Reschensee: "Ein walsches Projekt" – mit VIDEO

Reschensee: Alt-Graun und Teile von Reschen versanken in den Fluten des neuen Stausees. | Foto: Heinrich Marth, Meran
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LANDECK/GRAUN (otko). Jeder aus dem Bezirk Landeck kennt den versunkenen Kirchturm im Reschensee als beliebtes Fotomotiv. Seine Geschichte können aber immer weniger Leute erzählen. Mit der 84-minütigen Dokumentation "Das versunkene Dorf" (Albolina Film GmbH) haben sich Regisseur Georg Lembergh und der Produzent und Historiker Hansjörg Stecher auf eine filmische Spurensuche begeben und die letzten Zeitzeugen interviewt. Auch der TVB Tiroler Oberland (Nauders Tourismus) und das Land Tirol trugen zur Finanzierung bei.
Im Jahr 1948 wurden mit dem Bau der Staumauer begonnen und im August 1949 schloss die Elektrizitätsgesellschaft Montecatini erstmals die Schleusen des neuen errichteten Reschenstausees. Innerhalb weniger Tage stehen die Häuser und Ställe, Wiesen und Felder unter Wasser. Alt-Graun und Teile von Reschen sowie weitere Weiler versanken in den Fluten. Übrig blieb nur der nicht gesprengte Kirchturm von Alt-Graun. Damals werden durch das von staatliche Willkür und Profitdenken getragene Stauseeprojekt etwa 70 Familien aus Graun vertrieben, über 100 Häuser zerstört und knapp 400 Hektar fruchtbaren Boden zerstört. Diese menschliche Tragödie spielt sich abseits der Weltöffentlichkeit ab. Der See bleibt ein Sinnbild für erlittenes Unrecht.

Die früheren Generationen sehen den See als einen Fremdkörper, als etwas Walsches. Mittlerweile lebt dort die dritte Generation seit der Seestauung und man sieht Dinge mit Abstand etwas anders bzw. nutzt die Möglichkeiten.

Theresia Theiner, Graun: "Der Vater sagte immer: 'Sie werden uns doch nicht von Daheim verjagen können!' Aber es alles Tatsache geworden. Sie musste die Leute mit Gewalt vertreiben! Sie haben den See aufstauen müssen, damit die Leute gehen. Sonst wäre niemand gegangen! Dann haben sie den See eingetrieben und dann hast du gehen müssen!"

Verlust der Heimat

Sowohl Georg Lehmberg als auch Hansjörg Stecher haben einen familiären Bezug zur Gemeinde Graun im Vinschgau. "Früher gab es dort drei Naturseen auf einem großen Plateau und heute prägt der Reschensee nach der österreichischen Grenze die Landschaft. Die früheren Generationen sehen den See als einen Fremdkörper, als etwas Walsches. Mittlerweile lebt dort die dritte Generation seit der Seestauung und man sieht Dinge mit Abstand etwas anders bzw. nutzt die Möglichkeiten", erläutert Hansjörg Stecher, der der Uni Wien Geschichte studiert hat. Heute gibt es einen Segelclub, eine Kitesurfschule, den Reschenseelauf und das Ausflugsschiff "Hubertus". Das schwierige Erbe wird als Erholungsraum und Toruismuskapital genutzt.
Für das Projekt wurden zwischen 2015 und 2016 an die 70 Zeitzeugen interviewt und an die 60 Stunden Film sind dabei entstanden. In der Dokumentation werden 30 Zeitzeugen gezeigt. In berührenden Einzelporträts spüren Lembergh und Stecher den Fragen nach Heimat und Heimatverlust nach, dokumentieren den schwierigen Neubeginn und beleuchten die historisch und kaum noch aufgearbeiteten, hochdramatischen Umstände der Seestauung. "Die Leute haben nicht gewusst, was mit ihnen passiert. Schließlich haben sie ein paar lumpige Lire bekommen und es war wurscht, was mit den paar Hanseln da oben passiert", schildert Stecher.

Wichtiges Dokument der Zeitgeschichte

Nach der Premiere im April in Meran wurde der Film auch auf einer mobilen LED-Leinwand am Reschensee mit dem Kirchturm im Hintergrund gezeigt "An den drei Tagen zählten wir an die 2.400 Besucher. Gespannt waren wir natürlich auf die Reaktionen des Lokalpublikums, wo alle Experten sind. Natürlich haben wir im Film auch kritische Fragen gestellt, wie zum Beispiel, dass viele Einheimische am Bau mitarbeiteten oder zu 90 Prozent für die Option votierten", erläutert Stecher.
Am 3. und 4. Oktober wird "Das versunkene Dorf" um 18.00 und 20.00 Uhr vom Extrafilmklub im Alten Kino in Landeck gezeigt. "Wir hoffen mit diesem emotionalen Zeitgeschichtsdokument viele Leute zu erreichen und hoffen auf großes Interesse. Für Interessierte gibt es danach noch die Möglichkeit mit Hansjörg Stecher zu diskutieren", so Franz Tiefenbrunn und Wolfgang Egg.
Zu Weihnachten 2018 erscheint "Das versunkene Dorf " auch auf DVD. Im Frühjahr 2019 erscheint zudem ein Buch mit dem gleichnamigen Titel von Hansjörg Stecher mit Fotos von Georg Lembergh (Edition Raetia).

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