Industrie 4.0: Tragbare Simulationswelten

Musiker Erich Rechberger ist zwischen analogen und digitalen Momenten zuhause
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Ein bewegender Abend auf Schloß Freiberg ließ Graphic Novelist Chris Scheuer und Musiker Erich Rechberger in solider Lautstärke über Jimi Hendrix nachdenken. Scheuer tat das mit historischer Ausrüstung. Eine Fender Stratocaster am Verstärker von Marshall.

Absolut authentisch! Doch womit kam Rechberger? Was als Schlagzeug fungierte, sah für Laien aus, als hätten Kinder eine Mülltonne geplündert, um sich eine „Budel“ zu bauen. Dazu eine Garnitur chinesischer Eß-Stäbchen und los geht’s.

Was man zu hören bekam, war freilich äußerst verblüffend. Jeder Schlag auf die verschiedenen „Pads“ wird von Sensoren übernommen und an einen kleinen Rechner geleitet. Die Effekte kommen praktisch ohne Verzögerung.

Rechberger: „Keine Latenzzeit. Ich spiele eine Soundkarte direkt an. Dort sind WAV-Dateien vorrätig. Dafür wurden im Studio echte Instrumente aufgenommen.“ Ich darf das ein wenig übersetzen. Das Kernstück von Rechbergers „Zeugl“ simuliert die Klänge nicht. Es wurde das Klingen realer Schlagzeug-Instrumente aufgenommen und digitalisiert.

Das Kürzel WAV steht für das Dateiformat WAVE, welches der Speicherung von Audiodaten dient. So lange also der Strom nicht ausgeht, die Klänge an eine Verstärkeranlage weitergegeben werden können, hat man ein äußerst irritierendes Erlebnis, wenn Rechberger loslegt. Was man sieht und was man hört fällt völlig auseinander.

In meinen Bildern vom Schlagzeug sind Leute wie Ginger Baker („Cream“) oder Billy Cobham zuhause, aber auch merkwürdige Anordnungen wie von Jim Capaldi („Traffic“), der sein Programm im Duett mit einem zweiten Schlagzeuger fahren mochte. Da wirkt dann Rechberger vergleichsweise ein wenig einsam hinter seinem handlichen Drum Set.

Ich erzähle das so ausführlich, weil es ein kleines Beispiel von erhebliche Anschaulichkeit ist. Wir befinden uns auf dem Weg in eine Vierte Industrielle Revolution. Selbstlernende Systeme, Künstliche Intelligenz, Roboter, es ist ein neuer Schub der Umbrüche, in denen Maschinen Arbeiten übernehmen, die vorher nur Menschen zu leisten vermochten.

Wir sind also gefordert, uns mit genau solchen Irritationen vertraut zu machen; daß nämlich was wir erleben und was wir sehen nicht mehr ganz zusammenpaßt. Nun gibt es in menschlicher Haltung Tendenzen gegen solche Entwicklungen, wie sich einst die Weber gegen neue Maschinenwebstühle wandten und begannen, diese Maschinen zu zerschlagen.

Es deutet aber nichts darauf hin, daß sich aktuelle Umbrüche auf solche Art auch nur leicht erschüttern ließen. Also sind wir gefordert, aktuell zu überprüfen, was wir unter Condition humana verstehen, was also die Eigenheiten des Menschen seien, im Kontrast zu anderen Wesen oder Systemen.

Darum ging es übrigens auch an diesem Abend, dem Auftakt der Reihe „Handfertigkeit und Poesie“, einer Kooperation von Kunst Ost und Fokus Freiberg. Scheuer ist ein Comic-Zeichner von internationalem Format, der über das Zeichnen um ein Verstehen der Welt ringt. Deshalb auch der Titel des Abends: „Zeichnen, um die Welt zu begreifen“.

Dem steht zum Beispiel das Simulakrum von Maschinen gegenüber, das Simulieren von Erfahrbarem aufgrund einer umfassenden Maschinensprache, aufgrund digital programmierbarer Systeme. Digitalisierung bedeutet, daß etwas in einem zweiteiligen (binären) Code notiert wird.

Dieser Binär-Code besteht aus den beiden Zeichen 0 und 1, die in Gruppen gefaßt werden und von Maschinen rasend schnell verarbeitet werden können. Dadurch sind heute Simulationen möglich, die das Analoge nachmachen, abbilden, erklingen lassen.

Selbst Laien haben einen bestimmten Klang im Ohr, wenn sie an einen Moog-Synthesizer denken. Es ist der vermutlich prominenteste „Synthi“ unserer jüngeren Musikgeschichte. Dagegen ist das Theremin bloß Feinspitzen geläufig, obwohl kaum ein Gruselfilm meiner Kindertage ohne dieses Instrument auskam.

Drum-Computer wie von Akai, Korg oder Roland simulieren Schlagzeuge und, Schwank am Rande, werden ihrerseits heute von Beatbox-Virtuosen simuliert, die dabei nur ihren Körper einsetzen. Was aber kürzlich mit Erich Rechberger im Schloß zu erleben war, zeigt uns den klassischen Hacker.

Das bedeutet nicht, er bricht illegal in fremde Systeme ein, um da Schaden anzurichten. „Hacking“ heißt ursprünglich einfach „Probleme lösen“ oder aus vorgefundenen Komponenten etwas Neues bauen, das einem nützt; wie eben das Rechberger’sche Drum Set.

+) Dokumentation des Abends [link]
+) Fiat Lux Panorama [link]

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