Ein Oscar für Shakespeare in den Kammerspielen
Ich habe ihn gesehen, den Film „Shakespeare in Love“ - mit sieben Oscars ausgezeichnet. Hoch gelobt, alles gut gemacht, Jury überzeugt. Soll ich mir die Theaterversion von Lee Hal ansehen? Ich werde enttäuscht sein, denke ich. Und tatsächlich, die ersten fünf Minuten kommen bei mir wie Schultheater an. Doch dann nimmt die deutschsprachige Erstaufführung in den Kammerspielen Fahrt auf, trotz Verlust von zwei erkrankten Schauspielerinnen. Die männlichen Einspringer treiben den Spaß auf die Spitze.
England, Ende des 16. Jahrhunderts. Königin Elizabeth beherrscht das Land. Etliche Avancen von Männern wurden vom Establishment zunichte gemacht, weil damit eigene Pfründe in Gefahr geraten könnten. Elizabeth ohne Liebesbeziehung, die nicht lange zögert, Menschen zum Schafott schleifen zu lassen, erließ eigenartige Gesetze. Zum Beispiel dieses: Bei Theateraufführungen dürfen nur Männer spielen. Auch Frauenrollen sind nur vom „starken Geschlecht“ in entsprechenden Kostümen zu besetzen.
Wir sind an der Wurzel von „Shakespeare in Love“ angelangt: Romeo und Julia soll es werden. Viola, ein Fräulein aus gutem Haus, schon einem Baron versprochen, will sich so gar nicht an die Jurisprudenz ihres Landes halten. Sie möchte zum Theater. Das trifft sich gut, denn der junge Autor hat eine Schaffenskrise und ist von der vorerst verkleideten Viola sehr angetan. Die Aufführung ist geplant, doch Shakespeare liefert das Manuskript nur step by step. Viola beflügelt Shakespeare. Und da wäre noch die Liebe. Enttarnt wäre sie als Julia ein Ass und vor allem ein Anlass für Gefühlswärme. Verwirrungen, Eifersucht, Protokoll-Skurrilitäten, skrupellose Eigeninteressen sowie gierige Mitspieler sorgen für ein turbulentes Theater im Theater. Doch: Die Liebe spottet den Gesetzen. So kommt alles wie es kommen muss. Viola bekommt Shakespeare, die Aufführung wird durch den Auftritt der Königin veredelt, die die Mischpoche absegnet und die Hofschranzen in ihre Schranken weist. Die Komödie wird ein voller Erfolg. Das geschieht in einer literarischen Rush Hour. Tempo, ohne den Faden zu verlieren, ist hohe Theaterkunst. Daher einen Oscar für die Akteure und die Kammerspiele.
Vor allem: Regie: Fabian Alder, Bühnenbild: Ines Nadler, Dominic Oley als schmachtender Shakespeare, Swintha Gersthofer als freche Viola De Lesseps, Siegfried Walther als ständig in Geldnöten steckender Herslowe und Ulli Maier als eine sich über die eigenen Vorschriften hinwegsetzende Königin. Geistreich und witzig sind auch die anderen DarstellerInnen, die hier nur aus Platzmangel nicht genannt werden.
Meine Empfehlung: Tickets buchen, hingehen und genießen. Sehr empfehlungswert!
Next: 27.9.2017. Wieder im Programm ist die sehenswerte Komödie „Monsieur Claude und seine Töchter“ und die Tragikomödie „Schon wieder Sonntag“. All dasin den Kammerspielen.
Infos und Tickets: www.josefstadt.org
Reinhard Hübl
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.