Haas: "Ohne Infrastruktur kriegt Vermieter keinen Preis!"

Gerhard Haas 7 | Foto: Kainz

Viele Hotels im Land werden verkauft. Speziell im Stubai ist das in letzter Zeit auffallend oft der Fall. Auch Gerhard Haas hat seinen Beherbergungsbetrieb veräußert. Im BEZIRKSBLATT-Interview erklärt der Touristikkaufmann aus Neustift, der auch als Fachtrainer am WIFI tätig ist und Tourismusqualifizierungen für verschiedene Bildungsanbieter macht, was ihn zu diesem Schritt bewogen hat.

BEZIRKSBLATT: Herr Haas, im Tal wurden in letzter Zeit auffällig viele Betriebe veräußert. Ihr Bruder Peter hat den Alpenhof und den Neustifter Hof an tschechische Investoren, Sie selbst haben ihr Hotel Cappella an die Eberharter Hotelbetrieb OG verkauft. Warum?
Haas:
Viele meinen, die Finanz- und Wirtschaftskrise wäre ausschlaggebend dafür, dass Betriebe zunehmend den Besitzer wechseln. Doch das ist so nicht richtig. Hotelverkäufe hat es immer gegeben. Meiner Meinung nach liegt das Hauptproblem darin, dass unsere Infrastruktur im wahrsten Sinne des Wortes zerbröckelt und größere, sehr dringende Investitionen nicht in Sicht sind. Die Verkaufsentscheidung ist uns nicht leichtgefallen.

BEZIRKSBLATT: Einige der infrastrukturellen Einrichtungen sind echt marode. Aber allein daran kann es doch nicht liegen?
Haas:
Nicht nur, aber zu einem großen Teil! Denn das Stubaital kann im harten Wettbewerb der Tourismusdestinationen in Tirol nicht mehr mithalten. Ich sollte vielleicht etwas ausholen. Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre gab es eine Reihe von schneearmen Wintern. Der Stubaier Gletscher boomte und jeder wollte ein Stück vom Kuchen abhaben. Es wurden Bettenüberkapazitäten aufgebaut. Als die Nächtigungen dann in den letzten Jahren stetig zurückgingen, machte sich Preisdumping breit. Heute kostet ein Tagesskipass mehr als eine Nacht im Vier-Sterne-Haus mit Halbpension. Da läuft was falsch!

„So gut wie kein Stubaier Gast zahlt mehr den ‚normalen‘ Preis“
BEZIRKSBLATT: Die Preisdisziplin leidet also unter immer kürzeren und schlechteren Saisonen?
Haas:
Genau. Die Preise richten sich inzwischen nach Sonnen- und Mondstand! Es ist unseriös, über Silvester den Gast abkassieren zu wollen, und in Nebensaisonzeiten für die gleiche Leistung weniger als die Hälfte vom Preis zu verlangen. Und weil Preisuntergrenzen in der Praxis nicht machbar sind, bewegen wir uns hier in einem Teufelskreis: Die großen Bettenbetriebe investieren laufend, beispielsweise in Wellnessbereiche, um attraktiv zu bleiben, müssen aber dann die Zimmer so billig anbieten, dass weder Privatvermieter noch kleinere Beherbergungsbetriebe mithalten können. Ich denke auch, dass die Banken hier eine falsche Philosophie verfolgen. Klein- und Mittelbetriebe kommen immer schwerer an Kredite, während die Verschuldungsquoten bei den Großen ins Unermessliche wachsen. Durch die strengeren Kreditvergaberichtlinien – Stichwort: „Basel 3“ – wird sich diese Situation weiter verschärfen.

BEZIRKSBLATT: Daher rührt die Schnäppchenjagd im Internet?
Haas:
Dadurch wird sie massiv angeheizt. Leider zahlt inzwischen so gut wie kein Stubaier Gast mehr einen „normalen“ Preis. Die guten Gästeschichten haben wir ohnehin seit Jahren verloren, wir positionieren uns unfreiwillig als Billig-Skifahrerdestination – wobei sich das „billig“ nicht auf die Skipasspreise, sondern auf die Vermieter bezieht!

BEZIRKSBLATT: In anderen Gebieten ist das Preis-Leistungsverhältnis doch noch in Ordnung?
Haas:
Womit wir wieder beim ersten Punkt wären. Unsere Region ist anderen gegenüber nicht mehr konkurrenzfähig! Andernorts wurde mächtig aufgerüstet, wir aber sind stehen geblieben bzw. haben Rückschritte gemacht! Kleinliftanlagen wurden abgetragen, die Tennishalle abgerissen etc. Der Gast bucht aber nicht nur das Haus, sondern in erster Linie die Destination!

BEZIRKSBLATT: Meinen Sie, durch die Fusion der Stubaier Tourismusverbände könnte sich die Situation à la longue verbessern?
Haas:
Ehrlich gesagt nicht. Diese zwanghaft herbeigeführte Fusion hat aus Sicht der Unternehmer alles verschlechtert. Das eigentliche Ziel, Doppelgleisigkeiten abzuschaffen, Synergieeffekte und Kosteneinsparungen zu erzielen, ist verfehlt worden. Fulpmes und Neustift können nicht gut miteinander und der TVB Stubai muss die meisten Finanzmittel aus dem Budget für den Erhalt der maroden Infrastruktur einsetzen. Vieles wird künstlich am Leben gehalten, weil sich keiner traut, diese heißen Eisen anzugreifen. Die gut gemeinte Infrastrukturgesellschaft ist ein zahnloser Papiertiger, die über keine ordentliche Finanzausstattung verfügt, um neue Projekte anzugehen.

„Einiges liegt im Argen, aber keiner hat den Mut, Strukturen zu ändern“
Die Mittel, die für einen g‘scheiten Werbeauftritt und das so wichtige Marketing bleiben, sind beschämend. Mag schon sein, dass einige Strippenzieher im Hintergrund durch die Fusion gut verdient haben, aber den Unternehmen und Vermietungsbetrieben hat sie nichts genützt. Keine der ursprünglichen Hoffnungen hat sich erfüllt, die Fusion ist schief gelaufen. Man kann auch in Schönheit sterben!

BEZIRKSBLATT: Wenigstens bleibt der Gletscher als Zugpferd...
Haas:
Ja, aber die Gewinne, die dort erzielt werden, bleiben nicht im Tal. Es ist auch nicht unbedingt Aufgabe der WISPO-Aktionäre, im Stubai zu investieren – keine Frage – aber in anderen Tälern, wo die Gesellschafter Einheimische sind, ist das der Fall und das tut den Tourismusregionen für ihre Weiterentwicklung sehr gut.

BEZIRKSBLATT: Wird das Stubai jemals „hochkommen“?
Haas:
Wie denn? Wir sind heute marketingmäßig fast nirgends mehr oder nur in sehr geringem Ausmaß vertreten, haben keine neuen Zielgruppen erschlossen und keine innovativen Angebote entwickelt. Das Stubaital fährt mit angezogener Handbremse in Richtung Zukunft! In diesem Zusammenhang darf eines, die Gemeinden betreffend, nicht unerwähnt bleiben: Es gibt keinen Masterplan, wie man mit dem ganzen Problem der anstehenden Betriebsübergaben wirtschaftspolitisch umgeht! Man hätte sich längst Gedanken darüber machen müssen, wie man Betten vom Markt nimmt und Kapazitäten abbaut! Ich denke hier etwa an Widmungsänderungen – damit könnten die Immobilien alternativen Verwendungszwecken zugeführt werden. Was lassen sich die Gemeinden einfallen, um nicht irgendwann mit einer Serie von Hotelleichen kämpfen zu müssen?

BEZIRKSBLATT: Gehen Sie von einer Insolvenzwelle aus?
„Ich wollte kein Sanierungsfall werden und habe halt reagiert“
Haas:
Die Gefahr besteht sicher! Immerhin sind geschätzte 80 % der Betriebe operativ im Minus, schreiben also Verluste! Die Rechnung geht für viele einfach nicht mehr auf! Ich persönlich wollte kein Sanierungsfall werden. So konnte ich den Verkauf meines Hauses noch aktiv beeinflussen und eine saubere Lösung herbeiführen. Als Unternehmer kann man nicht warten, bis man ganz nach unten rutscht. Ich habe halt reagiert.

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