Abriss: Aus für alte Bäckerei in der Großen Pfarrgasse
Knapp vor einer Baurechtsnovelle wurden in ganz Wien Häuser abgerissen – auch in der Leopoldstadt.
Von Mathias Kautzky und Christine Bazalka.
LEOPOLDSTADT. Das alte Biedermeierhaus in der Großen Pfarrgasse war eines der 14 letzten Häuser im Grätzel, das nur ein Stockwerk hatte. Links und rechts von ihm ragen sechsstöckige Wohnhäuser in die Höhe. In dem Haus war eine Bäckerei untergebracht.
Eine alte Bäckerei in der Leopoldstadt, ein Mietshaus in der Landstraße, ein Gasthaus auf der Wieden – sie alle wurden in den letzten Junitagen dem Erdbogen gleichgemacht. Was haben sie gemeinsam? Die Häuser waren zwar nicht denkmalgeschützt, aber wurden – teilweise lang – vor 1945 erbaut. Solche Häuser abzureißen, war bis vor Kurzem nicht genehmigungspflichtig.
Mit 1. Juli tritt eine neue Bauordnung in Kraft, die den Abriss vor 1945 errichteter Häuser deutlich erschweren soll. Nun braucht man eine Bewilligung der Stadt und eine Bestätigung darüber, "dass an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht". Offenbar wollten viele Hauseigentümer noch vor Inkrafttreten dieser Novelle Nägel mit Köpfen machen und zogen die Abbrucharbeiten an alten Häusern vor.
"Grundsätzlich freuen wir uns, weil mit der Novelle hoffentlich viele alte Häuser vor Spekulationsabrissen gerettet werden können", erklärt Markus Landerer von der Initiative Denkmalschutz. Man hätte das gleiche Ergebnis aber schon viel früher haben können, wenn man großzügiger Schutzzonen ausgesprochen hätte – dort war ein Abriss nämlich schon immer bewilligungspflichtig.
"Nicht erhaltenswert"
Im Falle der Bäckerei in der Großen Pfarrgasse soll die zeitliche Nähe zur Novelle nur Zufall sein: "Der Zeitpunkt ist seit Ende 2017 geplant", sagt der Geschäftsführer der Eigentümergesellschaft, Horst Pichlmüller. Anstelle der Bäckerei komme ein Wohnbau, gleich hoch wie die Nachbarhäuser. "Es wird ein schöner Bau mit etwa 14 Wohnungen", meint Pichlmüller. Eine Sanierung hätte sich nicht gerechnet, weil das Haus sehr klein und gewerblich genutzt war. Schade findet das Pichlmüller nicht: "Wenn Sie es innen gesehen hätten, würden Sie mit mir übereinstimmen, dass es nicht erhaltenswert war."
Das sehen nicht alle so: Das Haus aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts war für viele Anrainer ein liebgewonnener Fixpunkt. "Die ganze Konstellation hatte so gut gepasst, das kleine Häuschen mit dem Baum im Hintergrund", sagt Angelika Kreilinger, die zehn Jahre im Grätzel gewohnt hat: "Dieses Kulturgut wurde jetzt unwiederbringlich zerstört."
Die Restauratorin Raja Schwahn-Reichmann, die auf der Taborstraße daheim ist, glaubt sogar, dass das Haus noch älter war, als angenommen: "An der Silhouette ließ sich erkennen, dass es im Kern aus der frühen Neuzeit war." Das hieße, dass es wertvolle Spuren des jüdischen Ghettos, das bis 1670 auf diesem Gebiet existierte, zu entdecken gegeben hätte – "doch jetzt wurde eines der letzten vier bis fünf Häuser in dem Gebiet, die noch so alt sind, einfach abgerissen", bedauert Schwahn-Reichmann.
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