Jahresbilanz der Wiener Neustädter Staatsanwaltschaft: 23.000 neue Fälle
Wiener Neustadt. Insgesamt wurden bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt im vergangenen Jahr mehr als 23.000 neue Fälle registriert.
Bei den in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fallenden Straftaten (St- Bereich) konnte eine geringfügige Steigerung auf 3190 festgestellt werden (3173 im Jahr 2016); bei den in die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes fallenden Straftaten (BAZ-Bereich) reduzierte sich der Anfall jedoch von 8116 auf 7972 Verfahren.
In den anderen Bereichen, zum Beispiel bei den Verfahren gegen unbekannte Täter, ist die Zahl gegenüber dem Vorjahr deutlich gesunken, vor allem im Bereich der in die Zuständigkeit der Landesgerichte fallenden Taten, und zwar von 5843 auf 4860, wobei es auch im BAZ-Bereich eine merkbare Reduzierung von 8249 auf 7186 Verfahren gab.
Zusammengefasst lässt sich daher der Schluss ziehen, dass die Anzahl der Anzeigen von gerichtlich strafbaren Handlungen im Sprengel der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt zurückgegangen ist.
Ermittlungstätigkeit:
Im Rahmen der Ermittlungstätigkeit hat sich der Aufwand zur Klärung von Straftaten im St-Bereich und BAZ-Bereich praktisch nicht verändert.
Bei den Festnahmeanordnungen war beispielsweise im St-Bereich kein Rückgang zu verzeichnen (166 gegenüber 165 im Jahr 2016). Bei den Durchsuchungsanordnungen konnten wir eine Steigerung von 99 auf 129 feststellen. Ebenso war eine Steigerung bei Sicherstellungsanordungen (75 gegenüber 53 im Jahr 2016) auszumachen.
Rückgänge waren einerseits bei den Anordnungen der Auskunftserteilung über Bankkonten und Bankgeschäfte von 40 auf 34 sowie bei den Anordnungen molekulargenetischer Untersuchungen festzustellen. Letztere gingen gegenüber dem Vorjahr ebenfalls von 65 auf 52 zurück.
Im Bereich der zu leistenden Rechtshilfe haben auch die inländischen und ausländischen Rechtshilfeersuchen leicht abgenommen.
Entsprechend den sinkenden Zahlen bei Verfahren gegen unbekannte Täter ging der Arbeitsaufwand in diesem Bereich jedoch deutlich zurück.
Verfahrenserledigung:
Im Geschäftsjahr 2017 wurden von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt von den in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fallenden, gegen bekannte Täter geführten Verfahren im vergangenen Jahr 3141 Verfahren zum Abschluss gebracht.
Es wurden 146 Anklageschriften und 919 Strafanträge erhoben.
Die Zahl der diversionell erledigten Verfahren ist mit 126 leicht angestiegen. 1235 Verfahren wurden eingestellt.
Im bezirksanwaltlichen Bereich ermöglichte der etwas geringere Anfall von Verfahren gegen unbekannte Täter im Jahr 2017 die vermehrte Erledigung von bereits anhängigen Verfahren. Es wurden um 766 Verfahren mehr erledigt als in diesem Jahr anfielen.
Die Zahl der offenen Verfahren gegen bekannte Täter ist von 269 auf 318 (St-Bereich) gestiegen bzw. von 1699 auf 933 (BAZ-Bereich) gefallen.
Internetkriminalität – Anstieg und Ausprägungen
Im Zuge der Ermittlungstätigkeit im Jahr 2016 ließ sich - wie bereits in den letzten Jahren – eine Steigerung der Internetkriminalität feststellen. Dabei fiel auf, dass bereits seit Jahren bekannte Muster Krimineller nach wie vor erfolgreich sind, sich aber auch neue Strategien der Täter bewähren.
Weit verbreitet waren im Jahr 2017 sogenannte „Phishing-mails“, mit denen versucht wird an Konto- bzw. Zugangsdaten von Bankkunden oder Kunden von Bezahldiensten zu gelangen. Dabei werden Kunden vermeintlich vom Vertragspartner stammende e-Mails übermittelt, in denen diese unter einem Vorwand ersucht werden, ihre Bank- und/oder Zugangsdaten (Passwörter etc.) auf einer der Seite des Partnerunternehmens stark ähnelnden Maske einzugeben. Dabei werden die Daten registriert und mit diesen später hohe Schäden durch Zahlungen oder Überweisungen vom Konto des Opfers verursacht. Da viele Täter von Asien oder Afrika aus agieren, ist deren Ausforschung nahezu unmöglich.
Dabei würden hier bereits geringfügige Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz vor diesen Tätern ausreichen, wie etwa die Mailadressen zu kontrollieren, auf korrekte Schreibweise zu achten etc.
Geldzahlungen in Kryptowährungen
Im Jahr 2017 wurde zudem ein Ansteigen von Datenverschlüsselungen von Privat- oder Firmendaten durch Übermittlung von „Rechnungen“ samt Schadenssoftware („Ransomeware“) verzeichnet. Die Täter forderten von den Opfern im Anschluss für die zur Entschlüsselung erforderlichen Codes Geldzahlungen in Kryptowährungen über Tornetz-Zugänge. Auch hier ist eine Verfolgung der Täter nahezu aussichtslos.
Eine weitere, im Jahr 2017 im Steigen befindliche Ausprägung der Internetkriminalität war der sogenannte „CEO-Fraud“. Dabei handelt es sich um eine Betrugsvariante, die sich gegen Unternehmen und ihre Angestellten richtet. Über Vermögenswerte des jeweiligen Unternehmens verfügungsberechtigte Angestellte erhalten hier als „dringend“ bezeichnete e-mails von vorgesetzten Funktionsträgern, in denen eine dringende Überweisung hoher Beträge zur Abwicklung von Übernahmen oder die Begleichung von Forderungen aufgetragen wird. Infolge der Ähnlichkeit der e-mail-Adressen mit den realen Adressen der vermeintlichen Absender und infolge der behaupteten Dringlichkeit wurden dann hohe Summen auf ausländische Konten überwiesen und enormer Schaden verursacht. Auch bei diesen Cyber Crime - Formen kann schon die genaue Kontrolle der Herkunftsmailadressen vor Schäden schützen.
Im Hinblick auf die große Anzahl der verschiedenen Ausprägungsarten der Internetkriminalität und die geringen Aufklärungsquoten ist es uns ein Anliegen, auf die zahlreichen, im Internet existierenden Plattformen hinzuweisen, die vor aktuellen Formen der Internetkriminalität warnen. Besonders sei hier die Website des Bundeskriminalamtes (www.bundeskriminalamt.at) empfohlen, die zahlreiche Links enthält. Weiters informiert auch das „cybercrime competence center“ des BMI laufend über aktuelle Internetkriminalitätsformen.
Umgang mit zurechnungsunfähigen Rechtsbrechern
Nach eigener Wahrnehmung ist die Staatsanwaltschaft in den letzten Jahren zunehmend mit Ermittlungsverfahren gegen psychisch kranke und oft zurechnungsunfähige Rechtsbrecher konfrontiert.
Zurechnungsunfähigkeit zum Tatzeitpunkt stellt einen Entschuldigungsgrund dar und schließt somit die Strafbarkeit aus. Dass jemand für die Tat aber in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher untergebracht werden kann, hängt von drei Voraussetzungen ab.
Das ist zunächst, dass die Tat unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§§ 11 StGB) begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruht.
Zweitens muss zu befürchten sein, dass der Betroffene unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.
Hinsichtlich dieser beiden Voraussetzungen ist die Justiz auf die Expertise von psychiatrischen und psychologischen Sachverständigen angewiesen.
Schließlich muss eine sogenannte „Anlasstat“ vorliegen. Darunter ist eine mit Strafe bedrohte Handlung zu verstehen, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.
Taten die gegen fremdes Vermögen gerichtet sind, aber ohne Gewaltanwendung gegen eine Person oder ohne Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben begangen wurden, kommen als Anlasstat nicht in Betracht.
Dies bedeutet in der Praxis, dass Verfahren gegen zurechnungsunfähige, geistig abnorme Rechtsbrecher wegen Taten, die im Verhältins zu schwerwiegenderen Verbrechen zwar geringfügiger erscheinen, aber für die Betroffenen dennoch traumatisch sein können (Körperverletzung, gefährliche Drohung etc.) oftmals mangels geeigneter Anlasstat aufgrund fehlender Schuldhaftigkeit eingestellt werden müssen.
Liegen nicht alle drei Voraussetzungen für eine Unterbringung nach dem StGB vor, sind der Staatsanwaltschaft die Hände gebunden. Abseits des Strafverfahrens besteht lediglich im Rahmen des Unterbringungsgesetzes (UBG) die Möglichkeit, psychisch Kranke, die ihr Leben oder ihre Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer gefährden, gegen ihren Willen in einer psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses unterzubringen.
Dies erfordert eine ärztliche Untersuchung und das Bestätigen des Vorliegens der beschriebenen Voraussetzungen samt Begründung durch den Amtsarzt. Eine solche Unterbringung kann jedoch auch nur so lange aufrecht erhalten werden, wie die genannte Gefahr der akuten Selbst- oder Fremdgefährdung besteht, was regelmäßig nach medikamentöser Einstellung der Betroffenen nicht mehr der Fall ist.
Suchtgiftkriminalität
Abgesehen von den Entwicklungen in den beiden Punkten Internetkriminalität und Verfahren gegen zurechnungsunfähige Rechtsbrecher konnte ein Anstieg der Verfahren im Bereich der Suchtgiftkriminalität und wegen Verhetzung und § 3g Verbotsgesetz festgestellt werden.
Ausblick auf das Jahr 2018
Im kommenden Geschäftsjahr werden die Staatsanwaltschaft mehrere Verfahren beschäftigen, die bislang erhöhtes Medieninteresse hervorriefen. Dabei handelt es sich - unter anderem - um das Ermittlungsverfahren gegen derzeit 4 bekannte Täter wegen § 3g Verbotsgesetz 1947 im Zusammenhang mit den Liederbüchern der „Pennalen Burschenschaft Germania Wr. Neustadt“ oder um die Verfahren im Umfeld der Jugendbetreuungseinrichtung in Ebenfurth.
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