100 Jahre Republik: Spittal glich 1918 einem Heerlager
Das Jahr 1918 bedeutete für die Lieserstadt zwar das Ende des Krieges, allerdings war es auch ein Jahr voller Hunger.
SPITTAL (ven). 100 Jahre ist es nun her, seit Österreich zur Republik erklärt wurde. Die WOCHE hat sich ins Stadtarchiv zu Jasmin Granig begeben, um mehr über das schicksalshafte Jahr 1918 herauszufinden.
Tiefer Einschnitt
"Wie mein Vorgänger Christoph Stückler bereits zur Ausstellung 'Unter eisernem Zwange…' Spittal an der Drau im Ersten Weltkrieg geschrieben hat, bedeuteten das Kriegsende und der damit verbundene Zerfall der Habsburgermonarchie für den kleinen Markt und „frontnahen Etappenort“ einen tiefen Einschnitt", so Granig.
Riesiges Heerlager
Im Herbst 1918 war der Zusammenbruch der Front in Italien nicht mehr aufzuhalten. Ein Strom von Soldaten der sich auflösenden Armee Österreich-Ungarns ergoss sich von Süden her in Richtung Kärnten. Als wichtiger Eisenbahn- und Verkehrsknotenpunkt glich Spittal bald einem riesigen Heerlager. Überlastete Eisenbahnzüge, überfüllte Quartiere, militärisches Gerät aller Art und im Freien lagernde Soldaten prägten das Bild des Marktes im Spätherbst 1918.
Sicherheit und Ordnung
"Oberstes Ziel der Gemeindeverwaltung war es, so weit als möglich Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten. Raub und Plünderungen sollten möglichst vermieden werden. Eine bewaffnete 'Nationalgarde' wurde hierfür zur Verstärkung der Exekutive aufgestellt. Diese wurde später in die 'Kärntner Notwehr' überführt", erklärt Granig weiter.
Katastrophale Ernährung
Ein „Lebensmittel-Kontroll-Ausschuss“ organisierte die Versorgung der Bevölkerung. Die durchziehenden Truppen wurden an eigenen „Labestationen“ verpflegt, um Plünderungen zu vermeiden. Die Lebensmittel hierfür stammten vorrangig aus Heeresbeständen, die von der Gemeinde während des Rückzugs der Truppen übernommen werden konnten und für eine erste Entspannung der katastrophalen Ernährungssituation sorgten.
Plünderungen
Trotz aller Bemühungen konnten einzelne Plünderungen, unter anderem eines Lebensmittelzuges am Bahnhof sowie eines Magazins im Spittaler Schlosspark, nicht verhindert werden. Ein weiteres Problem war die Tätigkeit krimineller Banden sowie ein blühender Schleichhandel mit „Bergegütern“ aller Art, der auch durch die Verhängung „schärfster Strafen“ kaum eingedämmt werden konnte.
Spittaler Nationalrat
Infolge des politischen Umbruchs nach dem Ende der Monarchie wurden erstmals Sozialdemokraten in die Gemeindeverwaltung aufgenommen. Sechs Vertreter der „Arbeiterschaft“ unter der Führung von Konsumvereinsdirektor Josef Gabriel wurden im November 1918 in den neu gebildeten Spittaler „Nationalrat“ berufen. Ein erstes Signal für den Willen zum Aufbruch in eine neue demokratische Zukunft innerhalb der jungen Republik. Es vergingen jedoch noch Jahrzehnte voller Auseinandersetzungen und ein zweiter verheerender Krieg, um dem demokratische Grundkonsens in Österreich nach 1845 tatsächlich zum Durchbruch zu verhelfen.
Hunger an der Tagesordnung
In der Schulchronik 1917/1918 und 1918/1919 steht von Lehrer Andreas Asenbauer geschrieben: „Regelmäßiger Schulbetrieb“, jedoch Hunger und Mangelwirtschaft an der Tagesordnung: Schüler werden drei Tage pro Monat zum Sammeln von Blättern, Brennesseln (Anm: Erzeugung Ersatzstoffe) geschickt. Die Not ist sehr groß, die Ernährung hat den größten Tiefstand erreicht. Erwachsene und Kinder magern zusehends ab. Holzsohlenschuhe werden für die Kinder bestellt.“
Oder auch: „Es erfolgt der Zusammenbruch mit all seinen trüben Begleiterscheinungen.“ Die Schule ist von 13. Oktober bis 29. November, anfänglich wegen der Grippe (!), später wegen des Durchzuges der Truppen geschlossen“.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.