Nach Freispruch in 1. Runde: Identitären-Prozess geht in die nächste Instanz

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BADEN. Der 14. April 2016 machte mediale Furore: Mitglieder der rechtsextremen identitären Bewegung (darunter auch die Badener Brüder Sellner) stürmten eine Theateraufführung im Audi Max Wien. Dort performte das Künstlerkollektiv "Die schweigende Mehrheit" Elfriede Jelineks "Die Schutzbefohlenen". Megaphon, Kunstblut, Tumulte, Unterbrechung, Körperverletzung: Dafür hatten sich 17 Angeklagte am Badener Bezirksgericht zu verantworten - und wurden am 15. März am 2. Prozesstag von der Richterin in allen Punkten freigesprochen. Begründung: Die Beweise der Körperverletzung waren zu dürftig, eine Theateraufführung sei keine Versammlung nach Paragraf 285, für den die 17 angeklagt waren.
Im Publikum war auch Tina Leisch, die das Theaterstück inszeniert hatte. Sie kommentierte das Urteil so: "Es ist moralisch empörend, dass die Identitären hier traumatisierte Menschen - die als Schauspieler auf der Bühne standen - erneut traumatisiert haben. Ich hoffe, dass die Öffentlichkeit diese Tat schärfstens verurteilt, wenn schon das Strafrecht nicht zu tragen kommt."


Urteile aus der Kultur


Auch heimische Kulturschaffende kommentieren das Urteil befremdet.
Prof. Dr. Michael Lakner, künstlerischer Leiter der Bühne Baden: "Angst macht mir das schon. Aber: Theater hat schon immer die Aufgabe gehabt, sich dem Diskurs mit dem Publikum zu stellen. Der ist nicht immer nur angenehm (man denke an das "Watschenkonzert" 1913), aber gesellschaftlich erwünscht und erforderlich. Applaus und Bravo-Rufe sind dabei genauso üblich wie Pfiffe oder Buhschreie. Die Grenze zur von den Identitären behaupteten "künstlerischen Intervention" liegt für mich ganz klar in der Überschreitung von bestehenden Rechtsnormen: Freigesprochen wurden die Angeklagten ja auch vom Vorwurf der Körperverletzung. Ob ein normativer Schutz von Theateraufführungen stattdessen eine Verurteilung gebracht hätte, halte ich für fraglich. Wie drakonisch müsste eine solche Regelung beschaffen sein? Für mein Publikum wünsche ich mir jedenfalls keine derartigen rechtlichen Einschränkungen.  (Ungekürztes Originalzitat Dr. Lakner)

Regisseurin Julia Bruckner von "Showmotions" in Baden findet es verwerflich, eine "kulturelle Veranstaltung zu stören." Mit Kunst müsse man sich unbedingt auseinandersetzen, aber nicht so, dass Menschen zu Schaden kommen. Als "Schaden" bezeichnet sie auch psychische Schäden, die Menschen erleiden können.

Franz Schiefer und Nicole Gerfertz von der Theatergruppe AmaKult bei der Kulturszene Kottingbrunn: "„Der Freispruch hat uns überrascht und auch unangenehm berührt. Die Begründung, dass ein Theaterstück nicht unter das geschützte Objekt einer „Versammlung mit höherem Zweck“ fällt, ist für uns nur bedingt nachvollziehbar. Es ist falsch zu glauben, Theateraufführungen dienen nur der Unterhaltung. Es gibt natürlich Aufführungen, bei denen das so ist. Aber es ist auch Aufgabe des Theaters gesellschaftskritisch zu agieren und dabei kontroverse Themen aufzugreifen. So kann Diskurs entstehen. Eine Diskussion mit den Identitären nach einer Aufführung der „Schutzbefohlenen“ hätte durchaus spannend sein können. Aber die Identitären haben nicht den Diskus, sondern die Störung, die Verhinderung, die Angst und den Schrecken als Mittel gewählt. Es ist beruhigend, dass eine Störung von Theateraufführungen immerhin eine Besitzstörung ist, aber greift das nicht zu kurz? Die Befürchtung, dass sich Bewegungen wie die Identitären nun bestärkt fühlen, solche Aktionen zu wiederholen, da diese zumindest strafrechtlich ohne Folgen bleiben, gibt ein ungutes Gefühl. Müssen sich Theaterschaffende und -zuschauer ab jetzt fürchten, wenn sie zu kontroversen Theateraufführungen gehen? Haben Schauspieler und Zuschauer nicht das Recht, sich in einem geschützten Raum/Rahmen zu treffen, um sich mit kritischen Themen auseinanderzusetzen? Und verdient dieses Recht nicht mehr Verteidigung?
Was menschlich an dieser Geschichte auch sehr unangenehm ist: „Schutzbefohlene performen Jelineks Schutzbefohlene“ des KünstlerInnenkollektivs „Schweigende Mehrheit“ ist ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit, mehr Humanismus im Umgang miteinander, ein Plädoyer für die Gleichheit und Wertschätzung aller Menschen. Diese Wertschätzung aller Menschen, diese Mitmenschlichkeit wurde in unseren Augen von den Identitären mit Füßen getreten. Es stimmt traurig, dass das scheinbar nicht strafbar ist. Hat Unmenschlichkeit rechtlich keine Konsequenzen? Und wo führt uns das als Gesellschaft hin?“ (Franz Schiefer/ Nicole Gerfertz, ungekürztes Original-Zitat)

Staatsanwältin legte Berufung ein
Wie die Bezirksblätter am 18. März erfuhren, meldete die zuständige Staatsanwältin Nur Dogan Berufung an - wegen "Nichtigkeit, Schuld und Strafe". Was laut Auskunft der Gerichtsvorsteherin bedeutet, dass die Staatsanwältin in allen Punkten neue Aspekte der Anklage einbringen kann. Der Prozess geht also am Landesgericht Wr. Neustadt in nächster Instanz weiter, beziehungsweise wird er neu aufgerollt.

Frühere Artikel

https://www.meinbezirk.at/baden/lokales/verhandlungsmarathon-gegen-17-identitaere-d2409197.html

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