"Schiefes Licht, weil Jugendliche miteinander schlafen": Schülerunion-Bundesobmann Tobias Hofstätter im Gespräch
Mit der bz hat der Liesinger und Neo-Bundesobmann der Schülerunion, Tobias Hofstätter, über den Sex-Punkte-Skandal, Gleichberechtigung als Unterrichtsprinzip und interne Machtstrukturen gesprochen. Außerdem: Wofür steht die Schülerunion eigentlich und wie will Hofstätter die Schule ins 21. Jahrhundert führen?
LIESING. Der neue Bundesobmann der Schülerunion, der größten Schülervertretung Österreichs, kommt aus Liesing. Anfang August wurde Tobias Hofstätter mit mehr als 80 Prozent der Stimmen gewählt. Die Schülerunion selbst war in den vergangenen Monaten immer wieder in den Schlagzeilen. Ein internes Punktesystem für Sex mit Funktionären kam an die Öffentlichkeit und Vorwürfe eines ehemaligen Mitgliedes, dass Kritik in der Schülerunion nicht erwünscht sei, haben für Schlagzeilen gesorgt.
WIENER BEZIRKSZEITUNG: Herr Hofstätter, verstärkte politische Bildung und 360-Grad-Lehrerfeedback sind Ihre aktuellen Themen. Was bedeutet das konkret?
HOFSTÄTTER: Politische Bildung ist für uns ein großes Anliegen, weil wir auch auf der Schulebene Politik betreiben. Schülerinnen und Schüler dürfen ab 16 wählen, bekommen aber kaum neutrale Informationen zum politischen System. Uns ist wichtig, dass sie wirklich neutrale Informationen zu den Parteien bekommen, und nicht nur Informationen durch die Parteien selbst.
Wie kann man sich neutrale Infos vorstellen? Wer macht die?
Da stellt sich die Frage: Wie neutral sind Personen? Wie neutral sind Lehrkräfte? Das ist der wichtigste Punkt. Uns ist wichtig, dass Lehrkräfte keine politische Färbung haben und dass es vom Ministerium, bzw. im Lehrplan ein genaues Konzept gibt, in dem steht, was neutral und was schon gefärbt ist.
Und was ist das 360-Grad-Lehrerfeedback?
Das ist eine Möglichkeit für Schüler, nach dem Schuljahr Feedback darüber zu geben, was gut gelaufen ist im Unterricht und was noch verbesserungswürdig ist.
An wen geht das Feedback dann?
Das muss noch geklärt werden. Uns ist ganz wichtig, dass es kommt und auch bei den Lehrern ankommt, dass es Anwendung finden muss. Das Schöne daran ist, dass Feedbackkultur gelebt wird und diese Feedbackkultur den Schülerinnen und Schülern in jungen Jahren schon beigebracht wird. Dass auch Schüler Lehrern sagen können, was sie nicht so gut finden und der Lehrer die Möglichkeit hat, einen besseren und schöneren Unterricht zu gestalten.
Sie haben gesagt: „Wir werden zeigen, dass die Schülerunion ein ehrlicher und professioneller Verein ist.“ Angesichts der Themen, die in den vergangenen Monaten aufgetaucht sind, ist das offenbar wichtig. Stichwort: Sex-Punktesystem der Schülerunion. Wie stehen Sie dazu? Haben Sie selbst Punkte gesammelt?
Wir haben uns lange damit beschäftigt, wie dieses System – wie es in den Medien genannt wird – angewendet wurde, wenn es überhaupt jemand angewendet hat. Das war ja eine kleine Sache, die vor vielen Jahren passiert ist. Und uns ist ganz wichtig, dass auch klar ist, dass wir Schüler nicht werten und auch niemanden ausnützen. Darum sage ich, die Schülerunion ist ein ehrlicher und professioneller Verein. Ich finde es sehr schade, dass so ein schiefes Licht auf die Schülerunion geworfen wurde, weil vielleicht Jugendliche miteinander schlafen.
Also, von der Anwendung in den letzten Jahren wissen sie nichts?
Man muss das schon in Relation sehen. Das sind 15, 16-jährige bis 20-jährige, die miteinander Zeit verbingen. Natürlich passieren da Blödeleien. Dass damals jemand eine Liste erstellt hat und das niedergeschrieben hat, ist einfach dumm. Das sollte nicht passieren. Und deshalb haben wir, als wir davon erfahren haben, klar gesagt: Das ist nicht ok, das soll nicht verwendet werden. Aber wir wissen nicht, ob es verwendet wurde, weil wir selbst nicht mitgemacht haben. Wenn das jetzt noch Einzelpersonen machen, dann weiß ich nicht, was die in ihrem Privatleben machen. Aber das soll deren Privatleben bleiben. Wir haben klar kommuniziert, dass das für uns nicht geht.
Das ehemalige Schülerunions Mitglied Emil Bannani hat Anfang des Jahres massiv Kritik an der Schülerunion geübt: Er sagt, dass andersdenkende Mitglieder „diffamiert und mundtot gemacht werden“. Darauf hin wurde er aus Social Media Kanälen ausgeschlossen. Wieviel Kritik aus den eigenen Reihen verträgt die Schülerunion?
Wir leben eine sehr offenen Feedbackkultur, wo Kritik nicht nur negativ gesehen wird. Bei uns gibt es in den Vorständen und in den Planungsgruppen oft Diskussionen. Dass wir eine offene Feedback- und Kritikkultur haben, merkt man ja auch an unseren Forderungen für ein 360-Grad-Lehrerfeedback. Deswegen hat mich das alles sehr gewundert und es war auch sehr viel von Emil Bannani überspitzt formuliert. Ich bin seit 2013 bei der Schülerunion und die Vorwürfe habe ich selbst nie mitbekommen. Deshalb: Wieviel Kritik verträgt die Schülerunion? So viel, bis die Leute damit zufrieden sind. Bis jetzt hat das sehr gut funktioniert. Irgendwann muss man gemeinsam eben auch an einem Lösungsansatz arbeiten.
Hat es eigentlich persönliche Gespräche mit Emil Bannani gegeben?
Ja, ich habe mit ihm telefoniert. Er hat mir damals sehr viel Kritik persönlich entgegen gebracht. Ich hab ihn auch darauf angesprochen, ob da noch was kommen wird, weil er sehr angriffig gegenüber der ganzen Organisation war. Er hat gesagt, er schaut noch. Aber ich fand das Gespräch sehr gut. Und dann, wenige Tage danach, hat er sehr viel gepostet und dieser Punktesystem-Skandal ist aufgekommen. Das hat mich sehr gewundert. Aber wenn er groß Profit daraus schlagen kann und einen großen Medienaufruhr erzeugen kann, dann ist das eben seine Entscheidung. Ich persönlich sage in der Schülerunion, wenn etwas nicht passt. Und dafür gibt es in bei uns immer einen Platz.
Bannani kritisiert in einem Biber-Interview auch, dass die Schülerunion „nichts anderes als der Steigbügelhalter der ÖVP in der Schulpolitik" sei. Es ginge nur um den Machterhalt. Man agiere so, wie es sich die ÖVP wünsche und nicht im Sinne der Schüler.
Auch das haben wir gelesen. Wir haben viele verschiedene gesellschaftspolitische Meinungen innerhalb der Schülerunion. Das ist sehr schön, weil wir dadurch konstruktive Gespräche führen können. Wir verbinden viele verschiedenen Leute und Jugendliche, die alle gemeinsam für ein besseres Schulsystem kämpfen. Wir haben viele Leute, die bei Jugendorganisationen dabei waren. Seien es die JUNOS (Junge Liberale Neos, Anm.) oder die JVP (Junge Volkspartei, Anm.) aber auch die Junge Generation (Junge Generation der SPÖ, Anm.) zum Beispiel. Natürlich gibt es immer wieder Gespräche mit den verschiedenen Parteien. Ich möchte auch mit allen sprechen, um unsere Anliegen durchzubringen.
Die Glückwünsche zu Ihrem Wahlsieg sind von der JVP gekommen.
Ja, mich freut es natürlich, wenn ich beglückwünscht werde.
Wer finanziert die Schülerunion eigentlich? Wie viel Geld kommt aus dem Geldtopf der ÖVP?
Wir freuen uns über Sponsoren, weil wir natürlich Geld brauchen. Aber auch Produktsponsoring ist dabei. Zum Beispiel für unsere Schulstartaktion, da freuen wir uns, wenn uns jemand unterstützt. Geld kommt natürlich auch über die Bundesjugendförderung.
Und von der ÖVP?
Von der ÖVP selbst habe ich noch keinen Eingang gesehen in der Finanzbuchhaltung. Ich habe letztes Jahr aber nicht die Finanzen gemacht. Ich habe meine Pressearbeit gemacht. Und daher kann ich nichts dazu sagen.
Das letzte Positionspapier der Schülerunion ist vier Jahre alt. Wie aktuell ist die Politik der Schülerunion?
Wir haben gerade die Statuten und auch das Positionspapier neu abgestimmt. Weil uns wichtig ist, dass wir an die neuen Situationen angepasst sind. Das Autonomiepaket ist ja dazu gekommen. Uns ich wichtig, dass wir aktuelle Politik fordern. Das wird man auch sehen, wenn wir unseren Kandidaten zum Bundesschulsprecher vorstellen. Genauso wie unsere Digitalisierungskampagne. Unsere Forderungen und Positionen spiegeln das 21. Jahrhundert sehr gut wieder. Wir sind die treibende Kraft, die die Schule ins 21. Jahrhundert bringt.
Stichwort Strafen bei Schulschwänzen. Wie steht die Schülerunion dazu?
Die Frage ist natürlich, ab wann gibt es Strafen? Wir haben uns vorab angeschaut: Wie ist es für Schüler wirklich? Es passiert natürlich mal, dass man eine unentschuldigte Fehlstunde hat. Uns ist wichtig, dass man ehrenamtliche Tätigkeiten, auch wenn sie in den Schultag fallen, ausführen kann.
Soll es Strafen für unentschuldigte Fehlstunden geben?
Das ist eine Sache des Ministeriums gewesen, um zu schauen, dass die Schüler regelmäßig zur Schule kommen. Es ist eine Art, das zu machen.
Wie ist Ihre Position: Strafen, ja oder nein?
Das kann man nicht mit ja oder nein beantworten. Ich finde, das kann man nicht pauschal sagen.
Sie wollen die Lehre in Österreich aufwerten. Wie? Und wie stehen Sie zur Frage, ob Asylwerber in Österreich eine Lehre absolvieren dürfen?
Uns ist besonders wichtig, dass die Lehre nicht so gesehen wird, dass man nicht gut genug für das Gymnasium ist. Wir setzen heuer einen Schwerpunkt auf die Lehre, wir wollen besonders die Berufsschüler vertreten. Sie sollen höher angesehen werden. Es gibt viele Berufe, die einfach eine spezielle Ausbildung brauchen. Da wollen wir aufzeigen, welche Chancen man mit einer Lehre hat. Wir haben sehr viele Akademiker und sind ein Staat, in dem die Ausbildung sehr wichtig ist.
Sollen Asylwerber in Österreich eine Lehre absolvieren dürfen?
Wir haben da noch keine konkrete Position dazu. Das werten wir noch aus. Wir führen sehr intensive Gespräche zu diesem Thema.
Die AKS (Aktion kritischer SchülerInnen) kritisiert, dass die Bundesregierung das Unterrichtsprinzip „Gleichstellung von Mann und Frau“ für obsolet erklärt hat. Wie steht die Schülerunion zu diesem Unterrichtsprinzip und zur Gleichstellung und der politischen Entscheidung der Bundesregierung?
Unterrichtsprinzipien sind generell eine Sache, die natürlich wichtig sind und wo wir uns immer wieder fragen, wie man am besten den Unterricht gestaltet. Bei uns ist die Gleichstellung von Mann und Frau klar, jede Person kann in der Schülerunion eine Position bekommen.
Aber welches Gewicht hat das als Unterrichtsprinzip für die Schülerunion?
Die Bundesregierung hat ganz viel im Bildungsbereich gemacht. Ich habe das noch nicht so am Schirm gehabt. Wir setzen uns eher konstruktiv ein und schauen, was kann man besser machen. Wir leben Gleichberechtigung in der Schülerunion vor. Das ist unser Beitrag dazu. Wir beschäftigen uns eher damit, wie man den Unterricht verbessern und die Schule ins 21. Jahrhundert holen kann.
Stichwort AKS: Bei den vergangenen Wahlen im Juli hat die AKS Wien seit zehn Jahren wieder die Mehrheit der Stimmen errungen und stellt nun eine Landesschulsprecherin. „Die LSV Wahlen in Wien zeigen, dass die schwarz-blaue Politik nicht im Sinne der Schülerinnen ist“, sagen die Bundesvorsitzenden der AKS.
Wie sehen Sie das?
Ich würde nicht pauschal sagen, dass alles, was die neue Regierung macht, richtig ist für alle Schülerinnen und Schüler Österreichs. Wir schauen uns jedenfalls das Regierungsprogramm an und schauen, wo sind die Punkte, die wir gefordert haben, wo sind Punkte, die wir beeinflussen können. Wir machen das beste aus dem Programm. Es gibt einige Punkte im Bildungsbereich, die sehr positiv sind. Zum Beispiel die Deutschförderklassen, die Verankerung des Schülerparlaments oder das 360-Grad-Lehrerfeedback. Da freuen wir uns schon, dass viele Forderungen von uns aufgegriffen worden sind.
Zur Sache
Anfang August wurde Tobias Hofstätter beim Bundestag der Schülerunion in Kufstein zum neuen Bundesobmann der Schülerunion gewählt. Der Wirtschaftsstudent wird dieses Amt ein Jahr lang bekleiden.
Die ÖVP-nahe Schülerunion selbst war in den vergangenen Monaten immer wieder in der Kritik. In einem Biber-Interview erzählte das ehemalige Landesvorstandsmitglied der Schülerunion, Emil Bannani, von seinen Erfahrungen und internen Vorgängen. Bannani war fünf Jahre lang in der Schülerunion aktiv.
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.