"Ihre Bilder kennen viele, nicht aber ihren Namen"

"Ein Knackpunkt vieler Karrieren waren Ehe und Kinder. Wenn ich mir die Biografien von Künstlerinnen von damals anschaue, dann sind fast alle Karrierebrüche familienbedingt – die Frau hat wegen der Kinder aufgehört zu malen, der Mann aber nicht. Ich glaube, das ist heute noch ähnlich. Schaffenspausen werden negativ bewertet." | Foto: BB Archiv
  • "Ein Knackpunkt vieler Karrieren waren Ehe und Kinder. Wenn ich mir die Biografien von Künstlerinnen von damals anschaue, dann sind fast alle Karrierebrüche familienbedingt – die Frau hat wegen der Kinder aufgehört zu malen, der Mann aber nicht. Ich glaube, das ist heute noch ähnlich. Schaffenspausen werden negativ bewertet."
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KLOSTERNEUBURG/WIEN. Eine, die sich leidenschaftlich mit der Arbeit und den Biografien von Künstlerinnen auseinandersetzt, ist die Kunstexpertin, Kuratorin und Autorin Ursula Müksch. In den letzten zwanzig Jahren hat sie eine mittlerweile 4.000 Seiten umfassende Künstlerinnen-Datenbank erstellt, mit der sie gegen deren Vergessen im kollektiven Gedächtnis anschreibt. Die Bezirksblätter haben mit Müksch, die durch ihre Verbundenheit mit dem Museum Kierling und der Klosterneuburger Kulturgesellschaft auch eine Kennerin der spezifischen Klosterneuburger Kunstszene ist, gesprochen.

Der heurige Tag des Denkmals ist Frauen als Trägerinnen des kulturellen Erbes gewidmet. Welche Rolle spielten Künstlerinnen in Klosterneuburg?
URSULA MÜKSCH:
"In Klosterneuburg gab es um Anfang des 20. Jahrhunderts etliche Künstlerinnen, die von ihrer Kunst gelebt haben und damals auch bekannt waren. Heute erinnert man sich nur mehr an ein paar Galionsfiguren – Frauen gehören meist nicht dazu. Dabei hat die Stadt einige durchaus potente Künstlerinnen, Emma Bormann zum Beispiel. Sie ist weltweit bekannt und in jedem grafischen Kabinett vertreten. Oder auch Clementine Alberdingk."

Waren die beiden in der Kunstszene verankert?
URSULA MÜKSCH:
"Diese Künstlerinnen stammten aus bekannten intellektuellen und gebildeten Familien und gehörten einem gehobenen Kreis an. Sie hatten einflussreiche Förderer wie Franz Rumpler, Professor an der Wiener Akademie der bildenden Künste und Gründungsmitglied des Vereins Heimischer Künstler Klosterneuburg. In dieser Vereinigung waren Frauen von Anfang an als vollwertige Mitglieder beteiligt. Das ist ein Unterschied zur Situation in Wien."

Inwiefern?
URSULA MÜKSCH:
"Im Hagenbund waren Frauen nie als ordentliche Mitglieder zugelassen, in der Secession erst nach dem 2. Weltkrieg und im Künstlerhaus überhaupt erst ab 1961. Die Arbeit von Frauen wurde zu dieser Zeit vielfach nicht wertgeschätzt und deswegen ist diese auch heute wenig bekannt."

Können Sie dazu ein Klosterneuburger Beispiel nennen?
URSULA MÜKSCH: "Ich denke dabei an Geschichten wie die von Gertraud Seifert-Höfner, einer weiteren Künstlerin des Verein Heimischer Künstler Klosterneuburg. Sie ist mit ihren Entwürfen für Email-Arbeiten von Fabrik zu Fabrik gegangen. Man behielt sich ihre Bilder zur Ansicht und lehnte sie kurz darauf ab. Monate später entdeckte sie, dass ihre Entwürfe wider ihrer Zustimmung verwendet wurden. Seifert-Höfner hat schließlich für das Atelier Steinböck gearbeitet. Ihre Bilder kennen heute noch viele, nicht aber ihren Namen. Viele Künstlerinnen haben im Geheimen geblüht und wurden bis heute nie entdeckt."

Sie haben auch am Lexikon österreichischer Frauen 'biografiA' vom Böhlau-Verlag mitgearbeitet. Welche Bedeutung hat die Rezeptionsgeschichte von Künstlerinnen für ihren Stellenwert in der Kunst?
URSULA MÜKSCH:
"Künstlerinnen wurden immer anders als Künstler bewertet. Bis in die die 1980er Jahre gab es in den Kritiken unterschwellig sexistische Kommentare. Man konnte nicht einfach 'toll' schreiben, sondern das hieß dann 'toll wie von Männerhand' oder 'diesem blondem Lockenköpfchen hätte ich das nicht zugetraut'. Gleichzeitig wurden Frauen von der Kunstgeschichtsschreibung als Anhängsel der Männer wegradiert. Das ist heute überwunden. Aber lange Zeit wurden Künstlerinnen in Lexika bei ihren Ehemännern, Brüdern oder Väter angeführt. Als ich angefangen habe, über Künstlerinnen zu recherchieren, blieb mir ein Satz über Paula Modersohn-Becker hängen. Bei einem alten Lexikon-Eintrag zu ihrem Mann Otto Modersohn stand über sie geschrieben: 'Seine Frau malt abgeschmackte Bilder'. Dabei ist sie heute die unbezahlbare Künstlerin, deren Werke in Museen hängen und nicht er."

Wie beurteilen Sie die Situation heute?
URSULA MÜKSCH:
"Ein Knackpunkt vieler Karrieren waren Ehe und Kinder. Wenn ich mir die Biografien von Künstlerinnen von damals anschaue, dann sind fast alle Karrierebrüche familienbedingt – die Frau hat wegen der Kinder aufgehört zu malen, der Mann aber nicht. Ich glaube, das ist heute noch ähnlich. Schaffenspausen werden negativ bewertet. Aber die Frauen haben in der Kunstszene viel aufgeholt. In Wien werden viele Häuser von Frauen geleitet. Ein weiterer Knackpunkt ist natürlich das Geld. Bei der Beurteilung von der Kritik und auch am Kunstmarkt sind Frauen nach wie vor benachteiligt. Auch wenn mittlerweile viele Künstlerinnen bei Auktionen vertreten sind, sind die Preisunterschiede zwischen männlichen und weiblichen Arbeiten immer noch gewaltig."

Interview: Cornelia Grobner

(gekürzte Printversion erschienen am 20. September 2017, Bezirksblätter NÖ)

ZUM WEITERLESEN:
Tag des Denkmals 2017
Die vergessenen Künstlerinnen von Klosterneuburg

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