen moosüberwucherten, verwitterten Grabsteine und offene Gruften perfekt zu den dunklen Regenwolken passen.
Der Verfall des Jüdischen Friedhofs Währing muss dringend aufgehalten werden.
Von 1784 bis 1880 wurden in dem rund 20.000 Quadratmeter großen Gottesacker zwischen Schrottenbachgasse und Döblinger Hauptstraße, der sowohl im 18. als auch im 19. Bezirk liegt, 30.000 Menschen beerdigt. "Dieser Biedermeierfriedhof ist Teil der Geschichte Wiens. Man findet Namen, die die Ringstraße mitgestaltet haben, das Rudolfinerhaus oder das akademische Gymnasium ermöglicht haben", erklärt Kickert, die 2011 die Koordination der Freiwilligentage, an denen grobe Rodungsarbeiten durchgeführt werden, von dem ehemaligen grünen Landtagsabgeordneten Marco Schreuder, der sich seit 2006 für den Erhalt des Friedhofes einsetzte, übernommen hat.
Verein zur Konservierung des Friedhofes
Vor einem Jahr wurde der Verein "Rettet den Jüdischen Friedhof Währing" gegründet, dessen Sprecherin Kickert ist. "Ziel des Vereins ist es Großspender zu erreichen, die zur Sanierung beisteuern oder die Patenschaft für einen Grabstein übernehmen. Zwar sind die Israelitische Kultusgemeinde und die Gemeinde Wien auf einem guten Weg, aber die Finanzierung zieht sich", so die Landtagsabgeordnete und führt an Namen wie Kuffner und Epstein vorbei zu einer offenen Gruft an der Mauer zum Währinger Park. "Diese Gräber wurden in der NS-Zeit geöffnet, um rassekundliche Untersuchungen des naturhistorischen Museums durchzuführen. Man wollte beweisen, dass sich die Gebeine der Juden von jenen der Nicht-Juden unterscheiden", so Kickert betroffen und sieht in die mit Sträuchern überwucherte Graböffnung hinab.
Gruften, die im dritten Reich für Rasseforschung geöffnet wurden, sind immer noch nicht geschlossen worden.
An efeuumrankten Lindenbäumen und verrosteten Grabumzäunungen geht es weiter zu einer Grabreihe mit frischen Bruchstellen in den umgestürzten Steinen. "Im Oktober ist ein Teil der Linde abgebrochen und hat über vier Grabreihen hinweg die Steine unter sich begraben", erklärt Kickert und fährt mit der Hand über einen zerbrochenen Stein. "Besonders die Sandsteine verwittern und bald sind die Inschriften, die teils auf deutsch, auf hebräisch sowie auf deutsch-hebräisch gemischt auf den Steinen zu finden sind, nicht mehr zu lesen. Dabei sind die Geschichten der Beerdigten und was sie im Leben erreicht haben, auf den Steinen verewigt. Unser Verein will den weiteren Verfall verhindern und dieses Geschichtsjuwel konservieren und wieder für die Öffentlichkeit zugängig machen."
Zur Sache
Wer den Verein "Rettet den Jüdischen Friedhof Währing" unterstützen möchte: Das Spendenkonto bei der Erste Bank hat den IBAN AT23 2011 1837 7378 3000. An jedem zweiten Sonntag im Monat ist das kleine Museum an der Adresse Schrottenbachgasse 3 von 10 bis 16 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet; Juli und August ist jedoch geschlossen. In dieser Zeit ist ein kleiner Rundgang auf eigene Gefahr auf dem Jüdischen Friedhof möglich.
Die nächsten Führungen findet am Sonntag, 9. September um 11 Uhr und um 13 Uhr statt – eine Anmeldung unter www.wien.gruene.at/juedischerfriedhof ist aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl notwendig. Der nächste Freiwilligentag, an dem Rodungsarbeiten durchgeführt werden, findet am Sonntag, 16. September von 10 bis 16 Uhr statt. Alle weiteren Infos finden Sie hier
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