1918: Hunger und Not auch im Bezirk Zwettl
Schwerpunkt: 100 Jahre Republik
ZWETTL. 2018 feiert Österreich 100 Jahre Republik. Ein Grund für die Bezirksblätter die Geschehnisse im Jahr 1918 zu recherchieren. Zwettl Stadtarchivar in Ruhe, Professor Friedel Moll, hat dieses Jubiläum bereits in Form einer Sonderausstellung im Zwettler Stadtmuseum aufgearbeitet.
Flüchtlingslager aufgelassen
Gegen Kriegsende gab es im Bezirk Zwettl bedeutend weniger Flüchtlinge als noch Jahre zuvor. Die provisorischen Flüchtlingslager im Stift Zwettl, in der Propstei und der Haarstube waren aufgelassen worden. Die meisten Flüchtlinge waren nun im großen Lager in Gmünd untergebracht. Allerdings lebten in einigen Dörfern noch kleine Gruppen von Flüchtlingen, vor allem aus der Ukraine und Slowenien, sie waren in Bauernhäusern untergebracht.
Um den Jahreswechsel 1917/18 gab es mehrere Beschwerden des Hilfskomitees der ukrainischen Flüchtlinge wegen der unzulänglichen Unterbringung in einigen Quartieren, unter anderem auch im Bezirk Zwettl. Es fehlte angeblich an Decken, die Strohsäcke waren nur mit Laubblättern gefüllt und hatten mitunter zwei oder gar drei Personen als Schlafstelle zu dienen. Bettstellen fehlten, sodass einzelne Flüchtlinge auf der bloßen Erde schlafen mussten, Kleidungsstücke und vor allem Schuhe fehlten, worunter ganz besonders die Kinder während der kalten Jahreszeit zu leiden hatten. Die Bezirkshauptmannschaft schwächte die Vorwürfe ab, versuchte aber auch Abhilfe zu schaffen.
Nach dem Separatfrieden mit der Ukraine am 9. Februar und dem Frieden von Brest-Litowsk am 3. März 1918 bemühte man sich, die Flüchtlinge aus Galizien und der Bukowina in ihre Heimat zurückzuführen. Da ihre Dörfer durch den Krieg verwüstet und die Landwirtschaft zerstört war, regten staatliche Stellen an, den Heimkehrern Vieh aus dem Bestand des Gmünder Flüchtlingslagers mitzugeben und ihnen dadurch beim Neuaufbau ihrer Existenz zu helfen. Ein Vorhaben, das wegen der Not im eigenen Land aber kaum Erfolg hatte.
Hunger und Not, Versorgungsengpässe
Im Winter 1917/18 wurde der Mangel an Brennstoffen besonders deutlich spürbar. Dr. Franz Weismann, der Leiter des Zwettler Krankenhauses, ersuchte im Gemeinderat um Kohlenzuteilung. Karl Schwarz, der Obmann des Wirtschaftsamtes, musste aber feststellen, dass sein „Kohlenamt“ keinen Einfluss auf Beschaffung und Zuteilung von Hartkohle habe. Die Parteien müssten sich im Bedarfsfall selbst Bezugsscheine verschaffen. Aber der Bezugsschein alleine garantierte noch keineswegs die Zuteilung von Brennmaterial.
Lebensmittelknappheit und Teuerung, beide stiegen im Laufe des Krieges dramatisch an, trafen die Industriebevölkerung und die Bewohner der großen Städte besonders hart. Von der Teuerung war auch die nichtbäuerliche Landbevölkerung betroffen, wie Handwerker, Beamte und Lehrer.
1918 nahmen immer wieder Fabriksarbeiterinnen aus dem Raum Schrems den vier Stunden langen Fußweg nach Rieggers und in die umliegenden Dörfer auf sich, um dort bei den Bauern Erdäpfel zu erbetteln, doch auch hier waren die Grundnahrungsmittel wegen der rigorosen Requirierungen knapp. Sogar in den Bauernhäusern gab es zum Beispiel nur spärlich Brot.
Zwangsabgabe: Fünf Eier pro Henne
Da die Bauern regelmäßig Schlachtvieh abliefern mussten, ging der Viehbestand in den Dörfern dramatisch zurück. Pfarrer Johann Flicker vermerkte in der Pfarrchronik von Rieggers, dass die Ortsgemeinden Gerlas und Rieggers 1918 monatlich 8 Stück Vieh abliefern mussten. Die Ablieferungspflicht für landwirtschaftliche Produkte betraf aber auch das Kleinvieh. So wurden beispielsweise pro Legehenne monatlich 5 Eier eingefordert. In weiterer Folge griff die Behörde bei Verstößen gegen die Lebensmittelvorschriften hart durch. Personen - vorwiegend Bäuerinnen, die Männer waren ja meist im Krieg - wurden bei Missachtung dieser Verordnungen zu empfindlichen Verwaltungsstrafen, mitunter sogar zu Arrest, verurteilt. Sie hatten beispielsweise Kartoffel, Eier, Milch oder Fett unter der Hand verkauft, ohne Genehmigung geschlachtet, Getreide gemahlen oder geschrotet, Brot gebacken und verkauft oder ohne Genehmigung grünes Getreide an das eigene Vieh verfüttert. Ihre Namen und Adressen veröffentlichte man im Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft. In den Jahrgängen 1917 und 1918 dieses Organs finden sich lange Listen solcher Straferkenntnisse, kaum ein Dorf im Bezirk wird hier nicht genannt.
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