Ottakring gedenkt der NS-Opfer: Zwei Steine der Erinnerung für den Bezirk
Den Widerstandskämpfer Hermine und Lothar Dirmhirn und Moritz von Kuffner wird mit den ersten beiden Steinen im 16. Bezirk gedacht.
Niemals vergessen: Nun wurden auch in Ottakring die ersten "Steine der Erinnerung" angebracht. Einer ist vor dem Gemeindebau am Nietzscheplatz 2 und für die Widerstandskämpfer Hermine und Lothar Dirmhirn. Eine weitere Gedenktafel für Moritz von Kuffner ist am Eingang zu der von ihm erbauten Sternwarte in der Johann-Staud-Straße 10.
Wienweit hat der Verein "Steine der Erinnerung" in den zehn Jahren seines Bestehens 400 Steine angebracht. Erinnert wird damit an 1.600 Menschen, die vom NS-Regime ermordet wurden. Sie haben in Wien den Status von Denkmälern und sollen nicht nur die Namen der drauf verewigten Nazi-Opfer in Erinnerung rufen, sondern sie symbolisch wieder in unsere Mitte holen.
Gemeinsam mit der Bezirksvorstehung Ottakring, dem Verein Steine der Erinnerung und dem Verein Kuffner-Sternwarte wurde zuerst am Nietzscheplatz dem Ehepaar Dirmhirn gedacht. Stadtinspektor Lothar Dirmhirn, der von 1938 bis 1941 Funktionär der Stadtleitung der KPÖ war und an seinem Arbeitsplatz, den Städtischen Wasserwerken, eine Betriebszelle errichtete, deren Mitglieder mit Beiträgen die Angehörigen verhafteter Kommunisten unterstützten, wurde gemeinsam mit seiner Frau Hermine am 27.1.1941 von der Gestapo erkennungsdienstlich erfasst und am 17.11. 1942 wegen "Wehrkraftzersetzung" und "Vorbereitung zum Hochverrat" zum Tode verurteilt und am 26. 2. 1943 am Landesgericht Wien hingerichtet.
Auch die Angehörigen des in einer eigenen Tafel danach geehrten Moritz von Kuffner ließen es sich nicht nehmen, auch der Feier am Nietzscheplatz beizuwohnen.
Kuffners Urenkel Michael und George Eberstadt waren dafür extra aus New York mit ihren Frauen Nina und Cynthia angereist. "Wir wussten nichts von der Sternwarte und nur wenig über die anderen Leistungen unseres Urgroßvaters!" Etwa dass er nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer und der ursprüngliche Besitzer der Ottakringer Brauerei war, sondern dass er auf eigene Kosten schon 1885 in Ottakring eine neue Kinderbewahranstalt errichtete, das Grundstück zum Bau des Ottakringer Tempels spendete, der Freiwilligen Feuerwehr Ottakring, deren Mitglied er war, einen großen Löschzug kaufte und in Ottakring und Favoriten Arbeiterheime errichten ließ.
Daneben war er begeisterter Bergsteiger und Errichter der Kuffner Sternwarte. Umso größer war das Erstaunen und die Begeisterung seiner Nachfahren, als sie in der Nacht vor der Gedenksteineröffnung erstmals von der Sternwarte aus in den nächtlichen Himmel blickten. "Vielleicht erklärt die Leidenschaft meines Urgroßvaters, von der ich bisher nichts ahnte, warum mich seit meiner Kindheit die Sterne so faszinieren", überlegt Michael Eberstadt.
1938 wurde das gesamte Vermögen der Familie Kuffner von der Gestapo beschlagnahmt und die Brauerei arisiert. Im Juli 1938 brachte Stephan Kufen seinen kranken Vater Moritz nach Bratislava, von dort aus flüchteten sie in die Schweiz, wo Moritz von Kuffner am 5. März 1989 starb. Viele seiner Verwandten wurden im Holocaust ermordet. Die überlebenden Nachkommen, deren Söhne und Enkelkinder leben heute in den USA.
Ein Buch zur Gedenktafel
"Als wir wussten, dass hier an der Sternwarte eine Gedenkstätte errichtet wird, war klar: Wir müssen uns intensiv mit der Geschichte Moritz von Kuffners befassen", erzählt der Leiter der Sternwarte, Günther Wuchterl. Klaudia Einhorn, Grafikerin, Texterin, Webdesignerin und leidenschaftliche Amateur-Astronomin erklärte sich sofort bereit, den Text zu verfassen. "Doch je mehr ich recherchierte, umso klarer wurde: Das wird kein kleines Booklet zur Gedenktafel, das muss ein Buch werden!" Ein Jahr lang recherchierte sie, deckte unglaubliche Hintergundgeschichten auf und schrieb. Pünktlich zur Eröffnung der Gedenktafel war ihr Buch fertig und wurde unter großem Applaus präsentiert.
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